Sterben war eine seltsame Angelegenheit.
Bereits unzählige Male hatte Taehyung sich den Kopf darüber zerbrochen, wie der Moment sein würde, an dem er das Zeitliche segnen musste. Nächte hatte er damit verbracht sich in Onlineforen über Nahtoderfahrungen zu informieren und Herr über seine Angst vor Kontrollverlust zu werden.
Still und dunkel hatte er sich den Tod vorgestellt. Wie eine unendliche Weite, gefüllt mit stillem Rauschen und dem Ende vieler Existenzen. Verglichen hatte er seine Vorstellung stets mit der Beschaffenheit eines Schwarzen Loches. Die faszinierenden, wenn auch beängstigenden Objekte so manch einer farbenfrohen Galaxie, zeichnen sich durch ihre extrem konzentrierte Masse aus. Die Singularität eines Schwarzen Loches erzeugt eine solch gewaltige Gravitation in ihrer Umgebung, dass nicht einmal Licht von dort entkommen kann. Den Ereignishorizont einmal überschritten, hören Raum und Zeit einfach auf zu existieren und allein das bestehen des Schwarzen Loches ist dann Beweis dafür, dass Raum und Zeit überhaupt, irgendwann stattgefunden haben. Ein sterbender Stern, der sich nach seiner Supernova in ein schwarzes Loch verwandelt, hat viel Ähnlichkeit mit dem Ableben eines Menschen. Zumindest dachte Taehyung das, doch die Realität sollte ihn eines Besseren belehren.Sterben war nicht leise, sondern ziemlich laut. Ein nervenaufreibendes Wirrwarr aus Stimmen, Geräuschen, Gerüchen und Schmerzen. Dunkel war es auch nicht und am liebsten hätte Taehyung sich übellaunig darüber beschwert, bis ihm auffiel, dass er sich nicht beschweren können sollte, wenn er wirklich tot war.
„Ja. Ja, er ist wach. In Ordnung. Er wird verständigt.“
Verwirrt runzelte Taehyung die Stirn und versuchte das schmerzhafte Pochen in seinen Schläfen zu unterdrücken, um klarer zu verstehen, was die weibliche Stimme ihm zu sagen versuchte.
„Alles klar, Mister Kim, das machen Sie großartig.“
Wütend atmete Taehyung aus. Was fiel der Person ein, mit ihm zu sprechen wie mit einem Kleinkind und überhaupt, was sollte das alles?
Das regelmäßige Piepen in seinen Ohren, welches ihn schon eine geraume Zeit zu verfolgen schien, wurde immer penetranter und tatsächlich besaß jemand die Dreistigkeit, ihm in die Augen zu leuchten.
„Beruhigen Sie sich, Mister. Überfordern Sie Ihr neues Herz nicht sofort. Es muss sich erst an Sie gewöhnen.“
Dass das regelmäßige Piepen von einem der empfindlichen Gerätschaften ausging, welches die Frequenz seines Herzens aufzeichnete, ergab erst Sinn als Taehyung verstand, dass seine Vorstellung vom Tod nicht eigetroffen war, weil er schlicht gar nicht erst gestorben war.
„Das kann nur ein schlechter Scherz sein. Sind Sie wirklich dermaßen inkompetent, dass Sie nicht mal die Wünsche Ihrer Patienten respektieren können?“
Viel zu leise und schwach kam Taehyung der Tadel über die Lippen, der sich in seinem Kopf deutlich energetischer und ernsthaft erzürnt angehört hatte.
„Wie bitte?“
Natürlich hatte ihn die Krankenschwester nicht verstanden.
„Sie haben den Falschen gerettet. Sie hätten Miss Jeon retten müssen und nicht mich.“
Deutlicher und mit mehr Nachdruck presste er die Worte aus seiner schmerzenden Lunge und versuchte sich ein Stück auf zu richten, doch die fehlende Kraft trieb ihn augenblicklich zurück ins Liegen, wie ein verwundetes Tier.
Verheddert zwischen unzähligen Schläuchen und Kabeln fühlte Taehyung sich wahrhaftig wie ein Schmetterling im Spinnennetz, mit dem gravierenden Unterschied, dass nicht der Tod, sondern das Leben auf ihn wartete. Ein Leben, das er freiwillig gegeben hätte um eine andere, deutlich reinere Seele zu retten.
Schmerzhaft schnell begann das fremde Herz in seiner Brust zu schlagen, als er sich schwindelnd nach einem einzigen Gesicht umsah. Doch Jungkook war ebenso wenig anwesend wie ein kompetenter Arzt, der Taehyung hätte erklären können, was vor sich ging.
