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YANN

Ein Klopfen an der Tür holt mich aus meinen verbitterten Gedanken und nur einen Moment später öffnet Chris vorsichtig die Tür.

"Alles okay?", fragt er leise und bleibt zunächst im Türrahmen stehen. Er sieht besorgt aus und wahrscheinlich ist das auch kein großes Wunder.

Hastig wische ich mir die einzige kleine, verbitterte Träne aus dem Augenwinkel und sammle mich kurz, bevor ich meinen besten Freund ansehe.

"Wenn ich jetzt Ja sage, glaubst du mir doch sowieso nicht, oder?"

Ich kenne meinen besten Freund und ich weiß, dass er nicht lockerlässt, wenn er bemerkt, dass was im Busch ist - und das ist es offensichtlich. Ich bin nämlich eigentlich nicht der Mensch, der regelmäßig durch die Gegend brüllt und sein Handy an die Wand pfeffert.

Chris seufzt und tritt jetzt ganz ins Zimmer. "Willst du drüber reden?", fragt er leise und setzt sich neben mich aufs Bett. Er sieht mich nachdenklich von der Seite an - nachdenklich und besorgt.

Scheiße Mann, er kennt mich so gut! Und doch weiß er so vieles nicht von mir. Dinge, die ich nie jemandem anvertraut habe, mich aber in den letzten Tagen fast noch mehr beschäftigen als früher.

"Nicht wirklich. Aber ich nehm an, du lässt sowieso nicht locker. Und irgendwie bin ich dir das auch schuldig, oder?" Ich setze mich vorsichtig auf, sehe ihn aber nicht an. Stattdessen liegt mein Blick auf der weißen Wand gegenüber - irgendwie ein beruhigender Anblick.

"Wahrscheinlich", erwidert Chris schulterzuckend und sieht jetzt ebenfalls zur Wand.

"Al?", frage ich, ohne ihn anzusehen.

Hat sie meinen kleinen Anfall auch mitbekommen und nur Chris als Vorhut geschickt?

"Ist vorhin zu Lynn. Sie hat hiervon nichts mitbekommen", antwortet Chris beruhigend und sagt mir damit, dass wir allein sind.

Ich schließe erneut die Augen und atme tief durch, um mich für das folgende Gespräch zu wappnen. In mir wächst das schlechte Gewissen. Ich hab nie mit Chris darüber gesprochen, bin seinen Fragen immer ausgewichen.

Aber jetzt bin ich an einem Punkt angekommen, an dem ich einfach nicht mehr kann. Ich kann nicht mehr alles in mich hineinfressen. Und auch wenn mir das in den letzten Tagen all meine Freunde und sogar Dr. Andrews gesagt haben, wollte ich es nie hören.

"Du musst nicht", lenkt Chris irgendwann ein, da ich wohl schon ein bisschen zu lange schweige, und macht schon Anstalten aufzustehen und wieder zu gehen, aber ich schüttle hastig den Kopf.

"Doch. Ich ... ich weiß nur nicht so ganz, wo ich eigentlich anfangen soll."

"Kein Stress. Wir haben alle Zeit der Welt. Vielleicht ein Käffchen? Oder Tee?"

Ich schmunzle kopfschüttelnd. Ich brauche keinen Kaffee. Nicht wenn ich kurz davor bin, meine dunkelsten Zeiten mit meinem besten Freund zu teilen.

"Für 'ne Kippe wär ich zu haben", entgegne ich stattdessen, weiß aber gleichzeitig, dass ich mir die auch gleich für die nächsten Wochen abschminken kann.

"Sollst du aber nicht. Anweisung von deinem Arzt", erwidert Chris tadelnd, aber in diesem Moment würde ich gerne die gesamte Medizin verteufeln, Andrews miteingeschlossen, und komplett auf meine Gesundheit scheißen. Ich würde auch zehn Kippen am Stück rauchen, wenn das hilft, mich zu beruhigen und mich ein bisschen besser zu fühlen!

Stattdessen bleibe ich ruhig sitzen und tue nichts von alldem. Stattdessen tauche ich wieder ab in meine Gedanken und versuche einen geeigneten Anfang meiner Geschichte zu finden.

When You Were GoneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt