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Wie wurde man sie unauffällig los, sodass ihm niemand den Mord an Ive anhängen konnte?
Er seufzte leise, nickte leicht, um so zu tun, als habe er ihr zugehört, obwohl seine Gedanken mehr darum kreisten, wie er dieser merkwürdigen Situation entfliehen könnte. Ive redete unaufhörlich und er glaubte zumindest, dass sie ihn noch immer davon überzeugen wollte, in die Stadt zurückzukehren und irgendwen zu warnen. Allerdings hatte er schon vergessen, wen sie warnen wollte und die Chance, dass er sich doch noch überreden ließ, lag weit unter dem Nullpunkt.
Irgendwie wollte er ja durchaus gegen Brian oder Space oder Fynix kämpfen, aber gegen alle gleichzeitig wäre mehr als größenwahnsinnig und absolut dämlich. Zu erwarten er würde dort lebend rauskommen, wäre Spott gegenüber deren Fähigkeiten und für so unfähig hielt Mini seine Gegner nicht.

Inzwischen war es tiefste Nacht, Ive begriff langsam, dass dieser Minimi, wie er sich vorstellte, in dieser Welt viel besser als sie selbst zurechtkam und ganz automatisch nutzte sie das, um allen Monstern zu entgehen. Wenn sie es klug anstellte und ihren Laufweg immer dorthin legte, wo er auch langsprang, war sie weitgehend in Sicherheit.

"Ja, okay! Dann gehen wir eben zurück!" Er hielt den Schwertgriff fest umgriffen und spürte das Verlangen, sie einfach davonzujagen oder umzubringen, wenn sie nicht verschwand, aber er hielt sich zurück.
Ive ging ihm einfach auf die Nerven, obwihl sie es sicher nicht böse meinte. Deshalb hatte er entschieden, seine vorigen Prinzipien über den Haufen zu werfen und sie eben bis zur Stadt zu begleiten, aber in irgendwelche aussichtslosen Kämpfe hineinspringen würde er ganz sicher nicht. Allerings sah er seine einzige Möglichkeit Ive loszuwerden, ohne sie umzubringen - er wusste selbst nicht ganz, wieso er sie nicht einfach killte, schob es aber darauf, dass ihr Rumgeschreie seine Feinde auf ihn aufmerksam machen würde - und deshalb stimmte er zu. Sicher schon einen ganzen Tag hörte er sich das Gemecker an, einen ganzen Tag lang schon redete Ive fast ununterbrochen auf ihn ein und er fragte sich wirklich, ob ihr nicht bald die Zunge rausfiel.

"Wirklich?"
"Ja, wirklich. Los jetzt", erwiderte er lustlos. "Und brüll nicht so rum."

Hinter dem Metall ihres Helms grinste Ive siegreich, denn ihr war durchaus aufgefallen, dass Minimichecker genervt von ihr war. Deshalb schwieg sie von dem Punkt, lief ihm stumm und so schnell sie konnte hinterher zurück zur Stadt, was sie sich allein nicht getraut hätte.

Kati sah entnervt auf ViceVice, der als ihr Bewacher abgestellt worden und offenbar selbst nicht eben glücklich darüber war. Er sprach jedenfalls nicht viel mit ihr, seine Antworten fielen immer kurz aus.
"Kannst du mich nicht einfach gehen lassen?"
"Nein."
"Warum nicht."
"Wieso sollte ich?"
"Weil ich dich nerve?", sie setzte sich auf den Boden, aß in aller Ruhe das Brot, was man ihr gegeben hatte.
"Du bleibst trotzdem hier."
"Und wenn nicht?"
"Jag ich dich."
"Und dann?"
"Töte ich dich."
"Dann habt ihr keine Geisel mehr."
"Und?"
"Felix wird sich nicht darüber freuen."
"Er weiß es nicht."
"Er wird es rausfinden. Er sucht mich bestimmt schon überall und wer weiß, wer ihm so alles hilft."
"Wenn er dich findet, ist es zu spät."
"Dann bin ich schon tot?"
Vuce zuckte mit den Schultern. "Vielleicht."
"Wenn nicht, dann wäre es ja nicht zu spät."
"Wenn Bergmann tot ist, ist es zu spät für Dner."

Sie richtete sich wieder auf, verschränkte die Arme vor der Brust. "Was hat Herr Bergmann damit zu tun, dass ich als Geisel herhalten muss? Warum fangt ihr dann nicht Kedos oder so? Bergi sucht mich bestimmt nicht!" Sie neigte ja eigentlich nicht zu Ausbrüchen, war immer ganz nett und mochte auch fast jeden, aber das hier war doch nicht deren Ernst, oder? Wenn sie Bergmann umbringen wollten, dann sollten sie lieber den suchen und sie in Ruhe lassen! Bisher war sie Herrn Bergmann ja nur ein einziges mal ganz kurz begegnet.

ViceVice seufzte, überlegte kurz, ob es sich lohnte, wenn er ihr erklärte, dass es nicht um sie ging, sondern darum, dafür zu sorgen, dass Dner die Füße ruhig hielt und sich nicht irgendwo einmischte. Da er die Konversation sowieso nicht weiterführen wollte, schwieg er einfach. Sollte sie denken, was sie wollte,  änderte so oder so nichts an der Situation.

"ViceVice?"
Vice horschte auf, denn er hatte Odinakas Stimme sofort erkannt. Die beiden hatten sich eine ganze Weile nicht mehr gesehen, denn aus ihm unbekannten Gründen war Odin eines Tages verschwunden und bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht wieder aufgetaucht. Sie alle hatten geglaubt, er wäre losgezogen, um Essen oder Wasser zu holen und dabei verungkückt oder vielleicht auf einer Höhlentour ums Leben gekommen.
"Ja, komm rein Claus."
Als dieser die Höhle betrat, sich dbaei durch eine Wand grub, wirkte er gesund und gut genährt. Was auch immer er also während seiner Abwesenheit getan hatte, keine ihrer furchtbaren Theorien traf zu.
Odin sah sich in der Höhle um, wobei er Vice einmal umrundete und dann ihm und Kati gegenüberstand.

Kati beobachtete jeden Schritt, den die beiden taten und sah Odin dann direkt in die Augen. Von ihn hatte sie nicht erwartet, dass er Teil einer solchen Vereinigung war.
Dann fiel ihr Blick auf die Stelle, an der sich Claus in die Höhle gegraben hatte. Den Eingang hatte er nicht wieder verschlossen, ob absichtlich oder aus Versehen konnte sie nicht sagen. Die Frage danach erübrigte sich allerdings, als Odin ihr unauffällig mit Handzeichen zu verstehen gab, dass sie zum Ausgang gehen und verschwinden sollte, während er weiter mit Vice redete und ihn ablenkte.

Das ließ sie sich nicht zweimal sagen und auch wenn es schade um die verzauberte Rüstung war, die ehemals ihre gewesen war und welche nun Vice trug, verschwendete sie keinen Gedanken mehr daran.
Stattdessen schlich sie sich möglichst leise nach draußen, wo die Sonne sich langsam ihrem Zenit näherte und sprintete los, sobald sie die Höhle verlassen hatte. Ein konkretes Ziel hatte sie nicht, denn in die Stadt zurückzukehren wäre dumm, wo man sie doch offenbar als Geisel brauchte und ihr Orientierungssinn war nicht besonders gut. Obwohl sie in der Gegend schon das ein oder andere mal unterwegs gewesen war, wusste sie weder, wo sich hier seen oder Flüsse befanden, noch ob es andere Gebäude gab. Außerdem reichte das Eisen in uhrer Tasche nur für eine halbe Rüstung.

Die Hauptsache war jedoch, dass sie es geschafft hatte, frei zu kommen!

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