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„Taehyung, was führt dich zu mir? Wir hatten keinen Termin vereinbart oder irre ich mich?"
Freundlich reichte ihm Doktor Min die Hand und drückte sie leicht, als Taehyung sie ergriff.
Die schwarz umrandete, modische Brille, welche locker auf der zierlichen Nase des Psychologen saß und sein dunkles Haar, bildeten den perfekten Kontrast zum strahlend weißen Hemd, in welches er gehüllt war.
Freundlich lächelnd schwang er sich auf den rollenden Hocker, gegenüber der Couch und deutete auf das Glas Wasser, welches vor Taehyung platziert worden war.
„Trink ruhig einen Schluck. Du scheinst nervös zu sein."
Ertappt senkte der Angesprochene den Blick, griff aber nach dem Glas und trank einen großen Schluck, bevor er verhalten nickte.
„Was ist passiert?"
Nicht einmal in die Augen sehen konnte Taehyung seinem Therapeuten, als er die Frage zu beantworten versuchte.
Es fiel ihm sonst nicht schwer selbstbewusst aufzutreten, doch einiges hatte sich verändert.

„Irgendetwas stimmt mit mir nicht.", begann er und räusperte sich verärgert, als er hörte wie schwach seine Stimme klang.
„Ich habe einen neuen Assistenten. Ich versuche mit ihm umzugehen wie mit all den anderen aber er macht es mir schwer. Etwas an ihm ist so... anders."
Verzweifelt versuchte er die richtigen Worte zu finden und stützte müde das Gesicht in die Handflächen.
Einen Moment herrschte Stille im Behandlungszimmer und Taehyung war so ihn Gedanken versunken, dass er leicht zusammen zuckte, als Doktor Min das Wort ergriff.
„Erzähl mir etwas über ihn. Einfach frei heraus, was dir durch die Kopf geht, völlig ohne Filter."
Unsicher hob Taehyung den Blick.
„Er ist attraktiv und leidenschaftlich. Ich mag ihn, auf eine gewisse Art und Weise."
Interessiert nickte sein Gegenüber und kniff ein wenig die Augen zusammen.
„Dass du ihn attraktiv findest und Leidenschaft verspürst, ist nicht unbedingt neu für dich, richtig? Was unterscheidet ihn von den anderen? Wie äußert es sich, dass du ihn magst?"
Taehyung schluckte schwer und hob den Blick.
„Ich habe ihn in ein Restaurant ausgeführt und versucht, ihn gefügig zu machen, doch er hat mich abgewiesen. Ich war gekränkt und habe ihm vorgemacht, ihn nur zu testen."
Tief atmete er durch und konnte nicht verhindern, dass seine Lippen dabei bedrohlich bebten.
„Ich habe ihn verletzt und das hat... wehgetan."
Verzweifelt hob er den Blick und fuhr sich fahrig durch das graue Haar.
„Ich fürchte ich werde wahnsinnig. Er scheint meine Gedanken zu verfolgen und das macht mich rasend vor Wut. Er soll raus aus meinem Kopf. Ich habe keine Zeit für so etwas."
Hilflos presste er sich die Hände an die Stirn und zuckte heftig zusammen, als die warme Hand Doktor Mins sich beruhigend auf seinen Oberarm legte.
„Taehyung, du magst ihn vielleicht etwas mehr, als dir bewusst ist, aber das ist okay."
Herrisch fiel Taehyung ihm ins Wort und wandte sich aus der Berührung.
„Gar nichts ist okay! Ich kenne diese Gefühle nicht und ich will sie auch nicht kennen. Ich bin alleine und das ist gut so. Er hat heute seine Kündigung eingereicht und vermutlich ist es sogar das Beste, wenn ich ihn nicht mehr wieder sehe. Ich kann niemanden an mich binden und das wissen Sie. Ich kann nicht aber es macht mich wahnsinnig, ihn mit seinem Freund zu sehen. Ich weiß nicht... Ich weiß einfach nicht...", keuchend brach er ab und atmete panisch gegen seine Handflächen.
Der fehlende Sauerstoff, ließ kleine Punkte vor seinen geschlossenen Augen tanzen und nun erkannte auch Doktor Min, wie sehr die Situation seinen Patienten mitnahm.

