Kapitel 33 ✔️

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Grinsend schüttelte ich die Betten aus, rollte sie zusammen und verstaute sie auf dem Travois. Alle Familien waren damit beschäftigt, ihre Zelte wortwörtlich abzubrechen und ihre Habseligkeiten zu verstauen. Ein emsiges Treiben herrschte. Während wir Frauen alles für die Reise zu den Büffeln vorbereiteten, tobten die Kinder wild umher. Dennoch schrie niemand sie an, selbst wenn sie zuweilen Chaos verursachten. Trotz dieser freien Erziehung waren sie höflicher und respektvoller als Kinder der Neuzeit.

Um Kinder zu erziehen, braucht es ein ganzes Dorf.

Dieses afrikanische Sprichwort hatte ich in meiner Zeit oft gehört. Doch erst hier verstand ich, was es in Wirklichkeit bedeutete. Mütter und Großmütter passten nicht nur auf die Kinder ihrer eigenen Familie auf, sondern jeder achtete auf jeden. Dieses Miteinander zauberte mir erneut ein Lächeln aufs Gesicht, obwohl ich mich gerade vergeblich damit abmühte, die Zeltplane fachgerecht zusammenzulegen. Immer war mir der Haufen, der entstand, zu groß. Stilles Wasser beobachtete still meine Bemühungen, dann bot mir ihre Hilfe an. Sie legte die Plane langsam vor meinen Augen zusammen, damit ich mir die Schritte merkte. Am Ende lag ein handliches Paket vor mir. Ich bedankte mich und verpackte die restlichen Sachen auf dem Travois. Meine Schwiegermama war natürlich schon fertig. Ich spürte ihren Blick auf mir. Nicht das erste Mal seit dem Vortag, nachdem Takoda und ich wieder zurück ins Dorf gekommen waren. Sie bemerkte vermutlich, dass wir seitdem entspannter waren. Nach der Aktion auch kein Wunder. Zum Glück hatte uns niemand am Fluss erwischt. Das hätte ich oberpeinlich gefunden. Geschickt befestigte ich den letzten Rest unseres Gepäcks. Jetzt brauchte ich nur noch meine Stute von der Herde zu holen. Gerade als mich in die Richtung zum Gehen wenden wollte, stupste mir jemand an die Schulter. Ich drehte mich abrupt um und starrte direkt auf meine weiße Stute. Takoda hielt sie am Zügel.

„Ich dachte ich bring sie dir schon mal. Es wird ein langer Ritt." Sein Blick glitt über die zwei Packpferde. „Brauchst du beim Zug Hilfe? Immerhin ist das für dich das erste Mal, dass du daran teilnimmst. Wenn du möchtest, dann bitte ich meinen Vater, dass ich hier mitreite."

„Lass nur. Das schaffe ich schon. Dein Vater hat dich zur Bewachung eingeteilt, da will ich ihm nicht dazwischenfunken."

Er nickte und ich drehte mich von ihm weg, weil ich aufsitzen wollte. Im nächsten Moment saß ich auf dem Pferderücken, aber nicht aus eigener Kraft. „Hey, ich hätte das auch allein geschafft", murrte ich.

„Ich weiß, aber ich wollte die Chance, dich wenigstens kurz halten zu dürfen, ausnutzen." Mein Mann grinste mich frech an und verschwand dann wieder zu den anderen Kriegern, nachdem er mir die Leinen unserer Pferde in die Hand gedrückt hatte.

„Hoffentlich schaffe ich das", murmelte ich. Die Packpferde waren zwar brav, doch an ihnen hingen auch die beiden Wildpferde. Obwohl sie sich friedlich verhielten, wollten wir es nicht riskieren, dass sie in einem unbewachten Moment abhauten.

Ich schaute zu meiner Freundin rüber. Schwarzer Schmetterling hatte das Pech laufen und dabei ein Packpferd führen zu müssen. Ebenfalls mit Wildpferd dran festgebunden. Denn Otaktay hatte keine Zeit, auf seine neue Stute selbst aufzupassen, und vertraute sie deswegen seiner Cousine an. Wenn meine zweite Stute brav genug war, dann würde ich sie ihr für die Reisen leihen. Es tat mir leid für sie, dass sie im Gegensatz zu mir nicht reiten durfte. Doch so viele Pferde besaß ihre Familie nicht.

Als ich mich gerade umdrehte, um den langen Zug, der sich langsam formte, zu betrachten, kam Matȟó angeritten. Er führte ein zweites Pferd mit, auf das er meine Freundin hob. Dann ritt er wieder davon. Schwarzer Schmetterling bemerkte meinen verdutzten Blick und lächelte mir glücklich zu. Aus dem Augenwinkel sah ich, dass ihr Vater die ganze Sache beobachtet hatte. An seinem Gesicht konnte ich nichts ablesen. Ich hoffte inständig, dass er sich für Matȟó als Schwiegersohn entscheiden würde. Nicht für Kleiner Fuchs, der ebenfalls um die Hand meiner Freundin warb. Der Bär passte besser zu ihr. Er war entspannter, sanftmütiger, gemütlicher, während der Fuchs eher ein Draufgänger war. Ich mochte Letzteren nicht so sonderlich. Auch, weil er nicht zum engen Freundeskreis meines Mannes zählte. Mir gegenüber war er zwar stets höflich, dennoch gefiel er mir nicht. Vielleicht, weil er mich an einen von Steffis Exfreunden erinnerte. Der hatte sich auch immer für den Größten gehalten und sich auf gefährliche Aktionen eingelassen. Und Kleiner Fuchs war genauso töricht meiner Meinung nach.

Ein Jahr in Rapid CityWo Geschichten leben. Entdecke jetzt