Kapitel 55 ✔️

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Leicht kopfschüttelnd beobachtete ich, wie Sarah, den großen Krieger ignorierend, unser Tipi verließ. Er hatte die letzten Wochen, seit dem Präriebrand, bei uns gelebt. Auf meine Initiative hin. Ich hatte den beiden die Möglichkeit gegönnt, einander besser kennenzulernen. Womöglich in der Hoffnung, dass die Blonde mehr in ihrem Lebensretter sah. Zwar hatte sie aufopferungsvoll seine Brandwunden versorgt, die mittlerweile sauber verheilt waren, aber mehr schien es von ihrer Seite nicht zu geben. Es wirkte auf mich eher so, dass sie den Moment herbeisehnte, an dem sie ihn loswürde. Dabei verdiente er so viel mehr.

„Sie wird mich nie so ansehen, wie du deinen Mann ansiehst." Seine Stimme war leise, aber gleichzeitig nüchtern und fest. Otaktay machte sich keine Illusion mehr darüber, ob er Sarahs Herz für sich gewinnen konnte. Das hatte er die vergangenen Tage deutlich gezeigt. Sein Blick hatte sich geändert. Er war kühler, distanzierter.

Stattdessen unterhielt er sich wieder mehr mit Takoda über den bevorstehenden Winter. Beiden oblag dieses Mal die Verantwortung, eine geeignete Lagerstelle zu finden. Geschützt vor Winterstürmen und möglichen Überflutungen nach der Schneeschmelze. Auch ein breites Nahrungsangebot und ausreichend Brennholz benötigten wir. Die größte Herausforderung war eher, wie wir die Ponys durch den Winter bekamen.

„Wisst ihr schon, wie ihr das Problem mit den Pferden löst?" Otaktay sah mich an, ein Mundwinkel leicht an oben gezogen und ein verräterisches Glitzern in den Augen.

„Planst du etwa, deinem Mann im nächsten Sommer ein weiteres Kind zu schenken?" Sein Grinsen wurde noch schelmischer. „Dann würde ich verstehen, dass du dir solche Sorgen um eure Herde machst."

Ich zog eine Augenbraue hoch und scheuchte den leise vor sich hin kichernden Lakota aus dem Tipi. Seufzend widmete ich mich wieder dem Packen, denn wir planten, bald aufzubrechen. Mein Sohn nutzte die Gelegenheit und krabbelte mir zwischen die unterschiedlichen Behälter. Stirnrunzelnd gab ich ihm einen Streifen Trockenfleisch, den er sofort in den Mund steckte und darauf rumsabberte.

Otaktay hatte womöglich recht. Meine Blutung hatte sich bisher nicht wieder gezeigt und da Takoda und ich in den vergangenen Wochen nicht gerade enthaltsam gelebt hatten, schloss ich eine erneute Schwangerschaft nicht aus. Das würde Gerede im Dorf geben. Die Lakota ließen genug Zeit zwischen den Babys verstreichen, auch damit die Mütter sich erholten. Ein Kind im Bauch zu tragen und die anschließende Stillzeit kostete Energie. Ich winkte ab. Ich war bestimmt nicht schon wieder schwanger. Stillen wirkte im Großen und Ganzen wie eine natürliche Verhütung, um die Mütter zu schützen. Obwohl, das funktionierte auch nur bedingt. Einhundert Prozent Sicherheit gab es nicht.

Ich horchte in meinen Körper hinein, stellte aber nichts Auffälliges fest. Schulterzuckend kramte ich den Rest zusammen. War ich wider aller Erwartung schwanger, dann akzeptierte ich es. Ändern ließ es sich eh nicht.

Einige Zeit später brachen wir auf, den langen Weg in unser Winterquartier vor uns. Die Männer sicherten den Zug, während die Frauen wie immer die Sorge über das Gepäck und die Kinder übernahmen. Die Tochter von Elchläufer hatte sich vor dem Aufbruch auf unser Travois geschlichen. Seit dem Angriff der Kiowa, bei dem ich sie beschützt hatte, hatte sie einen Narren an mir gefressen. Oft sah sie lieber mir als ihrer Mutter bei der Arbeit zu oder fragte mich, warum ich mich mit etwas beschäftigte. Neugierig warf ich einen Blick nach hinten. Meine Mundwinkel zuckten nach oben. Hatte die Kleine sich doch zusammengerollt und war eingeschlafen.

Ein angenehmes Lüftchen wehte und das Präriegras tanzte im Wind. Hier hatte kein Präriefeuer gewütet, noch hatten Bisonherden alles kahlgefressen. Dementsprechend kitzelte es meine Stute am Bauch, die mehr als einmal entrüstet schnaubte. Beruhigend tätschelte ich ihren Hals. Selbst hatte ich meine Beine mit Leder geschützt, damit mir das Gras nicht in die Haut schnitt. Zum einen brannte sowas höllisch, andererseits war ich nicht erpicht darauf, mir womöglich eine Sepsis einzufangen. Wie üblich übertrieb ich wieder hemmungslos, doch ich hatte mal gehört, dass selbst kleine Wunden zu einer Blutvergiftung führen konnten. Es gab hier mehr als genug Gefahren, dann schützte ich mich zumindest gegen die vermeidbaren Verletzungen.

Ein Jahr in Rapid CityWo Geschichten leben. Entdecke jetzt