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Es gab diese ganz bestimmten Sommer.
Diese Sommer, welche sich derart fest in das Bewusstsein prägten, dass man die Erinnerungen daran nie wieder missen würde. Diese ganz speziellen, warmen Momente, die einen Sommer im Nachhinein erst zu einem Sommer machen würden.
Jungkook hatte nie einen von diesen Sommern erlebt.
Stets war er damit beschäftigt gewesen, sich um seine Schwester, oder seine totkranke Mutter zu kümmern. Er hatte immer dann gearbeitet, wenn seine Klassenkameraden nach der Schule an den Fluss gefahren waren, oder sich in einem Eiscafé verabredet hatten.
Immer war er es gewesen, der blass und müde in der letzten Reihe des Klassenzimmers gesessen hatte, wenn die Sommerferien vorüber waren und all seine Klassenkameraden sich braun gebrannt, die aufregendsten Geschichten zu erzählen hatten.
Sein bester Freund Namjoon, dessen Grübchen-Lachen schon allein heller strahlte, als die Sommersonne höchst persönlich, brachte stets einige, pikante Souvenirs aus den Sommerferien mit. Irgendein bunt geknüpftes Armbändchen eines Urlaubs, oder violette Knutschflecken am Hals.
Er sah meist völlig gelöst aus und war allein davon genervt, dass das neue Schuljahr begonnen hatte, während Jungkook sich darüber freute, endlich wieder etwas tun zu dürfen, bei dem er nur sitzen und zuhören musste.
Jungkook hatte nie einen von diesen wertvollen Sommern erlebt…
… Bis er Taehyung kennen gelernt hatte.
Die salzigen Küsse im flimmernden Schein der prallen Sonne.
Die Berührungen auf verschwitzter Haut und die liebevollen Worte.
Der Meteoritenkrater, in welchem die Hitze flimmerte, als wäre er gefüllt mit waberndem Wasser.
Die endlos langen Stunden zwischen weißen Leinenlaken, küssend, sich den Kopf kraulend, von Kissen begrabend und kichernd über die kitzelnden Haarsträhnen im Gesicht.
Die Straßen Seouls glühten unter der Sonne und die abendlichen Gewitter spendeten kühle Nächte.
In diesem Moment allerdings, war nicht die Spur von Gewitterwolken am Himmel zu sehen.
Die endlosen Weiten des strahlenden Blaus, wurden nur vom glühenden Feuerball am Himmel durchbrochen, als Jungkook entspannt neben Taehyung im hohen Gras lag.
Schon eine Weile dösten sie in der Nachmittagssonne auf der Wiese, die sich um den Meteoritenkrater zog wie ein geblümter Teppich.
Seit Taehyung ihm den Krater gezeigt hatte, war Jungkook derart beeindruckt davon gewesen, dass er es kaum abwarten konnte, erneut Zeit an dem magischen Ort verbringen zu dürfen. Sein Kopf ruhte auf Taehyungs starkem Bauch und als Jungkook den Arm hob, um sich blinzelnd vor der Sonne zu schützen, spähte er unauffällig in das Gesicht des Älteren.
Er hatte die Augen geschlossen und einen Arm locker unter den Hinterkopf geschoben. Einige Schweißperlen zierten seine hübsche Stirn und seine Wangen leuchteten in zartem Rot von der Wärme der Sonnenstrahlen.
So gelöst und beinahe jugendlich sah der Millionär aus, dass sein blütenweißes Hemd kaum zu ihm passte und viel zu streng wirkte.
Der Duft von Sonnenstrahlen, Blütenstaub, der Spur von Schweiß und einem herben Aftershave, schwängerte schwer die Luft, während unzählige Zikaden und Frösche die sommerliche Atmosphäre mit ihrem Konzert untermalten.

„Tae, ich liebe dich.“
Nicht mehr als ein Flüstern verließ Jungkooks Lippen und lächelnd drehte er ein Gänseblümchen vor seine Augen hin und her. Die Sonne leuchtete durch die strahlend weißen Blütenblätter und wurde Zeuge von Jungkooks erstem, ganz offenen Liebesgeständnis.
Nie hatte es sich ergeben, so ehrlich in Worte zu fassen, was er fühlte, auch wenn die Liebe zu seinem Chef natürlich schon viel länger wehrte.
Lächelnd dachte er an den Moment vor einigen Wochen im Krankenhaus zurück, als Taehyung ihm sympathisch nervös gestanden hatte, Gefühle für ihn zu haben. Von Liebe war allerdings nie die Rede gewesen.
Wenn Jungkook so zurück dachte, wirkte ihre gemeinsame Geschichte beinahe absurd auf ihn. Hatten sie sich von Beginn an eher gehasst, als gemocht und war Taehyung doch bereits so oft, viel zu unfair zu ihm gewesen. Es schien, als hätte er einen wild gewordenen Löwen gezähmt und tatsächlich drang ein amüsiertes Lachen über Jungkooks Lippen, als er das leise, regelmäßige Schnarchen seines ehemaligen Chefs vernahm.
Völlig friedlich, die Lippen ein wenig geöffnet, war er in der prallen Sonne eingeschlafen und Jungkook kämpfte eine ganze Weile gegen den Drang an, mit seinen Fingern dem kleinen Schweißtropfen zu folgen, der sich irgendwo in Taehyungs Hemdausschnitt verirrt hatte.
Provozierend stand es zwei Knöpfe weit offen und ließ den Blick auf einen trainierten Brustansatz zu. Einige, feine Haare bespickten die helle Haut und die Brust des schlafenden Mannes hob und senkte sich regelmäßig. Details, von denen Jungkook sonst eher kein Zeuge wurde, obwohl er Taehyungs Körper mindestens genauso stark begehrte, wie es andersherum der Fall war.
Mit einem frustrierten Seufzen zog er seine neugierigen Finger zurück und bettete stattdessen das Gänseblümchen auf das entblößte Schlüsselbein des attraktiven Millionärs.
Erst ein entferntes Donnergrollen setzte der friedlichen Idylle ein Ende.
Als wüssten die Zikaden und Frösche, welche sich im umliegenden Gras und im Meteoritenkrater befanden Bescheid, verstummten sie mit den ersten, dunklen Regenwolken, welche sich immer imposanter in die Weiten des Himmels türmten.
Die Atmosphäre schien sich spannungsbeladen zu Biegen, als der aufkommende Wind den Duft von Sommerregen über die Wiese jagte und verunsichert zupfte Jungkook an Taehyuns Hand.
Verschlafen öffnete dieser die müden Augen und setzte sich ein Stück auf. Unbeachtet verschwand das Gänseblümchen im hohen Gras, während Taehyung besorgt in den Himmel sah.
„Wir sollten ins Auto.“, merkte er murmelnd an und unterdrückte ein Gähnen.
Leise hauchte er dem jüngeren ein paar kleine Küsse auf das dunkle Haar, ehe er sich aufrappelte.
Die ersten Regentropfen fielen leise, zersprangen auf den sommerlichen Blumen und Taehyungs weißem Hemd.
Kichernd über die kitzelnden Tropfen auf der sonnenerwärmten Haut ergriff Jungkook die Hand, welche ihn auf die Beine ziehen sollte, doch genau in diesem Moment, krachte der Donner so ohrenbetäubend über ihnen ein, dass Taehyung erschrocken das Gleichgewicht verlor und sich gerade noch auf beiden Händen abfangen konnte, als er auf Jungkooks schmalen Körper plumpste.
Verwirrt entschuldigte er sich leise und allein die Verlegenheit in Taehyungs viel zu ernstem Gesicht, brachte Jungkook laut zum Lachen.
Immer mehr Regentropfen prasselten auf ihre Köpfe ein, während sie inmitten der Wiese lagen und vor sich hin kicherten.
Noch nie war Jungkook derart gelöst und glücklich gewesen, oder hätte von ganzem Herzen behaupten können, dass er genau da war, wo er sein wollte. Egal ob es regnete, egal ob ihre gemeinsame, freie Zeit nicht unendlich andauern würde und egal was beide in ihrer Vergangenheit erlebt hatte. Alles schien sich zum Guten zu wenden.
So bemerkte keiner der beiden das erhellte Display Jungkooks Smartphone, als sie völlig außer Atem an Taehyungs schickem Wagen ankamen. Oder den weiteren, eingehenden Anruf, als sie im luxuriösen Loft angekommen waren und Jungkook nur unter Protest zuließ, sich die Haare von seinem Gegenüber trocken rubbeln zu lassen.
Bestürzt sah Taehyung ihm nach, als es diesem letztlich zu bunt wurde und er das Handtuch in Beschlag nahm. Kichernd rannte er, das Handtuch an seine Brust gepresst, klitschnass durch die Wohnung und legte noch einen Zahn zu, als ein Blick über seine Schulter ihm verriet, dass der ältere ihm dicht auf den Fersen war.
Weit kam er jedoch nicht.
Mit einem dunklen Laut der Empörung packte Taehyung ihn an der Hüfte, warf ihn sich trotz wildem Gestrampel über die Schulter und trug ihn in sein Schlafzimmer.
Der Sommerregen vor dem weit geöffneten Fenster, verbreitete den aromatischen Duft nach nassem Asphalt und lediglich die erleuchteten Fenster Seouls Skyline und entferntes Wetterleuchten, erhellten den edel eingerichteten Raum.
Die weißen, leichten Gardienen wogen sanft hin und her und in dem Moment, als Jungkook in die Leinenkissen des fremden Bettes einsank, umhüllte ihn Taehyungs unverwechselbar männlicher Duft.
Außer Atem beobachtete er, wie Taehyung dominant auf ihn kletterte, und ihm das Handtuch entwendete.
„Hab ich dich.“, raunte er leise und sofort machte Jungkooks Herz einen beachtlichen Sprung unter dem intensiven Blick und der tiefen Stimme.
„Tae…“, raunte er andächtig, doch der Spitzname ging im weichen Stoff des Handtuches unter, welches erneut, neckisch über sein nasses Haar gerubbelt wurde.
„Argh! Jetzt… hör mir zu.“
Widerspenstig zog er sich das Handtuch vom Kopf und umfasste bestimmend die Handgelenke seines Gegenübers.
„Hm?“, brummte dieser und runzelte besorgt die Stirn.
„Ich liebe dich!“
Einen Moment lang, war es gänzlich still im halb dunklen Schlafzimmer. Lediglich der Regen und die entfernten Stadtgeräusche drangen an das Bett heran, doch schließlich huschte ein verlegenes Schmunzeln über Taehyungs Lippen und eilig senkte er den Kopf.
„Flirtest du etwas mit mir, Jeon Jungkook?“
Einige Tropfen aus Taehyungs nassem Haar lösten sich, tropften auf Jungkooks Hals und ließen ihn erschaudern. Interessiert musterte er die, beinahe schüchterne Reaktion seines, sonst so abgebrühtem Gegenübers und hob überrascht eine Augenbraue.
„Wäre das denn so fatal, Mister Kim?“, flüsterte er und schenkte ihm einen liebevollen Augenaufschlag, ehe er beide Hände in Taehyungs Nacken verschränkte und ihn langsam zu sich hinunter zog.
Liebevoll legte er die Lippen auf die vor sich und keuchte leise auf, als sich der schwere Körper auf ihm absenkte und Jungkook nur noch tiefer in den duftenden Kissen versank.

BLACK POISON [TaeKook] Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt