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Wie Schüsse hallten Jungkooks Schritte von den hohen Marmorwänden wieder, als er durch die Empfangshalle rannte und schließlich schluchzend ins Freie stolperte. Sein ganzer Körper brannte wie Feuer vor Scham und schmerzerfüllt keuchte er auf, als der prasselnde Regen sich wie ein eiskalter Umhang, um ihn schloss. Natürlich war niemand da, um ihn abzuholen.
Namjoon hatte das geliehene Auto längst zurück gebracht und Jungkook hatte ihn nicht einmal darum gebeten, vor dem Vanity Tower auf ihn zu warten.  
Einen Moment blieb er regungslos im Regen stehen, schloss verzweifelt die Augen und hoffte inständig, die Regentropfen, welche kalt auf sein Gesicht ein stachen, könnten ihn einfach betäuben, damit er nichts mehr fühlen musste.
Mit bebenden Schultern überstreckte er den Kopf nach hinten, spürte wie das Wasser an seinem Hals, über seine Brust rann und sich in den Stoff seiner Klamotten saugte.
Am liebsten, wäre Jungkook genau in diesem Moment, einfach tot umgefallen. Er hatte sich derart unglücklich in seinen Chef verliebt, dass er keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte und nur noch Schmerz empfand, wenn er in seiner Nähe war.
Abstand nehmen konnte er nun aber auch nicht mehr, weil er damit das Leben seiner Schwester aufs Spiel setzen würde.
Die Scham darüber, dass er Taehyung so mutig gezeigt hatte, was er empfand, saß tief und der Schmerz über die Zurückweisung erst Recht.
Schwindelnd schlug er sich die Handflächen ins Gesicht und gerade, als seine Beine drohten, unter all der Last seiner Gedanken zusammen zu brechen, schlangen sich lange, kühle Finger um sein Handgelenk und drehte ihn mit einem leichten Ruck um.
„Jungkook.“
Der Angesprochene gab einen erstickten Laut von sich, als sein Tränen verschleierter Blick, den Taehyungs fand.
Die Zärtlichkeit, mit der er Jungkooks Gesicht in seine Hände nahm, agierte als direkter Gegenspieler zu all der harten Ablehnung, die der Jüngere hatte erfahren müssen.
Vielleicht mochte er sich irren, doch für einen kurzen Moment, glaubte er sogar, auch in den Augen seines Gegenübers Tränen erhaschen zu können.
Schimmernde Regentropfen verfingen sich in den dichten Wimpern des hübschen Mannes und die Schultern des hellgrauen Kapuzenpullovers färbten sich dunkel, je mehr der schweren Regentropfen auf sie ein prasselten.
Die aufflammende Nervosität, welche Jungkooks Glieder hinauf kroch, wurde je von völliger Schwerelosigkeit abgelöst, als sich die feuchten Lippen seines Gegenübers auf seine legten.
Hätte Taehyung in diesem Moment nicht die Arme um seine Taille geschlungen und ihn zärtlich an seine Brust gezogen, wären ihm vermutlich die wackeligen Beine weg geknickt.
Doch Jungkook wurde gehalten.
Vermutlich das erste Mal in seinem Leben, fiel er nicht und sofort stellte sich ein Gefühl in ihm ein, welches er seit Kindheitstagen so schmerzlich vermisst hatte. Denn entgegen allem, was gerade geschah und wie sprunghaft sein Chef war, fühlte er sich sicher.  
Tosender Regen, welcher laut auf dem schimmernden Asphalt aufkam, die feuchten Lippen auf seinen und beide Herzen, welche unregelmäßig darum kämpften, den Gefühlen Stand zu halten.
Schleichend langsam stahlen sich Taehyungs Finger in Jungkooks nasses Haar und nahmen ihm somit die Möglichkeit, sich aus dem leidenschaftlichen Kuss zu winden.
Die Regentropfen saugten sich in die Klamotten der beiden, ihre Körper bebten und als Jungkook schauderte, zog sein Chef ihn an der Hüfte zurück in die ausladende Eingangshalle, ohne den Kuss zu unterbrechen.
Das ganze Gebäude war leer. Niemand arbeitete mehr um diese Uhrzeit und auch das Sicherheitspersonal kam nicht, um nach dem Rechten zu sehen.
Energisch landete Jungkook an einer der kühlen Marmorwände und keuchte auf, während die Situation ihn keinen klaren Gedanken fassen ließ.
Taehyung wusste was er tat und Jungkook spürte deutlich, wie viel reifer und erfahrener er war.
Wie ein unschuldiges Schulkind fühlte er sich in den starken Armen des gestandenen Mannes und mit einem wohligen Seufzen, gab er sich ganz dem Zungenkuss hin.
Mit einem verhaltenen, hohen Stöhnen, ließ Jungkook den Kopf gegen die steinerne Wand sinken, als Taehyung begann sich über seine Kieferpartie, bis zum Hals zu küssen.
Die Situation hatte sich binnen Sekunden derart zugespitzt, dass Jungkook drohte, zwischen den starken Händen seines Chefs einfach zu schmelzen und mit Leichtigkeit übertrug sich Taehyungs Leidenschaft auf ihn.
Der Geschäftsführer war eine Naturgewalt, die Jungkook viel zu leichtfertig unterschätzt hatte. Er schaffte es, ihn mit einem Kuss, völlig gefügig zu machen und ihn so grundlegend zu verwirren, dass er nicht mal unterscheiden konnte, ob es Schmerz oder Leidenschaft war, die er empfand.
Unfreiwillig musste er an Jimin denken, dem der CEO gekonnt ein ebenso hohes Stöhnen entlockt hatte und verzweifelt schlug Jungkook die Augen auf.
„S- stop.“, keuchte er heiser, doch sein Gegenüber dachte gar nicht daran, aufzuhören.
Geschickt ließ er die feuchten Lippen über Jungkooks Schlüsselbeine gleiten, während er den Kragen seines Oberteils etwas beiseiteschob.
Hilflos krallte Jungkook sich in den nassen Stoff des grauen Kapuzenpullovers vor sich und schüttelte den Kopf.
Der Platz in seiner nassen, hautengen Hose war unerträglich knapp geworden und als er spürte, wie Taehyungs schlanke Finger sich unter sein nasses Oberteil stahlen, entglitten ihm die Gesichtszüge vor Lust.  
„B- bitte, Taehyung. Hör auf…“
So gerne wie er sich der Situation auch hingegeben hätte, seine unerschütterliche Vernunft protestierte laut in seinem Bewusstsein.
Auf keinen Fall wollte er, der nächste Jimin für seinen Chef sein. Egal ob Jimin nur sein Spielzeug oder sein fester Freund war. Er wollte sich nicht so von ihm behandeln lassen und sich nicht wehtun lassen.
„Stop!“, keuchte er nochmal, diesmal eindringlicher und legte seine regennasse, flache Hand, mitten in das Gesicht seines Chefs um ihn von sich weg zu drücken.
Über den irritierten Blick des Älteren musste er leise kichern.
Die großen, fast schwarzen Pupillen sahen ihn mit loderndem Blick, von unten her an und das feuchte, graue Haar war so zerzaust, dass Jungkook schmunzelnd die kleinen Finger in ihnen vergrub.
Warum er in dieser Situation lachen musste, konnte er kaum sagen, doch die Gefühle waren einfach zu viel für ihn und es erfüllte ihn mit unfassbar viel Wärme, seinem Chef so nah zu sein.
Die roten Wangen und die geschwollenen Lippen seines Gegenübers waren Indiz genug, dass es auch ihm gefiel und das bedeutete Jungkook alles.
„Ich hab noch nie…“, murmelte der Jüngere, außer Atem und schüttelte den Kopf.
„Du bist so ungehobelt.“, tadelte er ihn leise lachend und presste sich die kühlen Finger auf die Lippen, welche noch kurz zuvor so charmelos von Taehyungs berührt worden waren.
Tatsächlich löste der CEO sich mit einem leisen Zischen von ihm und zog seinen Pullover zurecht.
„Verzeih mir. Ich wollte dir nicht zu nahe treten.“, raunte er heiser und räusperte sich.
„Ich bin wohl nicht gut darin, meine eigenen Regeln zu befolgen.“, fügte er hinzu und nun musste auch er sich ein Schmunzeln unterdrücken.
Überrascht hob Jungkook die Augenbrauen. Noch nie hatte er seinen Chef derart gelöst und fast schon gut gelaunt gesehen.
Die selbstironische Art und Weise, verblüffte ihn und imponierte ihm zugleich.
Die unangenehme Frage, ob Jimin diese Seite des CEOs wohl öfter zu Gesicht bekam und heftige Eifersucht kamen in Jungkook auf und ohne genau darüber nach zu denken stellte er eine Frage, die ihn schon die ganze Zeit beschäftigte.
„Was ist mit Jimin? Ist er nicht dein Freund?“
Überrascht hob sein Gegenüber die Augenbrauen und musterte ihn einen Moment skeptisch.  
„Mein... Freund? Gott, Jungkook, ich bin völlig beziehungsunfähig. Ich mag es nicht besonders, Menschen um mich zu haben.“, stellte er klar und langsam nickte Jungkook.
„Wie auch immer. Ich bringe dich nach Hause, okay? Dein Freund scheint sich ja wohl zu verspäten. Du zitterst und ich möchte es nicht verantworten, dass du krank wirst.“, flüsterte er beinahe sanft und ging zielstrebig voran.
„Nicht weg laufen. Ich bin gleich wieder da.“, rief er, hob die Hand und stieg in den Aufzug um seinen Schlüssel zu hole und das Licht, in den Büroräumen, zu löschen.

Kaum war Taehyung aus seinem Sichtfeld verschwunden, rutschte Jungkook kraftlos an der Marmorwand hinunter und legte sich grinsend die Handflächen in sein hochrotes Gesicht.
Seltsam berauscht fühlte er sich von allem und der Pfad, zwischen Euphorie und Verzweiflung war gefährlich schmal.
„Ich verstehe gar nichts mehr.“, murmelte er zu sich selbst und rieb sich die Stirn.
Er konnte nicht einmal ansatzweise einschätzen, was der Kuss zu bedeuten gehabt hatte, wie Taehyung ihm gegenüber nun dachte und wie es mit ihnen weiter gehen sollte. Immerhin dachte Taehyung, dass er einen Freund hätte und er wollte gar nicht wissen wie er nun über Jungkook dachte, nachdem er so hemmungslos mit ihm herum geknutscht hatte, während er doch eigentlich vergeben war.
Er hoffte, dass sein Chef sich all diese Gedanken nicht machte. Für ihn bedeutete der Kuss sicher nur verschwindend wenig und der Gedanke daran, es könnte der einzige Kuss gewesen sein, stimmte ihn traurig.

Wenig später kam Taeyung zurück und half Jungkook besorgt hoch.
„Ist alles okay mit dir?“, fragte er, während er dem Jüngeren einen trockenen Vanity Entertainment Pullover in die Finger drückte.
Auch er selbst hatte sich einen neuen Pullover angezogen und Jungkook fragte sich, wie viele sein Chef davon in seinem Büro aufbewahrte.
Lächelnd nickte er und zog den, viel zu großen Pullover über, bevor er dem hoch gewachsenen Mann in die Tiefgarage folgte.
Es fühlte sich beinahe vertraut an, zurück in den schicken Sportwagen zu steigen und den eleganten Händen dabei zu zusehen, wie sie geübt den Wagen manöfrierten.
Es hatte etwas Intimes und Eingespieltes, wie sie beide mit nassem, wirrem Haar, in denselben Pullovern im Auto saßen.
Taehyung war ihm nicht mehr so fremd, wie noch ganz am Anfang und doch ließ sich nicht hinter sein hübsches Gesicht blicken. Egal wie sehr er es versuchte.
Es war völlig still zwischen ihnen und doch war Jungkook die Situation nicht unangenehm. Verhalten drang klassische Musik aus dem Radio des Autos und das beruhigende Geräusch des Regens, auf den gewachsten Scheiben unterstrich die trügerische Idylle.
Gedankenverloren glitt Jungkooks Blick über die Lichter der Stadt, an welchen sie vorbei pesten und schließlich wagte er einen Blick in Taehyungs Gesicht.
Konzentriert hatte er den Blick auf die regennasse Straße gerichtet und steuerte das lederbezogene Lenkrad locker mit seiner Handfläche. Der beruhigende Duft von edlem Parfum lag in der Luft und es schien Jungkook, als duftete selbst der Pullover, den er von Taehyung bekommen hatte, nach diesem Parfum und seinem Büro.
Ohne dagegen vorgehen zu können, beschleunigte sich sein Puls und für einen Moment erlaubte er es sich daran zu denken, wie es wäre mit dem Mann an seiner Seite fest zusammen zu sein.
Wie es wäre ihn besser zu kennen als alle anderen es taten und ihm darin helfen zu können, nicht immer so schrecklich ernst zu sein.
Taehyung hatte ihm zum ersten Mal gezeigt, dass er anders konnte als kühl, abweisend und unfair zu sein.
Zum ersten Mal war er Zeuge der zuvorkommenden, leidenschaftlichen und einfühlsamen Art des Mannes geworden.
Gerade hatte Jungkook sich noch geschworen, seinem Chef nie wieder zu verfallen und sich von ihm fern zu halten doch der kurze Moment der Zweisamkeit, hatte genau das Gegenteil bewirkt.
Hilflos sah er dabei zu, wie Taehyung es schaffte sein Herz mit Leichtigkeit im Sturm zu erobern und wie er nebenbei seiner Schwester das Leben rettete.
Dass alles war zu schön um wahr zu sein und Jungkook lag es nicht zu träumen. Seine Kindheit und sein Vater hatten ihn zum Realisten gemacht. Er wusste, dass er diesen Moment genießen musste, weil er viel zu schnell vorbei gehen würde.
Er war zerbrechlich und vergänglich wie die zarten Flügel eines Schmetterlings.

BLACK POISON [TaeKook] Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt