Kapitel 51 ✔️

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PoV Takoda

Zusammen mit Otaktay ritt ich über die Prärie. Matȟó-glešká hatte uns begleiten wollen, doch hatte ich sein Angebot abgelehnt. Es war ungewöhnlich, dass junge Männer wie wir zu einem fremden Stamm ritten. Meist schickten die Häuptlinge ältere, erfahrenere Krieger los, doch Vater hatte stolz den Ältestenrat überzeugt, dass es meine Idee und somit meine Aufgabe war. Ich war mir der immensen Verantwortung, die damit einherging, mehr als bewusst. Es war die Chance, meinem Volk zu zeigen, dass ich über genug diplomatisches Geschick verfügte, um später das Amt des Friedenshäuptlings zu übernehmen. Andererseits wünschte ich mir sehnlichst, ein Kriegshäuptling zu werden. Dasselbe Amt, das mein bester Freund ebenfalls anstrebte.

Was, wenn ich versagte? Wenn es sich herausstellte, dass mir Diplomatie nicht lag? Durch meine erste unfreiwillige Zeitreise hatte ich immer kämpfen müssen. Zuerst gegen den Rest der glorreichen Sieben, dann gegen vorurteilsbehaftete Mitschüler. Immer hatte ich auf meine Kraft oder die meiner Freunde gesetzt, statt meine Intelligenz zu nutzen. Erst durch Anna hatte ich mich verändert. War ich zu weich für diese Zeit und die Ansprüche an mich? Ich seufzte leise und richtete meine Aufmerksamkeit wieder auf das schier endlose Gräsermeer vor uns.

„Sorgst du dich wegen der Šahíyela?" Wie immer las er es mir am Gesicht ab, was mich beschäftigte. Kein Wunder waren wir doch bis zu meinem Verschwinden zusammen aufgewachsen.

„Ja. Was, wenn ich sie nicht überzeugen kann, sich mit uns gegen die bevorstehenden Gefahren zu verbünden?" Verdammt. Seit wann hatte ich so viele Selbstzweifel?

„Wenn sie nicht interessiert sind, versuchen wir es bei einer anderen Gruppe", erwiderte mein Freund seelenruhig. „Sowohl du als auch deine Frau sehen ein Bündnis mit anderen Stämmen als notwendig an. Ihr wisst, wie das Volk deiner Frau ist. Du sagtest, dass diese hellhäutigen Menschen dort, wo die Sonne aufgeht, bereits Stämme vertrieben oder getötet haben. Vielleicht ist dieses Wissen zu den Šahíyela vorgedrungen oder stammen sie, so wie unser Volk aus einem anderen Gebiet, und mussten weiterziehen." Er sprach mit einer Ruhe und Sachlichkeit, um die ich ihn beneidete. Im einundzwanzigsten Jahrhundert waren das auch meine herausragenden Charaktereigenschaften. Doch jetzt?

Während wir schweigend weiterritten, überlegte ich. Annas Entführung und die Geburt unseres Sohnes hatten mich verändert, stellte ich nüchtern fest. Ich war emotionaler, weicher. Meine Risikobereitschaft war gesunken, aus Angst, meine Familie zu verlieren.

Frustriert atmete ich aus. In dieser Zeit war es notwendig, mal ein Risiko einzugehen. Was mich wieder zu unserem Trip zum Dorf der Cheyenne brachte. Als wir bei dem kurzen Aufeinandertreffen miteinander geredet hatten, waren wir von einigen Kriegern misstrauisch beäugt worden. Zugegeben, von Lakotaseite hatte es womöglich ähnlich feindselige Blicke gehagelt. Wie zog ich sie auf unsere Seite, überzeugte sie von einer Zusammenarbeit?

Verdammt, mir fehlten ein paar Jahre Erfahrung. Ich wusste, wie man an einer amerikanischen High-School überlebte und zum Mädchenschwarm avancierte. Dadurch fehlten mir aber die Beobachtungen, die ich in der Zeit bei Besprechungen meines Vaters mit unserem Ältestenrat oder den Häuptlingen anderer Gruppen erworben hätte. Auf was für einen Mist hatte ich mich nur eingelassen?

Andererseits, mit etwas Glück hatte mein Kumpel damit recht, dass die Cheyenne schon von unseren zukünftigen Feinden erfahren hatten. Ich richtete den Blick auf den Horizont. Bald erfuhr ich es, denn in der Ferne ragten die Zelte der fremden Krieger empor. Es dauerte nicht lange und einige Cheyennekrieger ritten uns entgegen.

Hotuaekhaashtait, Großer Bulle, der Friedenhäuptling dieser Cheyenne-Gruppe begrüßte uns freundlich, als wir in Begleitung mehrerer seiner Krieger die Mitte des Dorfes erreichten. So wie bei den Lakota hatten Zelte aus Büffelleder die alten Hütten ersetzt. Wie wir verfügten sie über Pferde, die ihnen die Jagd auf Bisons vereinfachten und ich ließ meinen Blick anerkennend über die Herde gleiten. Wenn ich mich nicht täuschte, besaßen sie mehr Tiere als wir. Daher stellte ich die Vermutung auf, dass zumindest die Möglichkeit bestand, dass sie zuvor auf Weiße getroffen waren.

Ein Jahr in Rapid CityWo Geschichten leben. Entdecke jetzt