Kapitel 24 ✔️

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POV Takoda

Nachdenklich packte ich den großen Treckingrucksack für unseren Ausflug zum Crazy Horse Memorial samt Museum und zu einer kleinen Höhle in der näheren Umgebung, in der man ungewöhnliche Felsformationen vorfand. Jake lenkte wie versprochen Anna ab, damit sie nicht mitbekam, was ich alles einpackte. Ich seufzte. Dämliche Sprüche meiner Mitschüler waren vorprogrammiert, wenn sie den Rucksack sahen. So wie bei den letzten beiden Ausflügen. Doch ich sah nicht ein, unvorbereitet zur Höhle zu fahren. Das eine Mal vor sieben Jahren hatte mir gereicht. Schnell holte ich Annas Sachen aus ihrem Zimmer und legte sie sorgfältig zuoberst in den Rucksack. Hoffentlich hatten die Geister dieses Mal ein Einsehen mit mir. Ich hatte es satt, von meiner Familie und meinem Volk getrennt zu leben. Ich sehnte mich mit jedem Jahr mehr nach ihnen. Mit etwas Glück klappte es heute. Obendrein mit Anna. Ich verschloss den Rucksack und stieg die Treppe hinab. Jake und Anna frühstückten bereits in der Küche. Mein Bruder schob mir den Teller mit Pfannkuchen rüber. Grinste mich dabei vielsagend an.

„Wer weiß, wann du mal wieder welche bekommst." Er kannte als Einziger meine Vergangenheit. Nachdem ich Englisch gelernt hatte, hatte ich ihm alles erzählt. Zuerst hatte er skeptisch abgewehrt. Das nahm ich ihm nicht einmal übel. Denn wer würde schon vorbehaltlos eine Geschichte wie meine glauben? Doch hatte ich es trotz anfänglicher Bedenken erwähnt. Zu ausgeprägt war das Bedürfnis, mit jemandem darüber zu reden. Er war damals als mein neuer Bruder die logische Wahl. Er hatte mich nach einigem Nachdenken darin bestärkt, es sonst niemandem zu erzählen, weil die Leute mich aller Wahrscheinlichkeit nach für verrückt erklärt hätten. Womöglich war ich das auch. Übergeschnappt. Meine Kindheit nur ein Hirngespinst. Eine Selbsttäuschung, die sich in meinem Kopf eingenistet hatte, weil die Wahrheit zu unerträglich war. Aber wenn das der Fall war, woher kamen dann meine Fähigkeiten? Das Wissen über die alten Bräuche und Sitten?

Jetzt machte ich mich schon selbst verrückt. Resignierend schüttelte ich den Kopf. Jake sah besorgt zu mir rüber. Er ahnte vermutlich, worüber ich nachdachte. Dafür kannte er mich zu lange. Ich winkte ab. Anna sollte nichts bemerken. Aber die war selbst tief in Gedanken versunken. Seit Tagen grübelte sie in jeder freien Minute. Es interessierte mich brennend, worüber sie nachdachte, doch ließ ich ihr wie versprochen ihren Freiraum. Sie war emotionaler als sonst. Immer wieder liefen ihr einzelne Tränen über die Wangen, wenn sie sich unbeobachtet fühlte. Weswegen ich sie so oft wie möglich umarmte und sie nur stumm in den Armen hielt. Einziger Vorteil an der Sache war, dass sie momentan gern mit mir kuschelte.

„Erde an Takoda." Jake schnipste vor meiner Nase herum. „Wir sollten mal losfahren."

„Das sollten wir." Ich straffte die Schultern und folgte zum Auto. Auf der Fahrt zur Schule hing jeder seinen eigenen Gedanken nach, wie es schien. Jake starrte stur nach vorne, Anna lehnte den Kopf an das Seitenfenster. Keiner sprach ein Wort. Die Stille war ungewohnt und zugleich bitternotwendig. Was erwartete uns auf dem Schulausflug? Meine Gedanken wanderten ab zur Höhle. Es musste heute einfach klappen.

An der Schule angekommen parkte Jake den Wagen und liefen wir zu unseren Mitschülern. Die Jungs warteten schon. Sie schauten nur kurz auf meinen Trekkingrucksack, dann grinsten sie breit.

„Hey Takoda, willst du das Museum leerräumen oder warum hast du so einen großen Rucksack mit?" Brittany lief spöttisch grinsend an uns vorbei zu den anderen Cheerleadern. Mir fiel auf, dass Ashley und Steffi nicht bei ihnen, sondern etwas entfernt standen. Steffi drehte ihren Kopf in unsere Richtung und suchte Blickkontakt zu Anna. Sofort zog ich diese in meine Arme, so dass sie mit ihrem Rücken zu ihrer ehemaligen Freundin stand. So sensibel, wie sie momentan war, strebte ich danach, eine erneute Konfrontation zwischen den beiden Mädchen zu verhindern. Meine Frau lehnte ihren Kopf an meine Schulter. Einige Minuten verharrten wir so, bis unsere Geschichtslehrerin uns aufforderte, in den bereitstehenden Bus einzusteigen.

Ein Jahr in Rapid CityWo Geschichten leben. Entdecke jetzt