„Taehyung, sieh mich bitte an."
Tatsächlich sammelte sich der Angesprochene, atmete tief durch und hob den Blick um in die katzenhaften Augen seines Gegenübers zu sehen.
„Es gibt keinen Grund, in Panik zu verfallen, okay? Wir wissen beide, dass du mit Gefühlen nicht gut umgehen kannst aber wir haben so große Fortschritte gemacht in den letzten Monaten und ich lasse es nicht zu, dass du dich jetzt verschließt, nur weil du zu viel Angst hast. Dieser Junge tut dir gut. Sei nett zu ihm, streng dich nicht zu sehr an. Sei einfach nett und lass es auf dich zukommen. Er wird damit umgehen können. Wenn er ohnehin einen Partner hat, könnte er auch einfach ein guter Freund für dich werden."
Aufmunternd lächelte er Taehyung zu, welcher finster drein schaute und zuckte schließlich mit den Schultern.
„Mach es nicht größer, als es ist. Du kannst das alles kontrollieren, wenn du nur willst."
Langsam nickte Taehyung und atmete nochmal tief durch. Doktor Min hatte Recht. Gefühle konnten ihn nicht umbringen und eigentlich hatte er nicht einmal etwas zu verlieren.
Er wusste was zu tun war und energisch stand er auf, um sich von seinem Therapeuten zu verabschieden.
„Lass ihm die Möglichkeit. Stoß ihn nicht von dir weg. Er ist vielleicht deine letzte Chance.", redete Doktor Min ihm ins Gewissen und stand ebenfalls auf.
„Es war die richtige Entscheidung hier her zu kommen. Das alles liegt in deiner Hand aber beende es nicht bevor es angefangen hat, hörst du? Öffne dich ein bisschen und ruf an wenn ich helfen kann."
Dankbar verbeugte Taehyung sich tief.

Doktor Min war seit knapp zwei Jahren sein Therapeut und er zählte zu Taehyungs engsten Vertrauten. Freundschaften fielen ihm genauso schwer wie Beziehungen und daher waren Menschen, die wirklich aufrichtig zu ihm wahren, mehr wert als all das Vermögen, auf seinen Konten.
Als Einzelkind einer wohlhabenden Unternehmerfamilie, hatte Taehyung nie wirklich gelernt, wie man sich fair gegenüber anderen zu verhalten hatte.
Sein Vater, ein strenge Geschäftsmann, hatte ihn schon früh in die Welt des Profits geführt. Sozialkompetenz kam an dieser Stelle jedoch völlig zu kurz.
Da Taehyungs Mutter, ebenfalls eine erfolgreiche Geschäftsfrau, die Familie schließlich verließ, musste ihr Sohn schnell lernen erwachsen zu werden.
Insgeheim glaubte er, dass seine Mutter ihn ohnehin nie bekommen wollte und sich nur, auf Anweisung seines Vaters, hatte überreden lassen, ihm einen Nachfolger für sein Unternehmen zu schenken.
Taehyung war in eine Maschinerie aus Geld und Macht hinein geboren worden und schon im Mutterleib ein präzise geplanter Faktor, im großen System gewesen.
Sein ganzes Leben war vorherbestimmt worden und da seine Eltern sich nie umarmten, stritten oder eine anderer Form der Gefühlsregung zeigten, dachte Taehyung, dass es die nötige Härte wäre, die ihn erfolgreich machen würde.
Zuletzt hatte er damit gar nicht so unrecht gehabt. Sein Vater äußerte bis zu seinem Tod zwar nie, dass er stolz auf seinen Sohn war, doch insgeheim wusste der junge CEO, dass es ihm viel bedeutete, dass Unternehmen in sicheren Händen zu wissen.

Alles schien immer sicher zu sein und in allem war Taehyung stets hervorragend, auch wenn er sowohl in der Schule, als auch während des Studiums stets als intelligenter Außenseiter galt, mit dem man sich besser nicht anlegte.
Alles in seinem Leben basierte auf Kalkulationen und Statistiken doch das hatte sich abrupt geändert, als Jungkook in sein Leben trat.
Gefühle, wie er sie seit dem verspürt hatte, waren absolut neu für ihn. Er hatte sie nicht unter Kontrolle und es gab keine Berechnungen darüber.
Es war dem Geschäftsführer immer wichtig gewesen alles beherrschen zu können und selbst seiner Lust ließ er meist keinen freien Lauf, auch wenn er sich stets gerne mit Bekanntschaften die Zeit vertrieb.
Es war nie so, dass er wirklich Lust empfinden konnte, solange er nicht die vollkommene Kontrolle über seinen Sexualpartner erlangte.
Dass diese Einstellung nicht gesund war, wusste er.
Doktor Min hatte ihn schon des Öfteren darauf hingewiesen, dass Sadismus nicht unbedingt auf eine gesunde, zwischenmenschliche Basis hinaus zielte und doch konnte Taehyung sich nicht dagegen wehren, sich an den heftigen Gefühlsregungen seiner Bekanntschaften zu erfreuen.
Immerhin war Schmerz eines der stärksten Gefühle, die es gab und der CEO genoss es unweigerlich ein solch heftiges Gefühl bei jemandem auslösen zu können. Hatte es doch sonst immer kaum eine Reaktion auf das gegeben, was er tat.

BLACK POISON [TaeKook] Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt