31. Kapitel

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Das Herrenhaus lag wenige Meter vor uns. Jasper löste sich aus unserer Gruppe und trat vor. Bella legte ihren Schild um ihn und ich versah ihn mit einem Schild, der ihn gewissermaßen unsichtbar machte. Wenig später rannten die beiden Vampire schon an uns vorbei. Das war geschafft. Edward, Emmet und Alice marschierten los. Ihnen folgten Augustus, meine Tante und Jacob. Danach Esme, Carlisle und Rosalie. Bella und ich setzten uns zuletzt in Bewegung. Jasper wartete vor der Haustür auf uns. Sie war verschlossen. Leonie legte eine Hand auf sie und murmelte die Wörter in der Sprache der Bibliothekare, um sie zu öffnen. Hm. Ich hatte immer gedacht, dass sie bereits vor meiner Geburt die Harry Potter Diegese als ihr Zuhause gewählt hatte. So konnte man sich täuschen. Wir behielten unsere Formation bei und betraten das Haus. Sechs Stimmen kamen zu den anderen in meinem Kopf hinzu. Bisher war alles glatt gegangen. Zu glatt. Das hier verlief zu leicht. Wir erreichten das Treppenhaus.Die Treppe war so schmal, dass wir alle hintereinander gehen mussten. Mist. So etwas hasste ich. Meine Nackenhaare stellten sich auf und ich legte meinenSchild um uns alle. Der erste Stock. Nichts rührte sich. Niemand versuchte, uns aufzuhalten. Sehr seltsam, wenn man mich fragte. Auch in den zweiten Stock gelangten wir ohne Widerstand. Hier stimmte doch eindeutig etwas nicht. Meine Ohren vernahmen ein leises Rieseln. „Leonie, Augustus, runter!", rief ich, einen Herzschlag bevor sich ein Brocken der Zimmerdecke auf uns stürzte. Augustus warf sich zu Boden. Wir Vampire hoben gleichzeitig die Hände, ebenso meineTante. Mühelos fingen wir den Brocken auf. Edward kippte ihn leicht. „Über das Geländer damit!", wies ich die anderen an. Sie hörten auf mich. Der Brocken trudelte in einer Spirale nach unten und riss Löcher in den Boden des ersten Stocks. „Weiter", sprach Leonie. Rasch liefen wir weiter. „Welches Zimmer?",wisperte Bella. „Erstes links", antwortete Augustus, der mittlerweile wiederstand. Plötzlich klaffte der Boden vor Edward auf, der vorausgegangen war. Ersprang hastig zurück. Das Loch wurde immer größer. Was ging hier nur vor sich?„Boden, sei ruhig und nimm deine ursprüngliche Form wieder an!", befahl meine Tante in der Sprache der Bibliothekare. Kaum hatten diese Worte ihren Mund verlassen, als ich eine weitere Stimme in meinem Kopf bemerkte. Sofort fuhr ich herum. „Reizend die ganze Familie Cullen hier anzutreffen", bemerkte eine Frau,die wie aus dem Nichts aufgetaucht war. Sie roch wie ein Mensch. Meine Tante trat neben mich. „Olimba. Agentin der OFZ. Meine Erzfeindin", erläuterten ihre Gedanken mir. „Olimba, wie reizend dich mal wieder zu treffen. Versuchst du jetzt hier für Chaos zu sorgen, nachdem du das bei deinem letzten Auftrag nicht geschafft hast?", wollte sie laut wissen. Olimba biss sich auf die Unterlippe. Das Loch war mittlerweile verschwunden und Edward legte eine Hand auf den Türgriff des Zimmers, hinter dem seine Tochter steckte. Mit einem Schmerzensschrei riss er seine Hand zurück. „Edward, was ist los?" Bella kniete sich neben ihn. „Diese Klinke wurden mit Drachenspucke eingerieben", erklärte Olimba. Das ergab Sinn. Folglich würde es für niemanden von uns Vampiren möglich sein, die Tür schmerzlos zu öffnen. „Drachenspucke?", wiederholteAlice. „Drachen existieren doch nicht." Olimba zog die Augenbrauen hoch. Leonie bahnte sich einen Weg nach vorne zu Edward. „Vertrau mir", flüsterte sie in dessen Ohr. Dieser nickte und schritt zur Seite. „Das würde ich lassen an deiner Stelle!", zischte Olimba und im nächsten Moment entwich ihr ein gellender Schrei. Diese Tonlage. Mein Gehirn versuchte zu begreifen wie ihre Stimmbänder diesen Ton produzieren konnten, während mir flammendheiß an der linken Brust wurde. Edward und Bella hielten sich die Ohren zu. Dieser elende Schmerz. Schmerz. Ach ja. „Hast du nichts besseres auf Lager?", wollte ich vonder feindlichen Agentin wissen. Diese wandte ihre Aufmerksamkeit mir zu. Daraufhatte ich nur gewartet. Rasch schenkte ihr den gleichen Blick, den Jane besaß. Olimba krümmte sich zusammen und fiel auf die Knie. Meine Tante legte eine Hand auf die Türklinke und öffnete das Zimmer. Plötzlich riss mich etwas von den Füßen. Carlisles Hand glitt aus meiner. Panik drang in mir nach oben. Suchte sicheinen Weg zu meiner Kehle. Nein. „Ganz ruhig, Vanessa", sagte ich mir. Aus dem Augenwinkel bemerkte ich, dass der Rest meiner Familie ebenfalls am Boden lag. „Hallo, Renesme", begrüßte Leonie Edwards und Bellas Tochter. Ihre Stimme. Irgendetwas stimmte damit nicht. Sie klang so anders. Höhnischer. Höher. Hämischer. „Steh auf, steh auf", befahl ich mir. „Komm schon!" Stück für Stück gelang es mir, meinen Kopf zu heben. Es fühlte sich so an, als würde ich gegen einen unfassbar starken Druck kämpfen, der sich um meinen Körper gelegt hatte. Konnte ich mithilfe der Sprache der Bibliothekare etwas ausrichten? Möglich, aber ich war mir nicht sicher. „Was willst du von mir?", wimmerte Renesme. „Hm. So sicher bin ich mir da nicht", entgegnete die Person, die es geschafft hatte, sich in meine Tante zu verwandeln. Das war sie nie und nimmer. Leonie würde so etwas niemals tun.Ich zog das rechte Bein an. „Du bist verdammt süß, meine liebe Renesme. Du riechst auch recht köstlich." Edwards Gedanken stießen einen Fluch nach dem anderen aus. Bellas konzentrierten sich darauf, ihren Schild um ihre Tochter zulegen. Geschafft. Nun das linke Bein. „Was habe ich Ihnen getan?", schluchzte Renesme aus dem Zimmer. „Sie kennen mich doch gar nicht." „Hm, das ist nicht wahr, meine Liebe. Du hast keine Ahnung, wer ich bin, das entspricht der Wahrheit, aber umgekehrt ... du unterschätzt deinen Ruf." Vorsichtig beugte ich mich nach vorne und stellte meine Füße auf den Boden. „Weshalb haben Sie meine Familie mitgebracht? Lassen Sie sie aus dem Spiel, Sie sind hinter mir her." Mutig war Renesme auf jeden Fall. Mittlerweile stand ich wieder. Olimba kauerte immernoch auf dem Boden, doch aus ihren Gedanken entnahm ich, dass sie mich nicht registriert hatte. Zur Sicherheit legte ich einen Schild um mich, der mich vor ihren Augen und Ohren tarnte. „Auch hier liegst du leider daneben", erklärte die fremde Person. „Du warst lediglich der Köder. Deine Familie hat schon viel zu lange in Einheit gelebt. Viel zu lange haben sie sich aufeinander verlassen können. Es wird höchste Zeit, dies zu ändern." Renesme saß gefesselt auf einem Holzstuhl. Rechts und links von ihr entdeckte ich zwei Vampire. Das mussten ihre Entführersein. Was hatte mein Gegenüber vor? Wie konnte erreicht werden, was sie plante? Mitthilfe des Imperiusfluch? Hypnose? Ein Trick mit der Macht? Moment. Siehatte Bella dazu gebracht, auf Carlisle loszugehen. Das verschaffte mir einen Anhaltspunkt. Sie war hinter mir her. „Diskutiere das doch mal mit mir", bot ich an und ließ meinen Schild fallen. Die Frau fuhr herum und ich blickte in zwei rote Augen. Augen, die zu einem Vampir gehörten, der sich von Menschenblut ernährte. „Vanessa", hauchte sie. „Du hast die Blockade eher lösen können, als ich angenommen hatte. Mach mir ein Angebot. Dann lasse ich diese süße Renesme vielleicht in Ruhe." „Du willst mich. Es ging dir nie um die Cullens, sondern lediglich um mich. Zuerst hast du Bella auf Carlisle losgeschickt, damit sie ihn tötet, aber mein Schild hat dies verhindert. Sag mir, was ich tun muss, damit du sie gehen lässt", forderte ich sie auf. „Vortrefflich, meine Teure.Wahrlich gut gemacht. Du hast mir meinen Partner genommen, also würde ich es begrüßen, wenn ich dir deinen nehmen könnte. Das wird jedoch nicht funktionieren aufgrund deines Schilds. Ergo würde ich es begrüßen, wenn ich dich Carlisle nehmen könnte. Wie stelle ich das nur an?" „Tu das nicht, Vanessa!", rief Renesme aus. Die Vampirin hob die Hand und schon verstummte Renesme. „Dreh die Zeit zurück. Sie ist der einzige Feind, vor dem ich nicht geschützt bin", erklärte ich. „Bring Esme und Carlisle wieder zusammen." Ein Kloß bildete sich in meiner Kehle bei diesen Worten. „Klug!", kommentierte die brünette Vampirfrau. „Es wundert mich ehrlich gesagt, dass du so leicht deinen Platz neben deinem Mann aufgibst. Ihr gehört zusammen. Der Plot stimmt nicht mehr, wenn ihr nicht zusammen seid. Damit hilfst du der OFZ. Warum?" „Einer Agentin der gegnerischen Organisation muss ich nicht antworten", entgegnete ich mit ruhiger Stimme. „Unterschätzen sollte ich dich auch nicht, Vanessa", lächelte die Agentin. „Schön. Es wird einwenig dauern, bis es so weit ist. Verbring die paar Minuten mit deinem geliebten Carlisle. Immerhin werden es die letzten sein." Daraufhin nickte ichund drehte mich um. Wie würden sie das anstellen? Mithilfe der Sprache? Nein, dazu war sie nicht mächtig genug. „Renesme Cullen, beweg dich frei", raunte ich. Diese sprang auf. „Lasst sie", sprach die gegnerische Agentin, da ihre Handlanger sich gerührt hatten. „Bald wird sie nicht mehr existieren und dies für recht lange Zeit." Ich trat aus dem Raum und setzte mich neben Carlisle auf den Boden. Er streckte seine Hand nach der meinen aus. „Carlisle Cullen, sei frei von jeglicher Blockade, die dich am Boden gefangen hält", wisperte ich. In der nächsten Sekunde hatte er neben mir Platz genommen. Olimba rappelte sich auf und lief an uns vorbei. „Vanessa, gibst du auf?", flüsterte Carlisle. „Bitte, sag mir, dass du einen Plan hast wie du das verhindern kannst." „Hab ich, Carlisle. Dazu muss ich jedoch den Namen der Agentin erfahren", erwiderte ich in der gleichen Lautstärke. „Das kann ich schaffen, indem ich tiefer in ihre Gedanken eindringe." Er legte einen Arm um mich. „Gut, ich vertraue dir." „Das weiß ich", lächelte ich und blickte zur Tür hinüber. Im Anschluss konzentrierte ich mich auf die Stimme der mir noch unbekannten Agentin. Sie wurde lauter in meinem Kopf. Übertönte die anderen, bis nur noch sie zu vernehmen war. Ihr Inhalt veränderte sich nun. Wurde vielfältiger. Erstreckte sich über Vergangenes. Da. Ihr Name. Perfekt. Hastig tauchte ich aus dem Stimmenozean wieder auf. Plötzlich erzitterte der Boden. Verdammt. „Olimba, Lindira, Rudolf,Samuel, brennt!", rief ich so laut ich konnte in der Sprache der Bibliothekare. Vier Schreie drangen an meine Ohren. Pfeilschnell sprang ich auf die Füße und rannte zurück in den Raum. Die beiden Agentinnen der OFZ wälzten sich am Boden hin und her. Die Vampire waren auf die Knie gesunken. Erneut ein Erdbeben. Hastig suchte ich den Boden nach irgendwelchen Instrumenten ab, mit denen sie dieZeitreise aktiviert hatten. Meine Augen verharrten bei einer Schriftrolle, die aufgerollt auf dem Boden lag. Im nächsten Moment hatte ich sie aufgehoben und überflog nun hastig die Zeilen. Die Zeichen konnte ich nicht lesen. „Wie ist das zu stoppen?", erkundigte ich mich bei Olimba und Lindira. Keine Antwort. Hätte mir nicht etwas anderes einfallen können, außer sie in Brand zu setzen? „Komm schon, denk nach", spornte ich mich an. „Was ist das, was du in der Handhältst?" Mein Gehirn spulte fieberhaft alle Filme, Bücher und Serien ab. Wieder erbebte der Boden. Am Rande meines Sehfelds tauchte ein schwarzes Loch auf. Als ich den Kopf drehte, stellte ich mit Schrecken fest, dass es seine Umgebung in sich hinein sog. Mist, Mist, Mist. Aus einem Impuls heraus rollte ich dieSchriftrolle wieder zusammen. Nichts geschah. „Feuer, hör auf zu brennen!", befahl ich. Olimba und Lindira husteten. Keuchend und nach Luft schnappend setzten sie sich langsam auf. „Kann ich das verhindern?", forschte ich nach. Ein Knurren begleitete  meine Worte. Olimba schenkte mir ein hämisches Grinsenund schon erhielt ich meine Antwort. Das konnte nicht der einzige Weg sein. Lindira stand auf und griff mich, ohne zu zögern an. Automatisch verfiel ich in meine Verteidigungsmuster, die ich mir antrainiert hatte. Carlisle eilte an meine Seite, doch darauf hatte Olimba nur gewartet. Mit einer Bewegung zog sie einen Zauberstab heraus und richtete ihn auf den blonden Vampir. Dieser konnte sich nicht mehrrühren. Mist. Eine Idee drang in meinen Geist. Langsam bewegte ich mich Richtung Tür. Das Loch hatte fast die Hälfte des Gangs in sich aufgenommen. Lindira folgte mir, ebenso Olimba. „Welcher Spruch wäre angemessen für dich?", keifte Olimba. Rasch erhöhte ich mein Tempo etwas. „Soll ich dir auch deine Bewegungsfreiheit rauben?" Lindira machte einen Zug, dem ich auswich, indem ich einen Sprung in die Nähe des Lochs hinlegte. Die Agentinnen folgten mir. Bitte, bitte. Meine Idee musste funktionieren. Wenn es schiefging ... An die Konsequenzen wollte ich noch nicht denken. Der Boden vor meinen Füßen flog in Bruchteilen auf das schwarze Loch zu. Olimbas Gedanken verrieten mir, dass sie sich für den Zauberspruch entschieden hatte. Mir blieb nur dieser eine Versuch. Rasch baute ich meinen Schutzschild um mich auf und drehte mich so, dass er auf das Loch zeigte. Lindira prallte an ihm ab. Mit einem Schrei wurde sie von dem schwarzen Loch eingesogen. Olimba wich im letzten Moment zurück. Mist. Einer von uns beiden musste gehen. Vorher würde es sich nicht schließen. Moment. Was, wenn es uns beide schluckte? Der Vorgang wäre dann auf jeden Fall gestoppt. Wo ich dann allerdings landen würde, war die zweite Frage. Dieses Risiko musste icheingehen. Also senkte ich meinen Schild und packte Olimba am Handgelenk. „Was hast du ... ah!" Olimbas Frage ging in einem Schrei unter, als ich mich vom Boden abstieß und wir geradewegs auf das Loch zutrieben. „Vanessa, nein!", meinte ich noch zu hören, ehe mich die Dunkelheit verschluckte.

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