ALEXA
"War das wirklich nötig?", fragt Yann mich genervt, als sowohl Chris als auch Toby gegangen sind und auch Lynn sich nach ein paar beruhigenden Worten an mich verabschiedet hat.
"Danke für deine Unterstützung, Yann! Lass mich raten, dir hat er's schon vorher erzählt?", fauche ich ihn an und versuche währenddessen diese grässliche Angst in den Griff zu bekommen.
"Ich hab's mir schon irgendwie gedacht. Aber das ist kein Grund alle um dich herum wegzustoßen." Yann sitzt immer noch auf dem Boden und sieht mir dabei zu, wie ich durch das Wohnzimmer tigere.
"Er hat kein Recht dazu, mir sowas vorzuenthalten", schreie ich wütend, beeindrucke Yann damit aber nicht im Geringsten.
"Er kann nicht einfach davon ausgehen, dass ich das so hinnehme! Er kann nicht einfach darüber bestimmen, was ich wissen soll und was nicht, nur weil er mich angeblich beschützen will! Woher nimmt er sich das Recht dazu?"
"Woher nimmst du dir das Recht, ihm auch den letzten Rest Frieden in dieser ohnehin schon quälenden Zeit zu nehmen?"
Irritiert bleibe ich stehen und sehe Yann fragend an. Was meint er damit?
"Was Toby gesagt hat, stimmt. Ich mein, Chris wird's schon irgendwie verkraften, noch eine weitere schlaflose Nacht hinter sich bringen zu müssen, aber ausgerechnet von dir abgewiesen zu werden, trifft ihn mehr, als er zugeben will. Das Ziel dieser Erzählstunde war, uns gegenseitig wieder mehr zu vertrauen, uns zu unterstützen, wie Toby gesagt hat - nicht den anderen fallen zu lassen, nur weil er eine andere Vorstellung von dem Wort 'beschützen' hat als du. Du weißt genau, dass irgendeine x-beliebige 'Gesellschaft' dich bei ihm nicht einfach ersetzen kann.
Ich erwarte nicht, dass du dich komplett für Chris aufopferst, ich weiß, dass du es selbst nicht einfach hast. Aber ich habe tatsächlich ein bisschen mehr Rücksicht, ein bisschen mehr Verständnis und vor allem ein bisschen mehr Mut von dir erwartet."
Das Fragezeichen in meinem Gesicht wird durch seine Erklärung nur noch größer und ich setzt mich neugierig ihm gegenüber in den Sessel.
"Mut wozu?"
"Mut, deine Gefühle zuzulassen. Du hast Angst - vollkommen normal, vollkommen verständlich und vollkommen nachvollziehbar. Diese Angst aber in Wut umzuwandeln und damit alle abzuschießen, die dir helfen wollen, ist das komplette Gegenteil von normal und nachvollziehbar. Das ist einfach nur unfair, Al."
Oh, wie mir sein Moralapostel-Getue allmählich auf den Sack geht!
"Ach, halt doch die Fresse, Yann!"
Er schmunzelt leicht und bringt mich dadurch noch mehr auf die Palme.
"Was gibt's denn da zu lachen?", fahre ich ihn verärgert an.
"Du tust es schon wieder. Aber mich wirst du so schnell nicht los. Weil du das auch eigentlich gar nicht willst. Vielleicht willst du mich im Moment genauso loswerden wie Toby, Lynn und Chris, aber spätestens, wenn du dann wirklich allein bist, wirst du merken, dass du eigentlich das Gegenteil wolltest. Nur ist es dann zu spät - und deshalb werd ich bleiben." Yann steht auf und geht in die Küche, um sich ein Glas Wasser zu holen.
"Geh ins Bett, Alex. Der Tag war lang und ziemlich nervenaufreibend", meint er, als er zurückkommt und schenkt mir ein aufmunterndes Lächeln.
"Ich muss das Zeug hier noch aufräumen", erwidere ich und deute widerwillig auf den noch immer nicht abgeräumten Tisch.
"Das kann auch noch bis morgen warten." Yann hält mir seine ausgestreckte Hand entgegen. Ich ergreife sie seufzend und Yann zieht mich aus meinem Sessel und in eine überraschende Umarmung.

DU LIEST GERADE
When You Were Gone
Romance《Ich spüre nichts mehr. Weder Alexas Umarmung noch den Schmerz über Emmas Tod. Da ist nichts. Nur das Gefühl, dass da ein wesentlicher Teil von mir fehlt, und die Leere, die stattdessen in mir herrscht. Die Leere, die Em dort hinterlassen hat.》 ~ A...