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Die Taschentücher auf Jungkooks Schreibtisch blieben unberührt.
Den kompletten Akt hörte der Assistent sich mit rasendem Herzen an, während er kerzengerade auf seinem Schreibtischstuhl ausharrte.
Jedes, tiefe und leidenschaftliche Knurren oder Stöhnen seines Chefs, trieb ihm Tränen der Eifersucht in die Augen und verzweifelt verfluchte er seinen Körper, der so heftig reagierte.
Energisch presste er die Beine zusammen, atmete zittrig aus, als Mister Kims Stöhnen einen Moment stockte und er nur noch schweres Atmen hörte.
Während der Mann im Nachbarzimmer sich auf einem Höhenflug der Emotionen befand, schien Jungkook in ein Loch aus Selbstzweifeln zu fallen.
Er konnte nicht einmal erklären, weshalb es ihm so viel ausmachte, dass sein Chef ihn offensichtlich an der Nase herumführte und in Wahrheit vergeben war.
Jungkook hatte schon geahnt, dass er nur das Objekt Mister Kims oberflächlicher Begierde war. Dass dem CEO aber gar nichts am Charakter seines Assistenten zu liegen schien, schmerzte ihn sehr.
Hatte er doch irgendwo noch ein Fünkchen Hoffnung in sich getragen, er würde dem Vorgesetzten nicht nur rein körperlich näher kommen können.
Für dieses naive und törichte Denken, hasste Jungkook sich in diesem Moment zutiefst.
Während die Erregung in ihm, bodenloser Enttäuschung wich, fragte er sich, ob das sein Schicksal war. Nicht ernst genommen zu werden und ständig übersehen oder für egoistische Zwecke missbraucht zu werden. So wie es sein Vater, all die Jahre getan hatte und so wie es die Menschen in seinem Umfeld immer taten.

Entschlossen wischte Jungkook sich die Tränen aus den Augen.
Er hatte sich wirklich Mühe gegeben, um dem kühlen Geschäftsführer zu gefallen und plötzlich kam ihm seine ganze Aktion absolut dämlich vor.
Er hatte diesen Job angenommen, weil er Geld für die Behandlung seiner Schwester verdienen musste.
Das Geld, welches er eins als Straßenmusiker verdient hatte, reichte bei weitem nicht aus und seine Mutter hatte ihnen nach der schweren Krankheit nichts hinterlassen können.
Jungkook sah es als seine Aufgabe, für die lebensnotwendige Behandlung in Japan aufzukommen und da fiel ihm nichts anderes ein, als wegen seines egozentrischen Chefs Tränen zu vergießen?
„Nein!", drang es stark aus Jungkooks Kehle und entschlossen sprang er auf.
Er beschloss, sich dieses Theater nicht weiter an zu tun.
Hastig fuhr er seinen PC herunter, löschte das Licht und stürmte fluchtartig aus seinem Bürozimmer, während im Nebenzimmer wohl die zweite Runde begonnen hatte. Zumindest tönte Jimins Stöhnen erneut durch die dünnen Wände und brachte den Assistenten beinahe zur Weißglut.
Zielsicher ging er den Gang entlang und klopfe an den Rahmen von Ayumis Bürozimmertür.
Ohne auf eine Antwort zu warten, trat er ein und wich dem neugierigen Blick der Rothaarigen aus.
„Mir geht es nicht gut. Ich gehe nach Hause. Sagst du Mister Kim Bescheid? Ich möchte ihn ungerne stören."
Harsch und seltsam frustriert klangen die Worte aus seinem Mund und es lag auf der Hand, dass es ihm gesundheitlich an nichts fehlte.
Ayumi schien sofort zu verstehen, dass Krankheit nicht der Grund für Jungkooks Verabschiedung war, doch sie fragte nicht nach, sondern spielte mit.
„Ruh dich aus, Jungkook. Ich sage ihm Bescheid sobald Jimin gegangen ist.", versicherte sie ihm besorgt und Jungkook wollte schon gehen, ehe er sich noch einmal umdrehte.
„Danke, Ayumi. Hast was gut bei mir."
Energisch schloss er die Tür und steckte die kühlen Hände in die Hosentaschen.

Beinahe lautlos fuhr der Fahrstuhl ins Erdgeschoss und als Jungkook die marmorierte Empfangshalle verließ, erinnerte er sich daran, dass er weder einen Schlüssel, noch eine Jacke hatte.
Wütend raufte er sich die Haare und warf, einigem argwöhnischen Passanten, finstere Blicke zu.
Wütend auf sich selbst und die ganze Welt machte er sich auf den Weg durch das kühle Seoul, in Richtung seinem Zuhause und tippte beim Gehen eine Nachricht an seinen besten Freund Namjoon in sein Smartphone.
Jungkook konnte sich beim besten Willen keinen Schlüsseldienst leisten und der Wohnblock, in welchem er hauste wies keine sonderlich komplizierten Sicherheitsmaßnahmen auf.
So wartete er fröstelnd vor der Haustür des Gebäudes, während der eisige Wind um die Häuserecken pfiff.
Namjoon ließ nicht lange auf sich warten.
Das Knattern seines roten Motorrads, an welchem er nur zu gerne herum tüftelte, war schon aus weiter Entfernung zu hören und während er sich mit einem schiefen Schmunzeln den Helm ab setzte, überkam Jungkook die Erleichterung.
„Danke, dass du so schnell kommen konntest.", begrüßte er ihn und musste sich auf die Zehenspitzen stellen, um seinen besten Freund zu umarmen.
„Kein Problem.", antwortete dieser allerdings nur knapp und erwiderte die Umarmung eher unbeholfen als herzlich.
Namjoon hatte ein großes Herz, doch stets wirkte es so, als wüsste er nicht viel mit seinen Emotionen anzufangen. Körperliche Nähe oder ausgesprochene Wertschätzungen lagen ihm nicht besonders. Lieber beschäftigte er sich mit Motorrädern und allerleih Videospielen. Beschäftigungen, deren Reiz Jungkook noch nie viel abverlangen konnte.
„Du hast dich ausgesperrt?", fragte Namjoon und seine Stimme klang dabei mehr neugierig als tadelnd.
Jungkook nickte nur verlegen und sah ihm dabei zu, wie er bei anderen Wohnungen des Hauses klingelte, um sich Eintritt in das marode Gebäude zu verschaffen.
Triumphierend grinste er, als sich die Tür, verheißungsvoll surrend, öffnete und binnen Sekunden ließ Jungkook sich von der Strahlkraft des Grinsen anstecken.
Niemand hatte solch ein gewinnbringendes, charmantes Lächeln wie sein bester Freund und bei niemandem hatte er so ausgeprägte, niedliche Grübchen in den Wangen vorgefunden.
Nur zu oft hatte er die Finger nach den tiefen Grübchen ausgestreckt, um sie zu berühren und dann beleidigt die Mundwinkel verzogen, als Namjoon ihm unwirsch die Hand wegschlug.
„Ist ja super, dass du schwul bist und so...", hatte er damals gesagt und mit ernster Besorgnis in den Augen, den Kopf geschüttelt.
„Aber ich bin es nicht und es irritiert mich, dass du mich ständig anfassen willst."
Beide hatten sie damals viel zu viel getrunken gehabt und beide waren sie in schallendes Gelächter ausgebrochen, als Namjoon seinem besten Freund damit gedroht hatte, ihn zu verprügeln, wenn er sich in ihn verlieben würde.
Zum Glück hatte Jungkook sich nicht verliebt, auch wenn sein bester Freund durchaus attraktiv und hoch intelligent war.
Das verliebt sein, sollte jemandem ganz anderen vorbehalten bleiben.

BLACK POISON [TaeKook] Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt