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Es ist der 13. Tag seit ihrem Tod und ich habe meine Wohnung in dieser Zeit genau einmal verlassen - um auf die Beerdigung zu gehen.

Ihr Tod hat mein Leben vollkommen aus der Bahn geworfen! Ich esse kaum noch, schlafe nicht und traue mich nicht einmal mehr, in den Spiegel zu sehen.

Mein Leben besteht nur noch daraus, den Tag zu überleben und den Schmerz im Alkohol zu ertränken. Auch heute sind schon einige leere Bierflaschen dazugekommen und wenn ich so weiter mache, muss ich morgen tatsächlich Nachschub kaufen. Doch obwohl mich der Gedanke nach draußen zu gehen abschreckt, leere ich auch noch eine weitere Flasche und zünde mir abwesend eine Zigarette an. Hätte ich kein Zeug zum Selbstdrehen zu Hause, hätte ich auch dafür schon die Wohnung verlassen müssen.

Tja, zum Glück ist das nicht der Fall.

Mein Handy auf dem Tisch beginnt zu vibrieren, doch ich sehe nicht einmal aufs Display - genauso wenig wie die letzten zwei Wochen auch schon.

Der Anrufer - oder die Anruferin - kann froh sein, dass ich mein Handy überhaupt geladen habe...

"Hey Chris! Komm schon, hör auf", höre ich Emma durch unseren Garten rufen. Wir sind noch Kinder und albern mit einer Wasserpistole herum.

Während Emma bereits klitschnass ist und versucht, sich vor mir zu verstecken, verfolge ich sie gnadenlos weiterhin mit der "Waffe". Jonah sieht uns nur grinsend von der Veranda aus zu.

Dann stehe ich Em gegenüber, zwischen uns nur ein Brunnen. Ein schadenfrohes Grinsen liegt auf meinen Lippen und ich richte die Wasserpistole auf sie.

"Aaah, Hör auf, bitte!", schreit sie und duckt sich kichernd unter dem Wasserstrahl weg, doch ich lache nur.

"Emma, Christian, kommt ihr bitte zum Abendessen?", ruft unsere Mutter von der Veranda aus und Emma versucht sofort links an mir vorbeizurennen. Weit kommt sie nicht, denn ich packe sie und lasse mich gemeinsam mit ihr lachend ins Gras plumpsen.

Dort beginne ich sie zu kitzeln, woraufhin sie sich unkontrolliert bewegt und versucht zu entkommen.

"Chris, hör auf! Bihitte! Hiilfeee!!"

"Haha das hättes du wohl gern", erwidere ich und mache erbarmungslos weiter.

"Hey Kleiner, lass Em in Ruhe. Mom und Dad sitzen schon am Tisch."

Zögernd lasse ich von ihr ab, funkle Jonah böse an, weil er mich "Kleiner" genannt hat und renne ins Haus.

"Händewaschen", ruft Jonah und kommt mit Em hinterher.

Das Klingeln an der Tür reißt mich aus meinen Kindheitserinnerungen, doch ich ignoriere es genauso wie auch die vielen Anrufe der letzten Tage. Ich will keinen Kontakt. Ich will nicht reden - mit niemandem!

Doch als die Person an meiner Wohnungstür meint, Sturmklingeln zu müssen, scheitert selbst meine inzwischen stark erprobte Ignoranz.

"Chris, ich weiß, dass du da bist, also verdammt, mach auf!"

Seufzend stemme ich mich vom Sofa hoch, drücke die Zigarette aus und schlurfe zur Tür. Ich verzichte darauf, durch den Spion zu sehen, die Stimme habe ich bereits erkannt.

"Was?"

meine Stmme klingt ungewohnt tief und kratzig, aber was habe ich auch erwartet? Die letzten Tage habe ich schließlich keinen Ton von mir gegeben.

"Boah, willst du dich vergiften?" Al geht nicht weiter auf meine Frage ein und schiebt sich an mir vorbei in die Wohnung, während sie mit ihrer Hand vor ihrem Gesicht herumwedelt.

When You Were GoneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt