🥊 8

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>>Eli <<

Kennt Ihr das Gefühl, wenn es einem so vorkommt als vergehe die Zeit überhaupt nicht? Ja? Gut, dann könnt Ihr Euch ja vorstellen, wie ich mich das ganze Wochenende über gefühlt hatte. Egal was ich versucht hatte, um mich abzulenken und nicht mehr an Rasmus und seinen Selbstverteidigungskurs zu denken, nichts hatte funktioniert.

Ich saß in einem kleinen Raum, der zum Dachboden in dem Haus meiner Familie gehörte, wo ich meine Leinwand, all die Farben, Pinsel, Kohle und was mein Vater mir sonst noch alles gekauft hatte, um meine Leidenschaft zu unterstützen, unterstellen konnte. Für einige Leute, die meinen Vater gut kannten und wussten, wie gnadenlos und skrupellos er sein konnte, wäre es befremdlich gewesen, wenn sie gewusst hätten, wie besorgt und fürsorglich er sein konnte. Er hatte uns mit Strenge erzogen, denn er wollte, dass wir später erfolgreich wurden und ein gutes Leben führen konnten. Auf der anderen Seite war er auch sehr liebevoll gewesen. Ja, wir hatten Angestellte, die sich um jede Kleinigkeit in unserem Haus kümmerten und die nach uns gesehen hatten, wenn wir krank waren, aber auch wenn Dad vielbeschäftigt war, kam er doch immer zu uns ans Bett. Er streichelte uns, nahm uns auf den Schoß und kuschelte mit jedem einzelnen Kind. Ihm war durchaus bewusst, dass er Vater und Mutter zugleich für uns war...und er nahm diese Aufgabe wirklich ernst. Ich erinnere mich daran, dass er immer zu Hause war, wenn es Zeit für seine Kinder war ins Bett zu gehen. Und er hatte uns immer eine Gute-Nacht-Geschichte vorgelesen.

Natürlich hatte Laney mich am Freitag noch angerufen, da sie alles über das Kaffee-Date hatte wissen wollen. Ich erzählte ihr nichts von Rasmus' Einladung zu dem Selbstverteidigungskurs, da ich immer noch mit mir selbst gerungen hatte, ob ich wirklich gehen sollte oder nicht. Deacon hingegen hatte ich davon erzählt und wie ich schon erwartet hatte, war er nicht abgeneigt. Allerdings gefiel ihm die Tatsache nicht, dass ich dazu in ein Fitnessstudio gehen wollte, wenn er mir dasselbe zu Hause oder auch im Haus meiner Familie beibringen konnte. Ich hatte ihm erklärt, dass ich mich so wenigstens ein bisschen normal fühlen würde, wenn ich mit anderen Frauen zusammen in einer Gruppe wäre. Er hatte diesen Wunsch verstanden, trotzdem grinste er und zwinkerte mir zu.

„Und es spielt so überhaupt keine Rolle, dass ein junger sehr athletischen Mann diesen Kurs gibt, richtig? Ein Mann, der ganz offensichtlich an dir interessiert ist." Man konnte die Belustigung in seiner Stimme hören.

Ich wusste, dass wenn er Max gewesen wäre, dann wäre er ausgeflippt bei dem Gedanken, dass ich mit einem Fremden einen Selbstverteidigungskurs machte. Einen Fremden, den er noch nicht durchleuchtet hatte. Glücklicherweise war Deacon etwas relaxter in solchen Dingen. Er war wie ein großer Bär! Für mich war er wie ein großer Bruder, sogar mehr als meine eigenen Brüder, was nicht bedeutete, dass ich Nolan und Bryce nicht liebte, denn das tat ich durchaus, aber sie behielten nur selten etwas für sich. Sie diskutierten normalerweise immer alles mit unserem Vater und ich für meinen Teil hatte gern noch das ein oder andere Geheimnis.

Mit schief gelegtem Kopf blickte ich auf die Leinwand und sah mir an, was ich gemalt hatte. Eine Bucht, irgendwo in der Karibik. Menschenleer und türkisfarbenes Wasser so weit das Auge reichte. Je länger ich auf das Bild starrte, umso mehr verlor ich mich in einem Tagtraum an eine einsame Insel. Kilometerlanger Sandstrand und Palmen, die sich dem Meer zuneigten. Fast hatte ich das Gefühl, als könnte ich die leichte Brise spüren, die durch mein Haar und über meine Haut strich. Ich konnte sogar das Salz in der Luft riechen. Wellen umspülten meine nackten Füße, während ich der Sonne dabei zusah, wie sie am Horizont unterging. In der Ferne schrien die Möwen. Keine störenden Stadtgeräusche, wie hupende Taxis oder pöbelnde Radfahrer. Nur die Natur und ich. Ich war so verloren in meiner Fantasie, dass ich die Augen schloss und mir vorstellte, wie sich zwei Arme um meine Taille schlossen und mich sanft gegen eine breite Brust drückten. Warmer Atem strich über meine rechte Schulter und hinauf zu dem ganz speziellen Punkt unterhalb meines Ohres.

Kiss of DarknessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt