ALEXA
"Keine Geheimnisse bis zum Ende des Sommers." Lynn sieht uns noch einmal der Reihe nach an und hebt ihr Glas, um mit uns anzustoßen.
Chris und ich setzen uns mit unseren Drinks auf die Couch, Toby macht es sich auf meinem Sessel bequem und Lynn platziert sich auf der Armlehne. Für Yann ist leider kein Platz mehr auf meinen Polstermöbeln, weshalb er seufzend mit dem Boden Vorliebe nehmen muss.
"Wer fängt an?", will Toby dann wissen und sieht in die Runde - betretenes Schweigen. Offensichtlich will keiner von uns als erster eine Angriffsfläche bieten, was eigentlich idiotisch ist, schließlich kennen wir uns schon so verdammt lange und noch nie hat einer den anderen verraten!
"Gut, dann fang ich an", Yann erbarmt sich seufzend und ich glaube, wir sind ihm alle dankbar dafür. Im Endeffekt war es ja auch seine Idee...
"Also, ich geh mal zwei Wochen zurück zu Emmas Unfall - Ach so und ich möcht euch bitten, mir erst komplett zuzuhören, bevor ihr was dazu sagt.
Okay, ihr erinnert euch vielleicht, dass ich der Erste im Krankenhaus war? Naja, ich war schon vor ihr da."
Ich werfe Chris neben mir einen irritierten Blick zu, dieser sieht seinen Freund jedoch nur aufmerksam an und wartet darauf, dass er fortfährt.
"Ich war schon vor ihr da, weil ich an dem Tag selbst eingeliefert wurde. Ich bin morgens mit krassen Bauch- und Rückenschmerzen aufgewacht. Als sie Emma ins Krankenhaus gebracht haben, hab ich gerade auf ein paar Untersuchungsergebnisse gewartet."
"Warum hast du nichts gesagt?", rutscht es aus mir heraus.
Yann sieht mich tadelnd an. Ja, ich weiß, er hat gesagt, wir sollen leise sein, bis er fertig ist, aber es kam eben so über mich. Er seufzt und sieht wieder auf den Boden.
"Weil ihr sowieso schon total fertig ward. Es kam mir einfach so nebensächlich vor. Emma lag im Sterben, verdammt! Und naja, ich dachte, ich komm schon allein damit klar. Sie haben mich dann stationär aufgenommen - ich bin also gar nicht nach Hause, wenn ich das behauptet hab, sondern nur zwischen Intensivstation und meinem Zimmer hin- und hergependelt - und wurde noch am selben Abend operiert - kurz nachdem ich von ihrem Tod erfahren hab."
Yann spielt nervös mit seinen Händen und meidet weiterhin unsere Blicke.
"Ich geh noch 'n bisschen weiter zurück: Ich hatte vor ein paar Wochen diese unschöne Begegnung mit ein paar offen homophoben Typen - und anders als ich euch das erzählt hab, waren es nicht nur ein paar Kratzer, die ich davon getragen hab. Vermutlich hat sich da in meinem Bauch ein Aneurysma an der Aorta gebildet und das ist still und heimlich gewachsen, bis ich dann eben operiert werden musste. Damit habt ihr dann auch den Grund, warum ich bei der Beerdigung nicht dabei war. Ich mein, ich hab's versucht, aber die wollten mich noch nicht gehen lassen.
Eine Woche später war ich dann wieder draußen. Ich konnte mich eigentlich glücklich schätzen, dass ihr alle verständlicherweise einfach andere Dinge im Kopf hattet und sich niemand gewundert hat, wo ich egentlich abgeblieben bin.
Ich versuch immer noch, zurück ins Leben zu finden. Ich hatte nicht wirklich Zeit, mich mit Emmas Tod zu beschäftigen, in dem Moment ging meine eigene Gesundheit einfach vor - und die beschäftigt mich auch jetzt noch ziemlich.
Eigentlich sollte ich nicht Trinken und Rauchen und so weiter, von wegen gesund leben und so - aber die leere Whiskeyflasche in Alexas Altglas zeugt ja von was anderem. Ich musste am Tag danach übrigens auch nicht arbeiten, bin schließlich noch 'ne Weile krankgeschrieben.
Ich hatte 'nen Kontrolltermin im Krankenhaus und wurde da erstmal mächtig zusammengeschissen, weil ich getrunken hab. Ja und rauchen tu ich offensichtlich auch noch - oder wieder. Ich hab's tatsächlich bis vorgestern ohne beides ausgehalten.
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When You Were Gone
Romance《Ich spüre nichts mehr. Weder Alexas Umarmung noch den Schmerz über Emmas Tod. Da ist nichts. Nur das Gefühl, dass da ein wesentlicher Teil von mir fehlt, und die Leere, die stattdessen in mir herrscht. Die Leere, die Em dort hinterlassen hat.》 ~ A...