Ob der stechende Schmerz in seiner Brust Resultat der Operation, oder der Sorge um seinen Freund war, erfuhr er nicht. Gequält presste er die Lippen zusammen während ihm erneut schwarz vor Augen wurde. So wie schon Tage zuvor, als er den freien Fall kaum realisiert hatte und die weiche Dunkelheit auf ihn gewartet hatte.
Mit einem Lächeln hatte er die Lichter der Stadt passiert, welche scheinbar grüßend an ihm vorbei gezogen waren, als er sprang.
Richtig wach wurde Taehyung erst wieder, als weitere, lange Tage ins Land gezogen waren. Das hektische Treiben um seine Person spielte sich außerhalb seines Bewusstseins ab, doch die Unruhe verfolgte ihn noch aus dem Koma hinaus.
Die sanften Sonnenstrahlen eines warmen Morgens stahlen sich durch weiße Gardienen und warfen Lichtbilder auf den Linoleum Boden. Tanzend ergossen sie sich über seine Bettdecke und zuckten über die Silhouette einer Person. Unter tausenden hätte Taehyung den schlafenden, jungen Mann im Schatten identifizieren können. Mit angewinkelten Beinen saß Jungkook auf einem der krankenhauseigenen Stühle und hatte, scheinbar fröstelnd die Arme um den eigenen Oberkörper geschlungen. Wie stark er abgenommen hatte, lies sich nicht verleugnen und auch die trockenen Blumensträuße auf Taeyhugs Nachttisch erzählten die Geschichte einiger langer Wochen des tiefen Schlafes.
Ganz kurz nur ließ er die Erleichterung zu, dass Jungkook lebte und nicht längst über alle Berge verschwunden war vor Wut, weil Taehyung es nicht geschafft hatte, seine Schwester zu retten. Doch der heftige Schlag einer zitternden Faust, mitten in sein Gesicht, ließ ihn daran zweifeln, dass Erleichterung angebracht war.
„Wie konntest du es wagen?“
Hatte Jungkook gerade noch geschlafen, stand er jetzt mit bebenden Fäusten vor Taehyungs Bett und musterte ihn aus tränenerfüllten Augen. So viel Schmerz, so viel Leid und Traurigkeit hatte Taehyung noch in keinen Augen zuvor erblicken können und augenblicklich stiegen auch in ihm seltene Tränen empor.
„Jungkook.“, setzte er an, doch weit kam er nicht.
Ein erneuter, schwächerer Schlag traf ihn am Kinn und keuchend senkte er den Blick.
„Wann, Taehyung? Wann wolltest du mir sagen, dass du dich von diesem scheiß Krankenhausdach werfen wolltest?“
So voller Leid war die Stimme, dass sie brach und er mehrmals neu ansetzen musste.
„Wann wolltest du mir sagen, dass du einen Herzfehler hattest und dein Leben mit mir gezählt war?“
Jungkook brüllte, als er einen Umschlag auf Taehyungs Decke schleuderte. Er beinhaltete das Logo des Vanity Entertainments.
„Ein lächerlicher Brief in dem du dich über deine Heldentat für meine Schwester rechtfertigst? Ehrlich?“
Hatte Taehyung zuvor noch beschämt das Gesicht mit beiden Handflächen verdeckt, damit niemand sah das er weinte, blickte er nun über den Rand seiner Finger hinweg.
„Wo ist Minsa?“
Lange und tief atmete Jungkook durch und als er erneut begann zu sprechen, klang er deutlich gefasster.
„Sie ist dort, wo sie schon sehr lange hin wollte. Dort, wo alles besser ist. Es war bereits zu spät, als du dich entschlossen hattest, einfach so aufzugeben. Die Ärzte hatten noch versucht sie zu retten, doch ihr Gehirn hatte längst aufgehört zu arbeiten. Doch ihr Herz… das funktionierte stark und kräftig, wie sie es einst gewesen war.“
Immer wieder wischte Jungkook sich die Tränen von den Wangen. Trotzig, stark und um so vieles Erwachsener, als Taehyung ihn zuletzt erlebt hatte.
„Und Ayumi hat auch von allem gewusst, ja? Welch ein glücklicher Zufall, dass sie im Bereich deiner Finanzen arbeitet. Dein Leben kannst du ihr verdanken. Ich glaube sie hat das ganze Krankenhaus gekauft, nur um dir dieses Herz zu ermöglichen. Minsas Herz. Während ich zu nichts zu gebrauchen war. Feige und unwissend und schwach.“
Eilig schüttelte Taehyung den Kopf. All die Informationen überforderten ihn. Prasselten auf ihn ein und beschleunigten den kräftigen Herzschlag in seiner Brust.
„Nein. Nein Jungkook. Du bist gewiss nicht schwach.“, hauchte er verzweifelt und konnte gerade noch die Arme um den zitternden, schmalen Körper schlingen, als Jungkook sich um seinen Hals warf.
Gebettet im gleißenden Licht des Morgens weinten sie bittersüße Tränen des Glücks und des Verlusts.
„Du kannst mich doch nicht einfach so alleine lassen, du Idiot.“, schluchzte Jungkook und krallte sich fester in das dünne Krankenhaushemd.
„Ich liebe dich! Ich wäre jeden Weg der Krankheit mit dir gegangen und Minsa hatte sich doch so sehr gewünscht, dass ich jemanden finde wie dich.“
Zaghaft, voller Vorsicht fanden die salzigen Lippen ein jener zusammen, die unterschiedlicher nicht sein konnten. Ein jener, die sich wie Gift und Gegengift zur selben Zeit im selben, kargen Bürozimmer kennen gelernt hatten. Ohne Ahnung, was auf sie zukommen würde.
„Das alles muss Schicksal gewesen sein.“, flüsterte Jungkook derart leise gegen die Lippen seines Gegenübers, dass dieser ihn kaum verstand.
„Ich bin mir da nicht so sicher, Jungkook. Ich denke das waren wir. Ganz alleine.“[„Eine selbsterfüllende Prophezeiung ist eine Vorhersage, die ihre Erfüllung selbst bewirkt. Eine Information über eine mögliche Zukunft hat also einen entscheidenden Einfluss und ist die wesentliche Ursache dafür, dass diese Zukunft auch eintritt.“]
Bis du dir dem Unbewussten also bewusst wirst, wird es dein Leben steuern und du wirst es Schicksal nennen. Doch was, wenn die Raupe den Schmetterling nicht als das Ende ihres Leben, sondern als ihr eigenes Wachsen betrachten würde? Was, wenn du deinen Schmerz, deine Wut und deinen Frust nicht als Ende deines Lebens, sondern als Wachsen betrachten könntest? Ein Wachsen, welches mit einer besseren Version von dir selbst belohnt werden würde?
Egal in welcher Phase deines Lebens du dich gerade befindest. Du wirst daran wachsen und du wirst es überstehen. Mit jeder Sekunde wird es besser werden. Ich glaube an dich!- Ende -
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Hey, :)so recht weiß ich gar nicht, was ich abschließend noch schreiben soll. Dieser Story ein Ende gegeben zu haben, bedeutet eine Menge für mich und hat mich viel Zeit und Unsicherheit gekostet. Immer wieder habe ich andere Enden geschrieben und immer wieder habe ich alle verworfen, weil ich keinen der Charaktere gehen lassen wollte. Über ein Jahr hat es gebraucht, bis ich mir erst jetzt sicher war, wie Jungkooks und Taehyungs Leben weiter verlaufen sollte.
Ich kann nur hoffen, dass dir das Ende gefällt und ich die Entwicklung der Charaktere und den Tiefgangs der Geschichte gut veranschaulichen konnte.
Danke, dass du die ganze Zeit dabei geblieben und letztlich hier angekommen bist. Es bedeutet mir unfassbar viel, dass du dir Zeit genommen und vielleicht sogar etwas kommentiert hast. Lass mir auch jetzt noch sehr gerne deine Meinung, Kritik, oder dein Lob hier. Es ist mir immer wichtig mich weiter zu entwickeln und gespiegelt zu werden.Falls dir mein Schreibstil gefällt, kannst du auch gerne bei meiner zweiten Fanfiction "Lie" vorbei schauen. Ich würde mich sehr freuen, dich dort in den Kommentaren zu finden. Die Überarbeitung der Story hat gerade erst begonnen und wird nochmal völlig anders als die ursprüngliche Version.
Damit wünsche ich dir einen schönen Tag und alles Glück der Welt,
- Joe
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BLACK POISON [TaeKook]
Fanfiction"Glaubst du, Jeon Jungkook, dass ich, Kim Taehyung, CEO von Vanity Entertainment, dem größten Label Koreas, zu dir nach Hause kommen würde, nur weil du einen Fehler gemacht hast?"... "Ja, dass denke ich. Immerhin sind Sie, Kim Taehyung, CEO von Vani...