Entspannt hockte ich neben Stilles Wasser und gerbte eine Hirschhaut. Takoda hatte den Hirsch erlegt, bevor er mit Otaktay aufgebrochen war. Mein Sohn saß in der Zwischenzeit bei seinem Großvater, der begeistert mit ihm rumalberte. Der Häuptling schnitt Grimassen, schnalzte mit der Zunge oder schaukelte seinen Enkel auf den Knien. Das Kind krähte vergnügt. Schwiegermama warf mir belustigte Blicke zu. Ich schüttelte genauso grinsend den Kopf, widmete mich dann aber wieder der Arbeit. Das Familienleben hier gefiel mir trotz aller Widrigkeiten und Gefahren weitaus besser als in meinem alten Leben. Nie wieder wollte ich mich dem Stress der Neuzeit aussetzen. Dann lieber die Gefahr eines feindlichen Übergriffs hinnehmen.
Gelassen arbeitete ich weiter. Ich plante, aus dem Leder für meinen Mann ein Kriegshemd herzustellen, obwohl es mir ein wenig davor graute, womöglich Menschenhaare zur Verzierung nehmen zu müssen. Andererseits, warum sollte ich da noch einen Unterschied machen? Ob Tierhaare oder Menschenhaare. Es gehörte zu diesem Leben dazu, alles zu verwenden. Ekel und Gewissensbisse waren da fehl am Platz.
Aufgeregte Schreie hallten durch das Dorf. Doch dieses Mal wiesen sie nicht auf einen Angriff hin, sondern hatte es einen erfreulichen Grund, wie ich grinsend feststellte. Schnell rappelte ich mich auf, schnappte mein Kind, und rannte mit den anderen Frauen zum Dorfrand. Ich verzichtete darauf, meinen Sohn auf das Wiegenbrett zu fesseln. Stattdessen hielt ich ihn sicher in den Armen, damit sein Vater ihn sofort begrüßen konnte, sollte er dafür eine Chance bekommen. Denn jeder brannte darauf, zu erfahren, ob die beiden Krieger erfolgreich heimkehrten oder ob die Cheyenne unser Ansuchen abgelehnt hatten.
Die zwei Männer ritten erhobenen Hauptes auf uns zu. Mein Herz machte vor Freude einen Sprung. Sowohl Takoda als auch Otaktay sahen unversehrt aus. Das war in meinen Augen das Wichtigste. Etwas schräg hinter ihnen erkannte ich eine Gestalt auf dem Packpferd. Lange blonde Haare zu Zöpfen geflochten und den Kopf gesenkt saß sie da. Egal ob sie Sarah oder eine entführte Siedlerin war, mein Brustkorb zog sich bei ihrem Anblick zusammen. Erst hatte sie gegen ihren Willen, zumindest nahm ich das an, bei den Cheyenne gesessen. Dann landete sie im nächsten Dorf, ohne dass sie den Grund dafür verstand. Das schrille Trillern der Lakota tat vermutlich sein Übriges. Am liebsten hätte ich sie mir direkt geschnappt und in meinem Tipi in Sicherheit gebracht, damit sie erst einmal in Ruhe ankommen konnte. Das musste alles überwältigend für sie sein.
Mein Magen krampfte sich kurz zusammen, als ich an die Ankunft im Dorf der Crow zurückdachte. Ohne Shishiesh wäre ich damals durchgedreht. Immerhin hatte er direkt mit mir auf Englisch gesprochen, wodurch ich mich etwas sicherer gefühlt hatte. Daher sah ich es als meine Aufgabe an, der Fremden zu helfen, damit sie sich bei uns wohlfühlte. Doch erst kam mein Mann breit grinsend auf mich zu, begrüßte allerdings nur unseren Sohn mit Kuscheln, da es bei den Lakota unüblich war, Zuneigung in der Öffentlichkeit zu zeigen.
„Ich bin froh, dass du wohlbehalten heimgekehrt bist", begrüßte ich ihn strahlend.
„Unsere Reise war erfolgreich. Die Cheyenne haben uns angehört und wir haben tapfer Seit an Seit mit ihnen gekämpft. Aber das erzähle ich dir später. Mein Vater erwartet meinen Bericht. Kümmere dich bitte um die Frau." Mit einer Kopfbewegung wies er auf die Blondine, die von Otaktay aufgefordert wurde, abzusteigen. Ihre Gesichtsmuskeln zuckten nervös, als sie der Aufforderung nachkam und vom Pferderücken rutschte. Der beste Freund meines Ehemannes packte sie am Arm und führte sie an den wartenden Dorfbewohnern, die die Frau voller Neugierde musterten, vorbei zu mir. Unruhig huschte ihr Blick zwischen meinem Mann, der noch immer unseren Sohn auf dem Arm hielt, und mir hin und her.
„Habe euch vermisst", flüsterte Takoda mir noch auf Englisch zu, bevor er mir das Baby reichte und zusammen mit Otaktay beim Häuptling verschwand. Lächelnd blieb ich mit der Blonden zurück.
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Ein Jahr in Rapid City
Ficção HistóricaAnna und Steffi, zwei Freundinnen von Kindesbeinen an, wechseln für ein Jahr an eine amerikanische Highschool. Dort läuft allerdings nicht alles so glatt, wie sie es sich vorgestellt hatten. Dabei wird ihre Freundschaft mehr als einmal auf die Probe...