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Völlig im Strudel seiner zerstörerischen Gedanken versunken, lief Taehyung unbewusst einen weitläufigen Umweg, Richtung des Vanity Towers. Die dichte Wolkendecke, welche mittlerweile den ganzen Himmel verdunkelte, wirkte bedrohlich aber zugleich auch seltsam beruhigend auf ihn.
Das Wetter schien sich stets seiner Stimmung anzupassen und so überraschte es ihn nicht, dass es auf halber Strecke begann zu regnen.
Einige der kühlen Tropfen zersprangen auf seiner Nasenspitze und das dämmrige Licht des Abends tauchte die regennassen Gassen Seouls in ein rötliches Zwielicht. Einige orange Lampions wogen im Wind hin und her, während die leuchtenden Schriftzeichen der Restaurants und Läden sich auf dem glänzend schwarzen Asphalt wieder spiegelten. Gesprächsfetzen, das Geräusch von Geschirr oder leisem Jazz drang immer dann zu ihm, als eine der Türen zu den Bars sich öffnete aber ansonsten überwog das entfernte Rauschen des Verkehrs und das Prasseln des Regens in all den Pfützen.
Dass Taehyungs Kleidung sich schnell mit den Tropfen voll saugte und die Kälte ihm die Beine hinauf kroch, bemerkte er kaum.
Viel zu beruhigend war das Gefühl der Regentropfen, welche auf seinem silbrigen Haar zersprangen und ihm kühl den Nacken hinunter rannen. Sie halfen ihm dabei, sich zu konzentrieren und einen klaren Gedanken fassen zu können.
Der Duft von Holzkohle, nassem Asphalt und den modrigen Hausfluren von verschiedenen Altbauwohnungen an denen er vorbei ging, hing ihm noch immer in der Nase, als er das teure Viertel erreichte, in dem sein Unternehmen stationiert war.
Diesiger Nebel hing unter den Kegeln der Straßenlaternen des Vanity Towers, als er ihn klitsch nass betrat.

Taehyung hatte jegliches Zeitgefühl verloren, als er in den warmen, trockenen Fahrstuhl schritt, um in das Stockwerk zu fahren, in dem sich sein Büro befand.
Dass noch Licht brannte, verwunderte ihn sehr. Immerhin schien es schon spät am Abend zu sein und normalerweise wussten seine Mitarbeiter genau, wann sie gehen durften, auch wenn er nicht im Hause war. Einzig das Security Personal, welches in Schichten, auch Nachts nach dem Rechten sah, arbeitete noch in ihrem kleinen Nebengebäude aber die hatten in den Büroräumen selten etwas zu suchen.
So lugte Taehyung misstrauisch um die Ecke und erkannte, dass das Licht aus Jungkooks Büroraum zu kommen schien.
Die Tür war nur angelehnt und so klopfte er leise an und öffnete sie.
Tatsächlich war es Jungkook der, die Stirn in Falten gelegt, konzentriert auf den Bildschirm seines Monitors starrte und das Tippen seiner Finger auf der Tastatur unterbrach, als er hörte, wie die Tür sich öffnete.
„Jungkook, du bist ja noch hier. Es ist Freitagabend. Solltest du dich nicht mit deinen Freunden amüsieren und das Wochenende genießen?"
Taehyung sah deutlich, dass sein Assistent müde war. Tiefe Augenringe verdunkelten sein blasses Gesicht und sein Haar war so wirr, dass sich erahnen ließ, wie oft er es sich am heutigen Tage gerauft hatte.
Weil Taehyung so ruhig und freundlich gesprochen hatte, erwartete er, trotz den Vorfällen vor einigen Stunden, dass Jungkook ihm antwortete, doch das tat er einige lange Minuten nicht.
Tatsächlich ließ er seinen Chef warten und tippte unbeirrt weiter, bis er fertig gebracht hatte, was auch immer er am Arbeiten war.
Kühl warf er seinem Chef einen Blick durch seine langen Wimpern zu und hob abschätzig die Augenbrauen.
„Ich setze meine Prioritäten anders, Taehyung."
Eindringlich musterte er den CEO von oben bis unten und dieser kam sich dabei äußerst bloß gestellt vor.
„Sie sind nass.", stellte der Assistent schließlich ausdruckslos fest und irritiert folgte Taehyung seinem Blick.
„Es regnet draußen. Du solltest einen Schirm mitnehmen, wenn du Feierabend machst. Oder... oder ich fahre dich eben nach Hause."
Etwas unbeholfen trat der CEO von einem Bein auf das andere und als seine nassen Schuhe dabei leise quietschten, schloss er kurz, peinlich berührt die Augen.
Warum es ihm plötzlich so schwer fiel, mit Jungkook zu sprechen oder ihm selbstbewusst gegenüber zu treten, lag vermutlich am Gespräch mit Doktor Min. Doch anstatt nun gefestigter in dem zu sein, was er Jungkook gegenüber empfand, kam er sich einfach nur vor wie ein absoluter Vollidiot.
„Ich bin vielleicht naiv aber blind bin ich nicht.", konterte Jungkook kühl und deutete auf seine Fensterscheibe, direkt vor dem Schreibtisch, gegen die wie wild der Regen prasselte.
„Außerdem danke ich dir für dein Angebot aber mein Freund holt mich gleich ab, also keine Sorge."
Tatsächlich zog sich irgendwas in Taehyungs Brust schmerzhaft zusammen, als Jungkook so reserviert mit ihm sprach und während die nassen Klamotten an seinem Körper, seine Muskeln zum Zittern brachten, fühlte er sich so hilflos wie noch nie.
„Verstehe. Richte deinem Freund einen Gruß von mir aus. Sein Auto ist wirklich Schick. Er hat einen guten Geschmack."
Müde musterte er Jungkook und lächelte verbittert, ehe er sich herum drehte und das Zimmer verließ, ohne sich zu verabschieden. Dass der blonde Schönling, mit den frechen Grübchen nicht nur einen guten Geschmack hatte, was Autos anging, behielt der CEO besser für sich.

Es verlangte ihm all seine letzte Kraft ab, sich über den kühl beleuchtete Flur, in sein eigenes Büro zu schleppen, die Tür zu schließen und sich in seinen Schreibtischstuhl zu setzen. Eine ganze Weile war er unfähig, sich zu bewegen, hatte nur sein Gesicht in den Handflächen versunken und atmete ruhig gegen seine Haut.
Die Situation schien ihn all seiner Energie zu berauben und erst, als er am ganzen Körper schlotterte vor Kälte, öffnete er eine seiner Schreibtischschubladen und zog einen grauen Kapuzenpullover hervor. Eigentlich waren die Pullover, mit dem Logo des Vanity Entertainments Werbegeschenke, doch nun zog er sich selbst einen über den Kopf und hängte sein nasses Oberteil über den Kleiderständer in der Ecke.
Vermutlich wäre es das Beste gewesen, wenn er einfach nach Hause gefahren wäre um sich auszuruhen, doch Taehyung wollte nicht allein in dem großen, leeren Loft sein. Nicht schon wieder.
Die Einsamkeit in seinen eigenen vier Wänden war oft so erdrückend, dass er die ganze Nacht den Fernseher oder die Musik laufen ließ, um sich selbst vor zu gaukeln, er wäre nicht alleine. So stürzte er sich immer öfter in Arbeit, trotz ausgelaugt zu sein und meist kam es dabei vor, dass er über all den Unterlagen einschlief und erst aufwachte, wenn seine Mitarbeiter morgens ihre Schichten begannen.
Das Leben fiel Taehyung leichter wenn es hell war. Wenn die Stille sich gelegt hatte und das weiße Rauschen in den Ohren, durch Stimmengewirr auf den Fluren oder dem Verkehr auf den Straßen abgelöst wurde.
In einer Stadt wie Seoul war es nie ganz dunkel und dafür war er dankbar, denn auch wenn er nach Außen so furchtlos wirkte, war Dunkelheit eine seiner größten Ängste.
Als es verhalten an der Tür klopfte, hob Taehyung den Kopf und es wunderte ihn nicht, dass sie sich öffnete, ohne dass er Einlass gewehrt hatte.
„Ich bin dann fertig.", ließ Jungkook ihn ruhig wissen und steckte müde den Kopf durch die geöffnete Tür.
Abwesend nickte Taehyung und runzelte die Stirn, als er zu seinem Assistenten auf sah.
„Kannst du... dich einen Moment setzen? Ich möchte gerne mit dir über etwas sprechen."

BLACK POISON [TaeKook] Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt