ALEXA
Chris stellt gerade die Packung mit den Schmerztabletten zurück in den Schrank, als ich das Badezimmer betrete.
"Alles okay?", frage ich besorgt nach und lege ihm sanft meine Hand auf die Schulter.
Chris nickt. Er sieht mich nicht an, aber ein Blick in den Spiegle verrät mir, dass seine Augen verdächtig glänzen.
"Alles gut, meine Nase tut nur krass weh. Und ich spür immer noch das scheiß Geländer im Treppenhaus in meinem Rücken." Chris dreht sich zu mir und legt mit einem beruhigenden Lächeln seine Arme um meine Hüften.
"Der Typ hat mich volle Kanone da drauf geknallt, aber hör endlich auf, dir die ganze Zeit Sorgen zu machen. Ich bin okay", erklärt er auf meinen fragenden Blick hin, nimmt meinen Kopf sanft zwischen seine Hände und legt seine Lippen sanft auf meine.
Der erste Kuss heute und das, obwohl wir schon den ganzen Tag zusammen verbringen - ziemlich ungewöhnlich, aber dafür genieße ich ihn umso mehr.
Dann nimmt er meine Hand und wir gehen wieder nach unten.
"Chris, tut mir wirklich leid. Ich hab das nicht so gemeint", empfängt Lynn uns beschämt.
"Hey, mach dir keinen Kopf. Alles okay", erwidert Chris und lacht leise auf.
"Ihr müsst mich nicht andauernd mit Samthandschuhen anfassen und wie ein rohes Ei behandeln. Ich komm schon klar. Und wenn nicht, dann verpiss ich mich kurz, so wie gerade eben und dann ist alles wieder gut, okay?" Die Jungs nicken sofort grinsend und auch Lynn zuckt schließlich seufzend mit den Schultern und nickt.
"Okay, aber es tut mir trotzdem leid!"
"Lynn arbeitet ab Herbst eventuell in New York", teile ich Chris die Neuigkeiten mit, um endlich das Thema zu wechseln und die Stimmung wieder zu heben. Definitiv zu viel auf und ab für einen Tag!
"Wow, Glückwunsch!" Chris sieht beeindruckt zu Lynn und umarmt sie herzlich.
"Danke, aber es ist alles noch gar nicht sicher."
"Wir feiern trotzdem! Oder nicht?" Chris sieht sich auffordernd nach uns um und ich verschwinde schon grinsend in die Küche, um meinen Spirituosenschrank zu leeren.
"Whiskey hab ich leider gerade nicht mehr, den haben Yann und ich neulich geleert", erkläre ich und stelle die Flaschen auf den Tisch.
Yann, der sich inzwischen wieder auf die Couch verzogen hat, seufzt.
"Warum macht das Leben eigentlich gerade den Eindruck, als hätten wir alle 'ne Dauerkarte für die Achterbahn?", fragt er und erntet dafür irritierte Blicke von allen Seiten.
"Wow, Junge! Was'n jetzt los? Bist du schon dicht oder warum so tiefgründig?", findet Toby als Erstes die Sprache wieder.
"Ich mein ja nur. Schaut euch doch mal die letzten Tage und Wochen an. Erst Emmas Tod - sorry Chris, du hast gesagt, es ist okay - dann ging's langsam wieder bergauf, das Leben ging weiter, ich für meinen Teil hab 'nen netten Typen kennengelernt - der ist aber stockschwul - also schwuler geht echt nicht!
Gestern hatten wir 'nen schönen Männerabend - bis die drei Weiber aufkreuzten und hysterisch wurden, bei Alex war dann alles wieder gut - bis sich ihre Beanntschaft ain einen Psycho verwandelt hat, heute haben wir alle mit 'nem geilen Tag gerechnet - dann hatte Chris aber 'ne kleine oder größere Auseinandersetzung vor der Tür, wir schaffen's aber trotzdem irgendwie, wieder in Stimmung zu kommen - bis ein einzelner dumm formulierter Satz das wieder zunichte macht und eigentlich sollten wir uns doch alle nur darüber freuen, dass wir hier zusammen abhängen können. Fuck, wenn mir Emmas Tod was gezeigt hat, dann, dass wir jeden Tag leben sollten! Dass wir versuchen sollten, zu jeder Zeit glücklich zu sein und uns von solchen pingeligen Kleinigkeiten nicht verunsichern lassen!

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When You Were Gone
Romance《Ich spüre nichts mehr. Weder Alexas Umarmung noch den Schmerz über Emmas Tod. Da ist nichts. Nur das Gefühl, dass da ein wesentlicher Teil von mir fehlt, und die Leere, die stattdessen in mir herrscht. Die Leere, die Em dort hinterlassen hat.》 ~ A...