Kapitel 6 ✔️

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Den Rest des Wochenendes verbrachte ich mit gemischten Gefühlen auf meinem Zimmer. Die Umarmung hatte sich himmlisch angefühlt. Zu gerne wäre ich länger bei ihm geblieben. Doch Luke brachte uns gleich nach dem Vorfall zu Ashleys Haus. Steffi wurde der Party verwiesen, wir somit ebenfalls. Die glorreichen Sieben erklärten meine beste Freundin kurzerhand zur unerwünschten Person. Ich verübelte es ihnen nicht. Ihr Verhalten der Indianerin gegenüber hatte mich erschreckt. Das war nicht das Mädchen, mit dem ich einen Großteil meiner Kindheit und Jugend verbracht hatte. Ich schüttelte den Kopf. Wieso hatte sie sich so verändert? Meine Gedanken wanderten weiter zu Ashley. Diese hockte stocksauer auf ihrem Zimmer, weil der Rausschmiss ihre Chancen bei Takoda noch mehr ruinierte, wenn sie denn überhaupt welche hatte. Das Leben war kompliziert. Ich versuchte, in Ruhe etwas Mathe zu lernen, doch Steffi stürmte erneut herein.

„Ich sollte ihn anzeigen", schrie sie, als sie mich zum fünften Mal störte. Ich klappte das Buch zu, sah mit zusammengekniffenen Augen zu ihr.

„Ich dachte, das Thema hatten wir schon. Du hast ihn zuerst angegriffen und er hat sich gewehrt. Was meinst du, was die Polizei zu diesem Sachverhalt sagen wird?"

„Du solltest gefälligst zu mir halten!", kreischte sie so laut wie eine rollige Katze. „Hast du etwa etwas mit diesem Arschloch?"

„Nein, habe ich nicht." Ich seufzte leise. Zum Glück hatte Luke sie aus der Küche geschafft, bevor der Chief mich in den Arm nahm. „Ich versuche dir nur zu erklären, dass er auf Notwehr plädieren würde." Genug Zeugen hatte er ja.

„Aber er hat mich zuerst gepackt", versuchte sie sich zu verteidigen.

„Und du bist ihn direkt mit einem Messer angegangen. Er war da noch unbewaffnet," konterte ich. „Lässt du mich bitte weiterlernen. Wir hatten dieses Gespräch heute schon fünf Mal. Mit vergangener Nacht sogar sechs Mal."

„Ich sehe schon, du willst nicht mehr meine Freundin sein." Tränen rannen über ihre Wangen, sie stürmte aus dem Zimmer. Auch nicht zum ersten Mal heute. Seufzend wandte ich mich dem Mathebuch zu. Morgen hatten wir wieder Unterricht und ich befürchtete das Schlimmste, aber nicht in Bezug auf Mathe.

Am nächsten Tag fuhren nur Ashley und ich zur Schule. Wir hatten zusammen Steffi überredet, sich für eine Woche krankschreiben zu lassen. So bekam sie Zeit, etwas abzukühlen, und Takoda würde es ebenfalls guttun, nicht ständig mit ihr aneinanderzugeraten. Der Vormittag verlief entspannt. Ich befestigte an Takodas Spind klammheimlich einen Zettel mit den zwölf Tugenden der Lakota.

Unsiiciyapi - Bescheidenheit. Es hieß, dass ein selbstherrlicher Mann oftmals stolperte, weil er sich erhobenen Hauptes im Ruhme des Augenblicks sonnte, statt auf das zu achten, was auf seinem Weg vor ihm lag. Der bescheidene Krieger kam eher selten ins Straucheln, da er sich auf seinen Pfad, sein Selbst konzentrierte.

Wowacintanka - Beharrlichkeit. Wie aussichtslos eine Lage schien, die Lakota gaben niemals auf. Wie der stete Tropfen, der den Stein aushöhlte, kämpften sie für die Sicherheit ihres Stammes.

Wawoohola - Respekt. Menschen zu achten, vor allem Ältere und die von ihnen erlangte Weisheit, nahm einen hohen Stellenwert bei den Indianern ein. Die Lektionen der Dorfältesten sorgten für das Überleben der Jüngeren. Doch sie respektierten nicht nur ihre Mitmenschen, sondern ebenfalls ihre Umwelt und die Tiere.

Wayuonihan – Ehre. Ehrenvolles Verhalten war bei den Lakota hoch angesehen. Selbst wenn es zur Folge hatte, sich für das Wohl des Stammes zu opfern.

Cantognake – Liebe. Jemanden ins Herz zu schließen, bedeutete manchmal ein gebrochenes Herz. Dennoch verhielt man sich respektvoll, auch aus Liebe zum Volk.

Icicupi – Aufopferung. Für Lakota gehörte es sich, für das Wohl der Gruppe sich selbst oder etwas zu opfern. Das eigene Glück rückte für das Gemeinwohl in den Hintergrund.

Ein Jahr in Rapid CityWo Geschichten leben. Entdecke jetzt