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CHRIS

"Könnten wir eventuell 'ne kurze Raucherpause einlegen?", frage ich und stehe bereits auf, bevor überhaupt jemand antworten kann.

"Klar, jederzeit!"

Yann sieht mich besorgt an und folgt mir auf den Balkon, während Toby und Al offensichtlich verzichten. Soll mir recht sein, im Moment brauche ich weniger die Zigarette, als viel mehr einfach einen Moment für mich, um meine Gedanken wieder zu sortieren.

"Geht's?", fragt Yann leise und zieht die Balkontür hinter sich zu.

Ich verzichte darauf, ihm mein Drehzeug anzubieten, denn das ist vermutlich sowieso nicht der Grund, warum er mitgekommen ist.

Ohne ihm zu antworten, atme ich einmal tief durch, schließe die Augen und versuche die Erinnerungen an den schrecklichsten Tag meines Lebens wieder in die hinterste Ecke in meinem Kopf zu drängen.

"Hey, lass dir Zeit, okay?", meint Yann, als ich meine Kippe fertig gedreht und bereits angezündet habe ohne ihm jedoch eine Antwort gegeben zu haben, und macht Anstalten, wieder reinzugehen.

"Ich durchleb den Tag einfach immer wieder. Und man könnte zwar meinen, dass es dadurch weniger schmerzhaft wird, weil man ja irgendwie schon darauf vorbereitet ist, aber genau das Gegenteil ist der Fall! Ich hab das Gefühl, jede Erinnerung tut ein bisschen mehr weh als die davor. Und dieses verdammte Loch in meiner Brust wird mit jedem Mal größer. Wie oft ich mich schon nach ihr umgedreht habe, um zu sehen, wie sie auf einen von Tobys dummen Sprüchen reagiert oder, ob sie das Lied, das gerade läuft, genauso scheiße findet wie ich - aber da ist niemand!"

Ich sehe angestrengt in die Ferne, blase eine kleine Rauchwolke in die Luft und muss mir Mühe geben, dass meine zitternden Finger die Kippe nicht einfach fallen lassen.

"Es wird leichter", meint Yann leise, während ich seinen besorgten Blick auf mir spüre.

"Das sagen doch alle! Aber wann? Wann verdammt hört das alles auf? Wann tut es endlich nicht mehr so weh? Wann wird dieses beschissene Loch in meiner Bust wieder gefüllt?", bricht es verzweifelt aus mir heraus und ich fahre zu Yann herum. Ich spüre, wie sich in meiner Kehle ein fetter Kloß bildet und sehe dann schnell zur Seite, bevor die erste Träne über meine Wange läuft.

"Ich weiß nicht, wann. Das weiß niemand. Aber ich weiß, dass Emma wollen würde, dass du nach vorne siehst. Dass du optimistisch bist, denn irgendwann wird es besser. Es hört wahrscheinlich nie komplett auf wehzutun, aber es wird erträglicher, glaub mir."

Yann legt eine Hand auf meine Schulter und sieht mich eindringlich an.

"Ich weiß, das sagt sich alles so leicht und ich hab tatsächlich auch nicht den leisesten Schimmer, wie es ist, seine Zwillingsschwester zu verlieren, aber es gibt so viele Leute auf der Welt, die mit dem Verlust eines geliebten Menschen leben müssen und leben können. Und sie können trotzdem glücklich sein, also verdammt, Chris, dann schaffst du das auch!"

Ich zwinge mich zu einem kleinen, verkorksten Lächeln und nicke langsam.

"Wir stehen das alle gemeinsam durch und wenn du was brauchst, dann sag einfach Bescheid, okay? Du musst nicht den harten Typen geben, wenn in dir drin komplettes Chaos herrscht. Es ist okay, nicht okay zu sein", fügt Yann, dann noch hinzu, bevor er mich in eine feste Umarmung zieht, die ich gerade tatsächlich absolut nötig habe.

Oh Scheiße, ich würde diesen Typen definitiv lieben, wenn ich schwul wäre!

"Komm schon, lass es raus", meint er wie zu einem kleinen Kind und muss dabei ein Schmunzeln unterdrücken.

When You Were GoneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt