Kapitel 24

167 4 1
                                    

Carolines Sicht:
Eine Gänsehaut überzieht mich, als Roman seine Arme von hinten um mich legt und mir den richtigen Griff an der Gitarre zeigt. Seine Nähe vernebelt all meine Sinne und ich bin mir nicht sicher, ob ich mir auch nur ein Wort von dem, was er mir erzählt, merken kann. Er beginnt mir die einzelnen Akkorde zu zeigen und lässt mich dann allein spielen. Also er nennt mir einen Akkord und ich soll dann den richtigen spielen. Das klappt allerdings nur so semigut.
„Warte, ich zeig's dir nochmal", nuschelt Roman lachend durch seinen Mundschutz und nimmt mir die Gitarre vom Schoß.
„Schau hin", fordert er mich auf, ehe er beginnt die Akkorde nacheinander zu spielen.
„Das sieht bei dir so einfach aus", schmolle ich beleidigt.
„Es sieht nicht nur so einfach aus", Roman gibt mir die Gitarre wieder. „Es ist so einfach", zwinkert er mir zu. Ich verdrehe die Augen. Angeber.
Nachdem ich eine Stunde vergeblich versucht habe, mir die richtigen Griffe für die Akkorde zu merken, lege ich die Gitarre erschöpft beiseite und lasse mich daneben auf die Matratze fallen. „Erzähl mir was über dich. Wie kamst du zur Musik?", frage ich Roman neugierig.
Er legt sich neben mich und ich drehe mich so zur Seite, dass ich sein Gesicht betrachten kann. Wieso ist er nur so hübsch?
„Ich habe schon immer gern Musik gemacht. Schon im Kinderzimmer fing ich mit meinem Bruder an, Konzerte zu spielen. Wir haben uns immer Töpfe und alles mögliche genommen, um Instrumente daraus zu machen und dann haben wir einfach gesungen und dazu „Krach" gemacht - so haben unsere Eltern das zumindest immer beschrieben", fängt Roman schmunzelnd zu erzählen an - ich kann es in seinen strahlenden Augen erkennen wie er lächelt...
Ich stelle mir eine Miniversion von Roman vor, die auf Töpfen rumhämmert und irgendwelche Wörter vor sich hin schmettert. Ein Kichern verlässt bei dieser Vorstellung meinen Mund, worauf Romans Schmunzeln sich zu einem Grinsen verzieht. „Lach nicht, das war wirklich so", beteuert er stolz.
„Ja ok, aber solche Kinderzimmerkonzerte hat jeder mal gegeben. Da muss doch noch mehr sein", komme ich zurück zu meiner Frage. Ich will eigentlich nur auf seinen YouTube Kanal hinaus. Wenn er mir vertraut, müsste er sowas erzählen...
„Da hast du vielleicht Recht... Aber nicht jeder bleibt dabei und tut etwas für diesen Wunsch. Ich bin mit sieben Jahren zu meinen Eltern gegangen und hab sie gebeten, mich beim Gitarrenunterricht anzumelden. Nach zwei Stunden hatte ich aber schon keine Lust mehr, fand den Lehrer scheiße. Also hab ich mir das Spielen mit Hilfe von Videos selber beigebracht. Das hat mich ein halbes Jahr gekostet. Heiko hat kein Instrument gelernt, aber wir haben uns trotzdem fast täglich zusammengesetzt und aktuelle Lieder gesungen...", Roman schwelgt in seinen Erinnerungen.
„Wow, das nenn ich Ehrgeiz", flüster ich.
Roman nickt und erzählt weiter: „Wir verfolgten lange den Traum, mit der Musik erfolgreich zu werden. Mit zehn Jahren nahm ich am Kiddy Contest teil und gewann sogar, das war für mich der erste Erfolg und ich wollte mehr. Ich nahm an weiteren Wettbewerben teil, doch ich gewann keinen davon. In dieser Zeit war ich wie besessen von dem Scheiß. Erst Heiko hat mich wieder auf den Boden der Tatsachen gezogen. Wir wollten GEMEINSAM Musik machen und niemals den Spaß daran verlieren. Also konzentrierte ich mich wieder mehr auf ihn und unser eigentliches Ziel. Wenige Monate später haben wir uns dazu entschieden, einen YouTube Kanal zu eröffnen, wo wir Songs covern und parodieren wollten. Das war die beste, aber auch die dümmste Entscheidung unseres Lebens."
Mein Blick musste genau das ausdrücken, was ich dachte. Wieso?
„Es ist eine Sache, privat Musik zu machen. Aber auf einer Plattform wie YouTube gerät einiges manchmal ziemlich schnell aus dem Ruder. Wir wurden häufig geklickt, bei uns zuhause kannte uns plötzlich jeder. Wirklich jeder. Wir konnten die letzten Monate nicht mal mehr rausgehen, ohne von „Fans" oder gar Reportern angehalten zu werden. Wir haben uns selbst verloren, verstehst du? Heiko hatte häufig Streit mit seiner Freundin, ich hatte nicht mal Zeit, mich auf eine Beziehung einzulassen und Heiko und ich sprachen über nichts anderes mehr als unseren Kanal. Das wollten wir nicht mehr, dieses Leben passte einfach nicht zu uns. Deswegen sind wir hierher in dieses kleine, unscheinbare Dorf gezogen. Wir haben den YouTube Kanal geschlossen und uns auf ein normales Leben geeinigt. Ein Leben, in dem wir wir selbst sein können und die Musik ein einfaches Hobby bleibt", erklärt Roman, der meinen Blick wohl gut deuten konnte.
„Wow", murmel ich überwältigt. „Du hast mehr erlebt, als ich es je könnte." Und das war leider nicht einfach nur daher gesagt...

The Destiny in your eyesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt