28. Kapitel

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„Schach!", rief Edward triumphierend aus. „Sicher?", neckte ich ihn und schmiss mit dem Bauern seinen Läufer. „Sieht so aus, als würdest du diese Partie verlieren", bemerkte Emmet, der am Fenster lehnte und unsere Partie beobachtete. Edward grinste daraufhin nur. Er versteht nicht so viel vom Spiel der Könige. Auf diesen Gedanken huschten meine Mundwinkel nach oben. „Noch hast du nicht gewonnen", dachte ich. Edward bewegte nun seine Dame ins Zentrum, was mir die Möglichkeit verschaffte an meiner Verteidigung zu arbeiten. Gerade, als ich meinen Turm in die Hand nahm, klingelte es. „Ich geh schon", verkündete Jasper, der auf dem Sofa gesessen hatte. Er verließ den Raum und ich hörte, wie er die Tür öffnete. „Jacob, was ist los?", sprach er. Edward sprang pfeilschnell auf. „Wo hast du sie zum letzten Mal gesehen?", wollte er von dem Werwolf wissen. „Edward, beruhige dich", bat ich ihn. „Jetzt, da sie nicht mehr bei Jacob ist, kann ich sie suchen." „Wieso, was ist los?", erkundigte Emmet sich. „Renesme wurde entführt", teilte ich ihm mit. „Von anderen Vampiren." „Was? Warum solle jemand das tun?" Daraufhin zuckte ich nur mit den Achseln. Nachdem ich tief Luft geholt hatte, konzentrierte ich mich auf Edwards und Bellas Tochter. In der nächsten Sekunde sah ich nur Schwarz. Etwas drückte gegen meinen Schädel. Meine Lungen brannten. Gedämpfte Stimmen drangen an mein Ohr. Sie unterhielten sich in einer Sprache, bei der es nicht um Englisch handelte. Es war Deutsch. „Wir können es nicht mit der ganzen Familie aufnehmen", sprach eine Stimme. Tief. Kratzig. „Sei nicht so pessimistisch. Du vergisst, dass unsere Leute noch an anderen Orten stationiert sind", hauchte eine andere. Höher. Voller. Nun erblickte ich Edward, der Renesme im Arm hielt. Mit einem Seufzer trat ich aus der Vision. „Wohin haben sie meine Tochter gebracht?", forschte Edward nach. „In irgendein Auto und sie bringen sie an irgendeinen Ort. Die Leute haben sich auf Deutsch unterhalten. Renesmes Entführung war geplant und sie ...!" Ein Ruck ging durch meinen Körper. „Vanessa?" Jasper legte eine Hand auf meine Schulter, doch ich schüttelte sie ab. „Carlisle, irgendjemand hat versucht ihn anzugreifen", erklärte ich und rannte aus dem Haus. „Kontaktiert Alice, sie soll Renesme beobachten. Gebt Bella Bescheid. Wir können das nur zusammen schaffen", rief ich über die Schulter. Keine Antwort, doch ich wusste, dass sie mich gehört hatten. In der Garage stieg ich in Edwards Wagen und raste auf dem schnellsten Weg zum Krankenhaus. Hatte die OFZ ihre Hände im Spiel? Wer sonst sollte uns etwas Böses wollen? Hatten wir die Aufmerksamkeit irgendwelcher Vampirjäger auf uns gelenkt? Gab es solche Menschen denn überhaupt noch? Die Fahrt dauerte eine gefühlte Ewigkeit, obwohl ich in Wirklichkeit nur zehn Minuten brauchte. Auf dem Parkplatz herrschte Stille, als ich ausstieg. Erneut spürte ich den Ruck durch meinen Körper. Was war nur los? Wieso verließ sich Carlisle auf den Schild, anstatt selbst zu kämpfen? Hatte er es mit Werwölfen zu tun oder anderen Vampiren? Warum sollte ein Clan unseren angreifen? Das ergab doch keinen Sinn. Die Tür des Krankenhauses war verschlossen. Rasch schaute ich mich nach eventuellen Zuhörern um. Niemand da und in meinem Kopf hörte ich keine lauten Stimmen. Also legte ich eine Hand auf die Tür. „Diese Tür ist offen", wisperte ich in der Sprache der Bibliothekare. Die Tür schwang auf und ich schritt über die Schwelle. Sofort trat Carlisles Stimme in meinen Kopf. Sie wurde lauter. Rasch folgte ich ihrer Lautstärke. „Lass es sein. Bitte, ich möchte dich nicht verletzen", rief da Carlisles Stimme. Mit wem redete er? Abgesehen von ihm, hörte ich keine Gedanken. Fuck! Ich bog um die Ecke und blieb ruckartig stehen. Carlisle hatte angehalten und sich Bella zugewandt. Mist, Mist, Mist. Was sollte ich denn jetzt tun? „Du bist einfach nur zu feige!", zischte Bella. Ihre Stimme. Sie klang so anders. „Hast Angst vor dem, was getan werden muss. Mich wundert es ehrlich gesagt, dass Vanessa es so lange in deiner Nähe ausgehalten hat. Zumindest verstehe ich jetzt, weshalb Esme dich verlassen hat. Augustus ist da wesentlich pragmatischer." Im Geiste ging ich alle Möglichkeiten durch, die diese Situation erklären würden. Hypnose. Imperiusfluch. Ein Trick mit der Macht. „So sicher wäre ich mir da nicht, Bella", meinte ich und stellte mich neben Carlisle. Edwards Frau hob eine Augenbraue. „Vanessa! Natürlich. Sobald dich dein Angebeteter ruft, bist du zur Stelle. Wie vorhersehbar." Carlisle griff nach meiner Hand und ich nahm sie. „Bella, das bist nicht du", gab ich ihr zu verstehen. „Hör mir zu, bitte. Deine Tochter wurde entführt. Von anderen Vampiren." Auf meine Worte hin, rührte Bella sich erst einmal nicht. „Meine Tochter?", wiederholte sie leise. „Renesme. Ah, jetzt macht das Sinn. Verstehe. Ziemlich raffiniert, Carlisle." Damit machte sie einen Schritt auf meinen Mann zu, prallte jedoch an dessen Schutzschild ab. „Bella, bitte. Das ergibt überhaupt keinen Sinn, was dir durch den Kopf geht. Du weißt, dass ich recht habe. Sieh mich an, bitte." „Was sollte das bringen, Vanessa? Willst du dann eine deiner Fähigkeiten bei mir anwenden, damit ich deinem Liebhaber nichts mehr antun kann?!", zischte sie. „Nein, Bella. Du sollst frei werden und das ist es, was ich versuche", klärte ich sie auf. „Ha! Natürlich. Auf den Arm nehmen, kann ich mich selber, Vanessa." Wie waren denn nochmal die daloranischen Worte dafür, jemanden aus einer Hypnose zu holen? Jetzt bräuchte ich meine Tante. Mit der Sprache der Bibliothekare würde es nicht funktionieren. Oder doch? „Mehr als schiefgehen, kann es ja nicht", sagte ich mir. „Isabella Cullen, du bist Edwards Frau, Renesmes Mutter und du bist absolut frei von jeglichen fremden Einflüssen!", befahl ich in der Sprache. Etwas warf mich zu Boden. Carlisle zog mich langsam wieder auf die Beine, doch als ich ihn losließ, drohten meine Beine wieder einzuknicken. Kopfschüttelnd lehnte ich mich an ihn, um den Halt nicht zu verlieren. Immerhin hatte es funktioniert. „Was ist passiert?", raunte Bella und trat langsam zu uns hinüber. Dieses Mal wurde sie nicht von dem Schutzschild aufgehalten. Diese Fähigkeit konnte irgendwie selbstständig denken. Gruselig. „Woran erinnerst du dich?", hakte Carlisle sanft nach, während er mir durch mein Haar fuhr. „An alles. Nur verstehe ich nicht, warum ich das getan habe", murmelte Bella. „War in deinem Kopf eine Stimme, die dir Befehle erteilt hat?", nuschelte ich. Himmel! Wie mächtig musste die Hypnose gewesen sein, die auf ihr gelegen hatte? Bella nickte. Dann sollte dies der Imperiusfluch gewesen sein. Trieben sich dann Todesser hier rum, oder hatten Agenten der OFZ ihre Hand im Spiel? Zu viele Fragen. Da klingelte Carlisles Handy. Bella nahm es und ging ran. „Edward, ich bin es. Ja, mir geht es gut. Vanessa hat sich um mich gekümmert. Was? Gut, wir brechen sofort auf." Damit legte sie auf und gab Carlisle sein Smartphone zurück. „Was jetzt?", wollte er wissen. „Renesme wurde von ihren Entführern zu einem Flughafen gebracht. Sie wollen mit ihr nach Deutschland fliegen. Sie kann aber nicht fliehen, da ihre Sinne nicht richtig arbeiten", eröffnete Bella. „Treffen wir uns mit den anderen also am Flughafen?", erkundigte Carlisle sich. „Edward hat vorgeschlagen, dass wir erst nach Hause fahren sollen. Alice und Jasper sind bereits unterwegs zum nächsten Flughafen", richtete seine Schwiegertochter ihm aus. Carlisle nickte. „Vanessa, kannst du laufen?", forschte er sanft nach. „Geh mit Bella, ich halte euch nur auf", raunte ich. Geistig war ich komplett ausgelaugt. „Ich lasse dich nicht zurück", erklärte Carlisle und drückte einen Kuss auf meinen Scheitel. „Außerdem wirst du Blut brauchen, um wieder zu Kräften zu kommen. So kannst du doch nicht jagen." „Carlisle, ich bin durchaus in der Lage mir hier Blut der Spenden zu besorgen", stellte ich klar. Meine Stimme hörte sich immer noch müde an. Hoffentlich musste ich das nie wieder tun. Jedoch würde ich es, ohne zu zögern erneut tun, um jemanden zu helfen, den ich liebte. Die Zeit lief davon. „Bella, fahr voraus. Wir kommen nach", sprach Carlisle schließlich. Sie nickte. „Beeilt euch", bat sie uns, ehe sie sich umdrehte und Richtung Ausgang lief. „Das begreife ich einfach nicht", wisperte ich, während ich Carlisle folgte. „Wieso kann ich aus eigener Kraft nicht mehr laufen? Mein Körper sollte dennoch dazu in der Lage sein, obwohl ich geistig gewaltige Arbeit geleistet habe." Er strich kurz über meinen Handrücken. „Leider kann ich dir nicht helfen, Vanessa. Du bist eine Besonderheit und Ausnahme unter den Vampiren. Ebenso wie Augustus unter den Menschen. Wir besorgen dir Blut und dann wird es dir besser gehen. Versprochen." „Hm", machte ich. Wir gelangten zu einer dunkelgrauen Tür. Carlisle fischte einen Schlüssel aus seiner Jackentasche und steckte ihn ins Schloss. Meine Nackenhaare stellten sich plötzlich auf. „Warte", raunte ich. Er hielt inne und schenkte mir einen besorgten Blick. „Was hörst du?", wisperte er. „Nichts, aber irgendetwas stimmt hier nicht", murmelte ich. Herrjeh! Was war nur mit mir los? Mein Körper reagierte nicht so wie es für Vampire üblich war. „Sollen wir gehen? In der Küche sollte noch etwas der Blutgruppe Null Rhesus Positiv sein", schlug Carlisle vor. „Dann wird Vanessa sterben", verkündete eine bekannte Stimme. Meine Tante tauchte vor uns auf. „Leonie", begrüßte Carlisle sie. „Was meinst du damit?" „Vanessa hat sich mithilfe der Sprache wieder in einen Vampir verwandelt. Die Wirkung klingt allmählich ab", erklärte sie. „Damit habe ich doch nur das richtiggestellt, was Liam verändert hat", hauchte ich. Diese elende Müdigkeit. „Nicht ganz, Vanessa. Du bist als Mensch in diese Diegese gelangt und die Sprache sieht es somit als „natürlich" an, dich wieder dazu zu machen", ließ uns meine Tante wissen. „Wieso bin ich dann tot, wenn wir das Krankenhaus verlassen?", erkundigte ich mich und spürte wie meine Lider schwerer wurden. Das waren eindeutig menschliche Züge. „Aus dem einfachen Grund, dass dein Körper nicht so lange durchhalten wird. Dadurch, dass die Wirkung der Sprache abklingt, die du damals benutzt hast, wird dein Körper wieder zu einem menschlichen Organismus werden und die Kraft, die du von ihm abverlangt hast, als du Bella zu sich zurückgeholt hast, geht über sämtliche Reserven hinaus, die er noch zur Verfügung hat." „Wie kann ich sie retten?", forschte Carlisle sofort nach. Leonie holte tief Luft. „Kann Vampirgift helfen?", hakte ich nach. „Ja, das kann es. Du musst auf den richtigen Moment warten, Carlisle. Wenn du sie zu früh beißt, wird es sie eher töten." „Uns läuft die Zeit ab. Unsere Familie braucht uns", stellte ich klar. Meine Tante schwieg einen Augenblick. „Es macht mir nicht aus", kommentierte ich auf ihren Gedanken. „Gut, aber es wird schmerzen, Vanessa", warnte sie mich. „Setz dich bitte, Vanessa. Carlisle, ich werde den Prozess beschleunigen, der sie zu einem Menschen macht. Halte dich also jederzeit bereit." Mein Mann nickte. Langsam ließ ich mich an der Wand zu Boden gleiten. Carlisle nahm neben mir Platz und ich legte meinen Kopf auf seine Beine. Er strich mit einer Hand sanft durch mein Haar. „Ich liebe dich", flüsterte er. „Ich liebe dich auch", nuschelte ich. Warme Hände berührten meine. „Die Frau, die ich berühre, ist ein Mensch!", befahl meine Tante in der Sprache der Bibliothekare. Im ersten Moment geschah gar nichts. Dann entzündete jemand ein derart heißes Feuer in meinem Innern, dass ich aufschrie vor lauter Schmerz. Die Flammen züngelten auf mein Herz zu. Meine Beine streckten sich aus. Carlisles Hand verlor an Wärme. Sie wurde immer kälter. Kälter und kälter. Ein Druck legte sich auf meine Kehle und ich öffnete den Mund. Der Atemzug schmerzte meine wunde Kehle. Rasselnd holte ich Luft. Die Stimmen in meinem Kopf verpufften. Mein Sehfeld schrumpfte zusammen. „Jetzt", hörte ich meine Tante. Eine Sekunde später nahm ich einen weiteren Schmerz an meinem Hals wahr. Dann umgab mich Finsternis.


Bleib bei mir - Twilight FF (Beendet)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt