„Sag mal Anna, kannst du nicht bei Jake ein gutes Wort für uns einlegen?" Ashley spielte nervös mit einer Haarsträhne und biss sich auf die Unterlippe. Sie war ein einziges Wrack, seitdem sie sich den Jungs nicht nähern durfte.
„Ich dachte, ihr wolltet erst einmal nichts mit dem Chief und seinen Kriegern zu tun haben." Ich seufzte leise. Wieso sprach sie nicht selbst mit ihnen, statt mich vorzuschicken? Nicht, dass ich vorhatte, irgendwen auf das Thema anzusprechen.
„Naja, die anderen Mädchen nicht," druckste sie herum, „aber du weißt doch, wie sehr ich Takoda mag." Sie sah mich bittend an, mit einem entzückenden Welpenblick, doch ich schüttelte mal wieder den Kopf. Wenn das so weiterging, würde ich Physiotherapie brauchen, weil ich aus dem Kopfschütteln nicht mehr herauskam.
„Der Chief mag mich auch nicht. Du weißt warum." Ich warf einen Blick zu Steffi, die sich aufs Sofa verkrümelt hatte und ein Kissen schon krampfhaft vor ihrer Brust festhielt. Nachdem sie von der Auseinandersetzung in der Schule gehört hatte, hatte sie wie zu erwarten sofort Luke geschrieben. Ob er nicht Lust hatte, zu uns zum Reden rüberzukommen. Die Antwort war wenig ermutigend. Was sie sich überhaupt einbildete. Erst verletzte sie Takoda, dann hetzte sie die Cheerleader gegen die Jungs auf. Blablabla. Seitdem verharrte sie in einer Art Schockstarre auf dem Sofa, aus der nicht einmal ich sie herausbekommen hatte. Alles gutgemeinte Zureden half nicht. Sie war so hoffnungslos in Luke verknallt, dass sie die momentane Situation für das Ende der Welt hielt. Hatte sie völlig vergessen, dass wir nach dem Schuljahr zurück nach Deutschland flogen?
„Mädels, die werden sich schon wieder einkriegen. Ihr habt doch selbst gesagt, dass die Partys ohne euch einschläfernd sind. Dann werden die Jungs bald ihre Meinung ändern." Versuchte mein Bestes, die beiden Trauerklöße aufzuheitern, nur drang ich nicht zu ihnen durch. Wenn sie unbedingt im Selbstmitleid versumpfen wollten, war es mir recht. Hauptsache, sie ließen mich in Ruhe und erwarteten nicht von mir, dass ich ihre Probleme löste. Der Auftrag, mit Jake zu flirten, reichte völlig. Schulterzuckend verzog ich mich in mein Zimmer.
Die nächsten Tage gab es kein bisschen Kontakt zwischen den glorreichen Sieben und den Cheerleadern. Man ging sich aus dem Weg, wodurch es zu keinerlei Auseinandersetzung kam. Takoda schien die Situation zu genießen. Endlich wurde er nicht mehr von Steffi blöd angemacht und Ashley versuchte nicht, seine Aufmerksamkeit zu erhaschen. Dies hatte zur Folge, dass er mich ebenfalls in Ruhe ließ. So sehr ich seine negativen Kommentare über Steffi hasste, so sehr fehlte mir die gelegentliche Nähe zwischen uns. Nicht mal bei Kunst saß er noch neben mir, sondern mit Luke zusammen.
Zurzeit hatten wir die Aufgabe, ein normales Gemälde im Stil des Kubismus malen. Ich hatte mir dafür die Kartenspieler von Paul Cézanne ausgesucht, weil die späteren Fassungen davon zu den Wegbereitern dieser Stilrichtung zählten. Takodas Wahl hatte Aufsehen erregt. Ein Gemälde, auf dem ein Krieger hoch zu Ross bei der Büffeljagd dargestellt war. Im ersten Schritt hatte er es einmal komplett nachgezeichnet. Es verblüffte mich, wie detailgetreu die Zeichnung war. Sein Talent zeigte, dass er kein Bad Boy war, der sich für nichts anderes als Partys, Mädchen und Sport interessierte. Tiffany hatte zu meinem Bedauern wieder gegen ihn gehetzt, weil er kein anderes Motiv genommen hatte. Dass er durch und durch ein Wilder war. Erstaunlicherweise war es komplett an ihm abgeprallt. Nicht mal mit einer Wimper hatte er gezuckt. Sie und ihre boshaften Kommentare existierten für ihn nicht. Es gefiel mir, dass er sich nicht mehr provozieren ließ. Steffi hielt sogar in seiner Anwesenheit die Klappe. Hatte wohl Angst, ihren geliebten Luke weiter zu verärgern.
Ach ja, die Jungs. Mir gegenüber verhielten sie sich neutral. Kein absichtliches Ignorieren, keine fiesen Sprüche. Ich existierte, aber damit war schon alles gesagt. Mit den Cheerleadern erging es mir nicht anders. Entweder waren sie sauer, weil ich kein gutes Wort bei Jake für sie eingelegt hatte, oder ich war ihnen doch zu sehr ein überflüssiger Nerd. Bei eben diesen hielt ich mich daher die meiste Zeit auf, da selbst meine beste Freundin mich kaum eines Blickes würdigte. Doch das würde sich ändern, sowie wir wieder zu Hause ankamen. Sie tat es mit Sicherheit nur, um bei den Mädchen nicht in Ungnade zu fallen. Sie würde mich niemals im Stich lassen.
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Ein Jahr in Rapid City
Historical FictionAnna und Steffi, zwei Freundinnen von Kindesbeinen an, wechseln für ein Jahr an eine amerikanische Highschool. Dort läuft allerdings nicht alles so glatt, wie sie es sich vorgestellt hatten. Dabei wird ihre Freundschaft mehr als einmal auf die Probe...