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Den zurückhaltend unsicheren Blick, mit welchem Taehyung ihn musterte, bemerkte Jungkook sofort.
Etwas irritiert trat er ganz in das halbdunkle Büro seines Chefs ein und strich seine schwitzenden Handflächen unauffällig an der dunklen Hose ab. Dass er Nervös war, lag daran, dass irgend etwas sich verändert zu haben schien. Jungkook konnte es genau spüren und er fragte sich, ob sein Plan, Taehyung eifersüchtig zu machen und ihm mit kühlem Desinteresse gegenüber zu treten, tatsächlich so gut funktioniert hatte oder warum er derart niedergeschlagen wirkte.
Das Gesicht des Mannes, dessen graues Haar ihm in feuchten Strähnen in die Augen fiel, war nur zur Hälfte in schwaches Licht getaucht. Er hatte die Leuchtstoffröhren an der Zimmerdecke nicht angeschaltet und so warf einzig eine Tischlampe, einen kleinen Lichtkegel auf die gläserne Platte des Schreibtisches.
Die reflektierenden Lichter der Skyline, spiegelten sich in den glatten Oberflächen des Bodens und der vielen Möbelstücke aus Glas, während das entfernte Rauschen des Verkehrs, nur gedämpft durch die dicken Scheiben drang.

„Ist gut.", murmelte Jungkook sanfter und setzte sich auf den kalten Lederstuhl, auf der anderen Seite des Tisches.
Ganz typisch duftete es in dem kühlen Büroraum nach Papier, Druckerfarbe und dem männlichen Parfum des CEOs, welcher überraschend nahbar in seinem grauen Kapuzenpullover wirkte.
Der Regen peitschte immer wieder laut an die flächendeckenden Fensterfronten und die Nacht, außerhalb des Zimmers schien zunehmend ungemütlicher zu werden.
Gedankenverloren huschte Jungkooks Blick über die Regentropfen, welche sich verzweifelt an den Scheiben fest zu krallen schienen aber schließlich doch keinen Halt fanden und in die Tiefe stürzten.
Lila, Pink und Blautöne der vielen Leuchtreklamen spiegelten sich in ihnen wieder und tauchten die Glasfronten in alle möglichen Farben.
Erst das Geräusch eines großen Umschlags, welcher über den Schreibtisch geschoben wurde, riss ihn aus seinen Gedanken und fragend musterte er ihn.
„Das hier, ist ein offizieller Arbeitsvertrag mit Gehaltserhöhung und einer Vereinbarung, dass ich dir nicht zu nahe treten darf. Ich habe ihn eben aufgesetzt und bereits unterschrieben."
Müde klangen die Worte aus Taehyungs Mund und vor Überraschung weiteten sich Jungkooks Augen.
Irgend etwas hatte sich ganz gewaltig verändert an diesem Tag, seit sein Chef von seinem Ausflug, so völlig durchnässt zurückgekehrt war und es machte ihn fast wahnsinnig nicht zu wissen, was dahinter steckte.
Einen Moment überlegte Jungkook, ob er seine Kündigung nicht deutlich genug ausgesprochen hatte oder ob es sein konnte, dass sein Chef sie einfach überhört und überlesen hatte.
„Danke aber ich... ich habe gekündigt, Taehyung. Ich möchte hier nicht mehr arbeiten. Nicht so."
Unsicher legte er die zittrigen Finger auf den Umschlag und schob ihn zurück, seinem Chef entgegen.
Dieser sah mit einem Mal noch müder aus, als er es ohnehin schon tat und vergrub kurz das Gesicht in den Handflächen. Besorgt beugte Jungkook sich etwas nach vorne und streckte seine Hand nach dem Arm des Mannes aus, doch als ihm bewusst wurde, was er gerade im Begriff war zu tun, ließ er sie wieder sinken.
Irgendwas sagte ihm, dass es dem CEO mehr als schlecht ging und er fragte sich, ob wirklich er der Grund dafür sein konnte.
Leise pochte das schlechte Gewissen in seinem Bewusstsein, von welchem er wusste, dass er es eigentlich gar nicht haben bräuchte.
Immerhin war es Taehyung, der eine Zusatzvereinbarung aufstellen musste die besagte, dass er sich ihm nicht mehr so schamlos nähern durfte. Taehyung war zu weit gegangen und doch machte Jungkook sich ernsthaft Sorgen um ihn.
Seinen, sonst so dominanten und unnahbaren Chef derart verletzlich zu sehen, schmerzte ihn und machte ihn wütend zugleich. Denn dieser war nicht in seiner Wohnung überfallen und gedemütigt worden aber in jenem Moment, kam Jungkook der vorherige Abend kaum noch relevant vor.

„Was müsste passieren, dass du hier bleiben würdest?", fragte Taehyung niedergeschlagen und seine Worte wurden fast von dem Prasseln des Regen verschluckt.
„Ich weiß es nicht.", war alles was Jungkook über die Lippen brachte und seine Brust schmerzte mittlerweile so sehr, dass er fürchtete daran zu ersticken.
Insgeheim hielt er es kaum aus zu wissen, dass er den Mann, ihm gegenüber vermutlich nie wieder sehen würde, wenn er tatsächlich ging aber die Situation bei ihm Zuhause hatte gezeigt, dass Taehyung nie Mals so empfinden können würde, wie er es tat.
„Jungkook, bitte. Es gibt doch einen Grund, warum du ausgerechnet hier bei mir arbeiten wolltest. Was ist es, was dich hier gehalten hat?"
Rastlos huschte sein Blick zwischen den Augen seines Assistenten hin und her, während ihm die Verzweiflung deutlich ins Gesicht geschrieben war.
„Ging es dir wirklich nur darum, viel Geld zu verdienen? Oder dachtest du, mit deiner Musik hier weiter zu kommen?"
Es war offensichtlich, dass er mit aller Kraft versuchte, hinter die Fassade des hübschen, jugendlichen Gesichts zu blicken und zu verstehen, was sich hinter den großen, interessanten Augen Jungkooks, in seinem Kopf abspielte. Doch dieser schwieg und verzweifelt schloss der CEO die Augen.
„Ging es dir um mich?"
Die Frage hing unbeantwortet, für quälend lange Minuten, in denen Taehyung die Augen geschlossen hielt, in der Luft. Keiner der beiden Männer schien zu atmen und sprachlos musterte Jungkook sein Gegenüber, studierte die feinen Gesichtszüge, die ausdrucksstarken Augenbrauen und die besondere Lippenform, ehe er den Blick senkte. Auch wenn der Beobachtete nicht bemerkt haben konnte, dass er so eindringlich gemustert wurde, war es Jungkook peinlich ihn schamlos angestarrt zu haben.
Letztlich schüttelte er energisch den Kopf und atmete tief durch.
Er hatte ohnehin nichts zu verlieren und seltsamerweise, verspürte er den Drang, endlich mit jemandem über das zu sprechen, was ihn permanent belastete.
„Am ehesten, trifft der Grund zu, dass ich Geld brauche."
Taehyung öffnete die Augen und Jungkook war es, als hätte er für den Bruchteil einer Sekunde etwas wie Enttäuschung darin lesen können.
Irritiert senkte er den Blick und versteifte sich etwas. Es fiel ihm merklich schwer über das zu sprechen, was ihm am meisten Angst bereitete und was ihn am meisten schwächte.
„Minsa, meine große Schwester, ist schwer krank. Sie ist in einer Spezialklinik in Japan und wartet auf mehrere Spenderorgane, doch ihr läuft die Zeit davon. Ich bin der Einzige, den sie hat und es gäbe die Möglichkeit, sie...", Jungkook brach ab und schluckte schwer, gegen den großen Kloß in seinem Hals an.
Seine Schwester, war ein Punkt, der ihn verletzlich machte und ob es schlau war, gerade Taehyung davon zu erzählen, wusste er nicht. Er hatte das Gefühl, viel zu viel von sich Preis zu geben und trotzdem fühlte es sich gut an, mit jemandem über seine Sorgen zu sprechen, der älter war als er und von dessen Meinung er, trotz allem was war, viel hielt.
„Es gibt eine Behandlung, die ihr mehr Zeit geben würde, auf die passenden Organe zu warten, aber diese Behandlung kostet sehr viel Geld. Sie ist keine Garantie dafür, dass sie es dann schafft gerettet zu werden, bevor sie zu schwach wird aber es ist eine Chance. Ich... ich würde alles dafür tun, um diese Behandlung bezahlen zu können."
Immer heftiger zitterten Jungkooks Finger, die er mittlerweile sorgsam in seinem Schoß gefaltet hatte.
Er fühlte sich unglaublich schwach und mit aller Kraft kämpfte er dagegen an, in Tränen aus zu brechen.
Schon einige Tage hatte er von Minsa nichts mehr gehört. Es hieß, sie sei zu schwach, um zu sprechen und es zerriss Jungkook das Herz zu wissen, dass sie vermutlich genau in diesem Moment, unter höllischen Schmerzen litt.
Voll gepumpt mit allerlei, starker Schmerzmittel, wurde sie völlig handlungsunfähig gemacht und trotzdem blieb ein gewisser Teil an Grundschmerz immer bestehen, der sie dazu brachte, sich ständig übergeben zu müssen.
Auch in Jungkook stieg kühle Übelkeit auf und schwindelnd krallte er die Finger in den Stoff seiner Hose.
Die Angst, all die Tränen keine Sekunde mehr zurückhalten zu können überkam ihn und so starrte er nur hilflos auf Taehyungs schlanke Hände, welche sich langsam zu Fäusten ballten.
„Jungkook...", war das Erste, was der CEO erwiderte und seine Stimme klang so brüchig, als wäre er selbst mehr als erschüttert über das, was er gehört hatte.
„Jetzt wird mir einiges klar.", murmelte er und fragend hob der Assistent die Augenlider.
Beinahe sofort traf sein Blick auf den seines Chefs und die Überraschung saß tief, dass er in ihm das erste Mal, ganz eindeutig eine Emotion lesen konnte.
Es war pure Anteilnahme, die ihm entgegen schlug und die Sicherheit, welche er plötzlich in den katzenhaften Augen seines Chefs fand, beruhigte ihn augenblicklich.
Fast väterlich betrachtete er ihn und doch steckte mehr dahinter, aber Jungkook war zu müde und zu ausgelaugt, um zu verstehen, was es war.
Das kratzende Geräusch der, mit Tinte umhüllten Metallkugel, drang durch das Trommeln der Regentropfen, als Taehyung etwas auf einen kleinen Block schrieb.
Nachdem er den Kugelschreiber, hatte sinken lassen, riss er die erste Seite des Blocks ab und schob sie über den Tisch, wie zuvor noch den Umschlag.
„Das ist ein Scheck über 20000$. Die Summe müsste für die Behandlung reichen. Unterschreibe den Vertrag, dann kannst du die Behandlung deiner Schwester gleich morgen bezahlen."

Ungläubig blinzelte Jungkook einige Male und starrte wie paralysiert auf die hohe Summe des Schecks. Noch nie hatte er derart viel Geld besessen und die Überforderung darüber, dass es scheinbar so einfach war, Minsa mehr Zeit zu verschaffen, raubte ihm die Luft zum Atem.
„Aber...", setzte er an und dabei war seine Stimme nicht mehr als ein Flüstern.
„Bitte nimm das Angebot an. Mir tut das Geld nicht weh, ich habe genug davon und es bringt mir gar nichts."
Verbittert strich Taehyung sich durchs Haar und huschte mit seinem Blick, rastlos durch das Zimmer.
Unangenehme Stille hing zwischen ihnen und Jungkook zerbrach sich den Kopf darüber, was er tun sollte, ohne das Ausmaß der Situation überhaupt erkennen zu können.
„Warum... warum ich?", fragte er heiser und nun waren es doch Tränen, die ihm in die Augen traten. Tränen der Dankbarkeit, von denen Taehyung nicht mal ansatzweise wusste, wie man mit ihnen umging.
Schlicht zuckte er mit den Schultern und atmete tief durch.
„Ich brauche nicht so viel Geld für mich alleine. Ich will, dass du hier arbeitest und ich glaube, dass erreiche ich nur durch Geld. Mehr steckt nicht dahinter."
Die Aussage schmerzte Jungkook und traf ihn wie eine brennende Ohrfeige. Zurück war sein kühler und unnahbarer Chef und während Jungkook noch dabei war, sich zu fragen, wann er den Moment verpasst hatte, in dem sein Gegenüber sich verschlossen hatte, stand Taehyung ebenfalls auf. Mit verschränkten Armen drehte er sich von ihm weg und sah aus dem Fenster in all die Farben der nächtlichen Stadt. Fassungslos musterte Jungkook die schlanke Silhouette des Mannes und schüttelte den Kopf. Das graue Haar, welches wellig trocknete und der Kapuzenpullover konnten ihm ein noch so nahbares Äußeres verleihen, Taehyung würde für ihn immer undurchschaubar bleiben.

BLACK POISON [TaeKook] Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt