Kapitel 11 ✔️

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Abends ging der Wahnsinn los. Ich lief nach meiner Rückkehr direkt in Steffis Zimmer. Sie lag auf dem Bett, ihre Augen vom Weinen fast komplett zugeschwollen. Langsam setzte ich mich auf den Rand ihrer Matratze und streichelte ihr sanft über ihre Locken. Minutenlang verharrten wir so, bis sie sich aufrichtete und sich in meine Arme warf. Sie zitterte am ganzen Körper.

„Wenn du mit mir reden möchtest, ich bin immer für dich da", flüsterte ich ihr ins Ohr. Sie klammerte sich noch fester an mich, wie eine Ertrinkende.

„Du bist und bleibst meine beste Freundin. Auf dich ist immer Verlass", krächzte sie mit heiserer Stimme. Jetzt war ich wieder gut genug. Im nächsten Moment hätte ich mich am liebsten fast geohrfeigt. Ach Anna, wieso nicht etwas mehr Mitgefühl? Was war in letzter Zeit nur mit mir los, dass ich immer gehässiger über Bemerkungen von Steffi dachte? Klar, ich fühlte mich vernachlässigt, aber zurück in Deutschland würde sich schon alles wieder einrenken.

„Ich habe gehört, dass du wütend von der Party verschwunden bist." Sie ließ mich los, wandte den Blick ab. Was hatten die Jungs nur angestellt? Takoda konnte sie nicht gereizt haben. Der lag die ganze Nacht bei mir im Bett, eng an mich gekuschelt. Meine Wangen kribbelten erst, brannten schnell wie nach einem langen Tag in der Sonne. Auf meiner Lippe knabbernd warf ich einen Blick auf Steffi, aber die nahm mich gar nicht wahr. Sie starrte vor sich an die Wand.

„Ich weiß gar nicht, wie ich anfangen soll", äußerte sie stockend. „Als du weg warst, haben Luke und ich angefangen einander zu küssen. Es war wunderschön." Sie lächelte kurz.

„Dann wurde Luke irgendwann forscher und meinte, er wollte mehr von mir spüren. Du weißt, ich bin nicht prüde. Außerdem wollte ich es auch. Also sind wir hoch in eines der Gästezimmer." Ihre Augen füllten sich wieder mit Tränen.

„Du brauchst es mir nicht zu erzählen, wenn es dich zu sehr aufwühlt." Ich schlang erneut die Arme um sie, streichelte ihr über den Rücken. Mit gemischten Gefühlen nahm ich ihr Zittern wahr. Sie hatte mich vernachlässigt, mich von sich gestoßen, und doch blieb sie meine beste Freundin.

„Doch, ich muss es jetzt loswerden. Auch damit du weißt, was für miese Schweine die glorreichen Sieben sind." Ihre Augen nahmen einen unheimlichen Glanz an. „Jedenfalls hatten wir miteinander Sex. Ja, es hat sich gut angefühlt. Bis zu dem Moment als ich festgestellt habe, dass er mich dabei mit seinem Smartphone gefilmt hat." Ich schluckte. So hatte ich Luke nun wirklich nicht eingeschätzt. „Es war garantiert ein Auftrag von der Rothaut", fuhr sie fort, ihre Stimme ein bösartiges Knurren. „Luke hat es zwar abgestritten, aber noch gemeint, dass ich ihre gesamte Gruppe in Ruhe lassen soll, wenn ich nicht will, dass das Video an der Schule die Runde macht." Sie krallte ihre Finger in die Bettdecke.

Sprachlos blieb ich neben ihr sitzen. Hatte Takoda seine Hände im Spiel? Außerdem, welchen Grund hatte Luke für solch eine hinterlistige Aktion? Immer noch der Rachefeldzug wegen der anderen Party? Oder hatten die Jungs Recht und hatte Steffi mir ein Schlafmittel verpasst? Wem konnte ich vertrauen? Meiner besten Freundin seit Kindertagen oder dem Jungen, der mich in der vergangenen Nacht gewärmt hatte. Der sich trotz seines Vorsatzes, nichts zu überstürzen, nicht von mir fernhielt.

„Ich wusste, dass deren Verhalten dich auch schockieren würde", murmelte Steffi an meinem Ohr. Oh, in die Richtung interpretierte sie mein Schweigen. Ich beschloss, sie in dem Glauben zu lassen.

„Ja, versuch nun zu schlafen und vergiss Luke einfach." Ich stand auf und lief zur Tür, als sie mir etwas hinterherrief, das mir einen eisigen Schauer über den Rücken jagte.

„Ich musste es dir sagen, damit sie dir nichts antun." Ich schluckte. Hatte Takoda etwas Ähnliches mit mir vor? War alles nur ein Spiel?

Als ich aus Steffis Zimmer kam, stieß ich fast mit Ashley zusammen.

Ein Jahr in Rapid CityWo Geschichten leben. Entdecke jetzt