ALEXA
"Ich glaub, der Typ hat einfach 'nen krassen Fetisch oder so", meint Yann trocken und trinkt einen Schluck von seinem Whiskey. Ich lache herzlich auf.
Inzwischen albern Yann und ich nur noch herum und denken uns die blödesten Geschichten zu seinem Date aus. Ich weiß nicht, wie viel Alkohol schon geflossen ist, aber ich glaube, es ist sehr viel.
"Vielleicht ist er auch aus irgendeiner Anstalt ausgebrochen und wird panisch von seinen Betreuern gesucht - er hat aber die Zeit seines Lebens und erforscht die Welt auf eigene Faust", bringe ich eine neue Theorie vor, doch Yann schüttelt ablehnend den Kopf.
"Fetisch. Definitiv."
"Dann sei aml froh, dass du keinen hast. Hab gehört, das kann potentielle Bekanntschaften abschrecken", meine ich lachend und proste ihm zu.
"Oh Alex, wenn du wüsstest...", zieht er mich auf und schwenkt grinsend den Whiskey in seinem Glas.
"Uah, hör auf, ich will's gar nicht wissen", gebe ich zurück und spüle die seltsamen Gedanken, die sich in meinem Kopf bilden, mit einem Schluck Whiskey hinunter.
Yann lacht nur.
"Wer weiß, was Chris so alles vor dir verheimlicht. Vielleicht steht er insgeheim auf BDSM und wartet nur auf den richtigen Moment, um es dir zu beichten."
"Warum denn insgeheim? Was denkst du denn, was wir die letzten acht Jahre gemacht haben?", erwidere ich nur nüchtern und beobachte mit Genugtuung, wie Yann schockiert prustet und anfängt, wie ein Irrer zu husten - jetzt hat der Gute sich auch noch verschluckt.
"Acht Jahre?", hakt er heiser nach, als sein Husten sich langsam beruhigt hat.
"Dein Ernst? Ich hab gerade angedeutet, dass wir uns die letzten acht Jahre mit Bondage und so beschäftigt haben und das, was du schockierend findest, ist die Dauer unserer Beziehung?" Ich sehe Yann mit einer Mischung aus Irritation und Frustration an. Was denkt der denn von uns?
"Al, was oder besser wie ihr's miteinander treibt, ist mir scheißegal. Aber jetzt malernsthaft, schon acht Jahre?"
"Ja, acht Jahre. Und nur für den Fall, dass es dich doch interessieren sollte: BDSM ist nicht so unser Ding - nicht dass wir es schonmal versucht hätten, aber Chris und ich haben auch so unseren Spaß", antworte ich und denke mit einem verschmitzten Lächeln auf den Lippen an den heutigen Morgen.
"Jaja, is schon okay, danke für die Info und so", meint Yann und schüttelt den Kopf - vermutlich um sein Kopfkino loszuwerden.
"Wann sind wir eigentlich zu solchen Gesprächsthemen abgedriftet?", frage ich kopfschüttelnd und leere mein Glas. Das wievielte es auch immer war, es sollte besser das letzte gewesen sein.
"Wann zur Hölle ist es eigentlich so spät geworden? Das ist die viel wichtigere Frage", meint mein Gegenüber hingegen und gähnt herzlich.
Ich schiele auf meine Wanduhr und kneife die Augen zusammen, um die Zeiger zu erkennen. Denkste! Der Alkohol in meinem Körper gibt mir keine Chance und ich werfe stattdessen einen Blick auf die digitale Anzeige meines Smartphones.
Schon besser.
Überrascht stelle ich fest, dass da tatsächlich schon eine Drei vorne steht. Es ist 03:21 Uhr!
Yann ist schon seit ... über fünf Stunden hier!?
"Keine Ahnung", beantworte ich Yanns Frage schließlich und muss ein Gähnen unterdrücken.
"Ich hab morgen so 'nen Schädel, ich seh's schon kommen", murmelt Yann, schnappt sich aber trotzdem die fast leere Whiskeyflasche und gießt den Rest in sein Glas.

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When You Were Gone
Roman d'amour《Ich spüre nichts mehr. Weder Alexas Umarmung noch den Schmerz über Emmas Tod. Da ist nichts. Nur das Gefühl, dass da ein wesentlicher Teil von mir fehlt, und die Leere, die stattdessen in mir herrscht. Die Leere, die Em dort hinterlassen hat.》 ~ A...