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Herr Bergmann schloss den Zettel und brauchte einige Sekunden, bevor er sich ein klein wenig beruhigt hatte. Es passierte viel zu oft, dass er einen guten Freund verlor und diesmal hatte es den unschuldigen Sturmwaffel getroffen.
Nur ein einziges mal waren sie sich in dieser Welt begegnet und bis jetzt hatte Bergi fest damit gerechnet, dass es ein zweites mal geben würde. Er hatte sich geirrt.
Der Spielemeister war Schuld daran, dass Freddie gestorben war! Hatte ihn kaltblütig ermordet…grundlos.
Tim fühlte eine Mischung aus tiefer Trauer, Wut und loderndem Hass und knüllte den Zettel in seiner Hand zusammen. Was sollte er jetzt tun? Schon lange hatte er nicht mehr so sehr nach Rache gesinnt, wie in diesem Moment! Es fühlte sich fast an wie…Mordlust.
Er wünschte sich aus tiefstem Herzen, dass Saphirian, der sich hinter der Maske des Spielemeisters verbarg, starb! Und nicht nur das, er wollte ihn selbst umbringen, ihn für seine Taten mit seinem eigen Blut bezahlen lassen und ihm in die Augen blicken, wenn er ihm die Lichter ausblies!

Veni hingegen beobachtete, wie der Zettel in Bergmanns Faust immer kleiner wurde und sich Bergis Gesichtsausdruck zu einer wütenden Maske verzerrte, während der Blick in seinen Augen eher in Trauer versunken schien. Nahm ihn Sturmwaffels Tod so mit? Ihm war bewusst, dass er und Bergi gute Freunde waren, obwohl sie sich in dieser Welt nur einmal begegnet waren, aber dass es ihn so erschütterte, von Sturmwaffels Tod zu lesen?
Das konnte Rafael nur bedingt nachvollziehen. Natürlich wäre auch er irgendwo sauer gewesen, wenn jemand Basti oder Henke oder jemand anderen aus seinem Freundeskreis tötete und - er wusste eigentlich gar nicht, weshalb dem so war - wahrscheinlich auch, wenn Bergi durch Fremdverschulden zu Schaden kam. Auch er würde Rache wollen, das verstand er durchaus, aber für Tim war das so untypisch, dass es ihm surreal erschien.
"Denkst du, Izzi hat das überlebt? Vielleicht ist der ja auch schon tot und du kriegst noch so nen netten Brief?", fragte er nun ganz neutral. Ihn selbst interessierte mehr der Mörder und die Zusammenhänge mit dem Spielemeister, als das Mordopfer.

Langsam drehte Bergmann den Kopf so, dass er Veni ansehen konnte. Machte er sich gerade über den Tod von Sturmwaffel lustig!? Was sollte diese mehr als dämliche Frage? Drehte Rafael jetzt komplett am Rad oder war es dem einfach vollkommen egal, was mit den Menschen in seinem Umfeld geschah?!
In der nächsten Sekunde schlug Bergmann mit der bloßen Hand gegen massives Holz. Veni hatte den Schlag knapp vor seinem Gesicht mit dem Schild stoppen können und erhob die freie Hand nun beschwichtigend.

Dass er Bergis Faust nicht frontal ins Gesicht bekommen hatte, war allein seiner guten Reaktionsgeschwindigkeit zu verdanken. Dennoch war er verblüfft über den nicht wirklich gefährlichen, aber dafür ziemlich aussagekräftigen Angriff, den er von Tim nicht erwartet hätte. Wurde es zur Gewohnheit, dass dieser aus welchen Gründen auch immer nach Veni ausholte? Was genau sollte das überhaupt?! Was war denn jetzt schon wieder in Bergmann gefahren, das rechfertigte, Rafael eine mitgeben zu wollen?
"Was ist denn jetzt wieder los?", wollte er - von Bergmanns Ausbrüchen auch leicht genervt - nun von eben diesem wissen. Bergi legte sich besser eine gute Erklärung bereit, denn er ließ sich ja auch nicht einfach mal so eine überziehen! Sonderrechte hin oder her, so weit ging die Freundschaft dann doch nicht!

"Netten Brief!? Das hier ist eine Todesanzeige einer meiner Freunde, der von einem durchggeknallten Irren kaltblütig ermordet wurde! Und du machst dir noch einen Spaß draus, ob vielleicht auch noch der arme Izzi unter dem Spielemeister leiden musste!", erwiderte Bergmann und schüttelte innerlich den Kopf. Er mochte Veni, aber manchmal fehlte dem echt ein bisschen Mitgefühl!

Veni grinste mehr amüsiert als irgendwie bestürzt über Herrn Bergmanns Sorgen und schüttelte gedanklich den Kopf. Tim neigte einfach zu haltlosen Übertreibungen und er selbst empfand dieses Spielemeister-Ding eher als miese Version eines Gruselfilms, der nicht einmal bei kleinen Kindern Angst und Schrecken auslöste. Er fand, dass Bergmann das Ganze etwas zu ernst nahm. Sie wussten ja nichtmal, ob Sturmwaffel wirklich tot war oder ob das einfach nur ein dummer Scherz irgendeines Bewohners dieser Welt war, der wusste, welche Wirkung es auf Bergmann hatte.
"Du machst da ein Drama draus, obwohl du Sturmwaffels Leiche nicht gesehen hast. Vielleicht verarscht dich einfach irgendwer, Unge könnte das machen. Was ist denn der Spielemeister?"

Bergmann schnaubte leise. Natürlich war Sturmwaffels Schicksal besiegelt! Er war tot! Unwiderruflich! Der Spielemeister scherzte mit so etwas nicht, sondern nutzte die Hilflosigkeit seiner Freunde für seine perfiden Pläne. Er war sich sicher, dass weitere Aktionen folgen würden und er befürchtete, dass weitere leiden mussten, nur um Teil des Spiels zu werden, das Bergi am liebsten jetzt beenden würde.
"Saphirian ist der Spielemeister! Er ist kaltblütig, kalkulierend und gefährlich und er hat Sturmwaffel getötet! Er hat dieses 'Spiel', wie er es nennt, schonmal mit mir gespielt und auch dabei sind einige ums Leben gekommen. Deshalb und weil ich ihm auch in dieser Welt bereits begegnet bin, bin ich so sicher, dass Freddie da sZeitliche segnete", erklärte er bemüht ruhig und zwang sich dazu, seine Haltung etwas zu entspannen.

Veni hingegen war ein wenig verwirrt. "Am Anfang? Wann hast du den denn getroffen?"
"Als du mich erschreckt hast und ich eir mit dem Schwert eine mitgegeben habe", murmelte Herr Bergmann, dem das Ganze noch immer peinlich war. Veni zu schlagen, war mit Abstand das Dümmste, was er in dieser Welt bisher getan hatte, aber darum ging es jetzt nicht! Es ging um den Spielemeister, der auch hier sein Unwesen trieb. Um Unge, der Bergmann unbedingt tot sehen wollte und um Rewi, der unbedingt sen Königstitel in seine Finger zu bekommen gedachte. Das alles musste er irgendwie regeln und dabei seine Freunde beschützen, so gut er konnte.
Einmal hatte er auch hier kläglich versagt, Freddie dabei an Saphirian verloren.

"Bergi? Bergi!"
"Izzi?", Tim war gar nicht aufgefallen, dass sie nicht mehr allein waren und tiefe Erleichterung durchfuhr ihn. Izzi lebte! Und er war sicher in der Stadt angekommen und somit zumindest außer Reichweite Saphirians!
Der musste zwar hier irgendwo rumlaufen, in die Stadt aber sollte er sich nicht trauen. Auch Rewi würde ihn als Spielemeister durchaus erkennen und sofort gegen ihn vorgehen, so hoffte Tim jedenfalls.

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