Amy Fay Clarkson

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Still fighting it - Ben Folds

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Anfang November. Sonntagmorgens. Dylan, Louis, Dad und ich saßen um den Frühstückstisch bei mir zu Hause und frühstückten schweigend. Dexter, Oreo, Blue und Chocolate lagen auf den Fliesen und dösten. Aus dem Radio kam leise Musik. Ich saß auf der Küchenbank und hielt schweigend meine Tasse Kaffee in den Händen. Mir gegenüber saß Dylan, seine Haare hochgestylt, seine Augen rot und unter ihnen waren tiefe Augenringe zu erkennen. Louis, Dad und ich sahen nicht besser aus, doch Dylan sah mit Abstand am schlimmsten aus. Er schlief seit einigen Tagen nicht nur noch wenige Stunde. Er zerbrach sich den Kopf und war nicht wirklich ansprechbar. Nicht anders bei Louis und Dad. Ich dachte immer das die schwerste Zeit für uns alle wäre, wenn Mom gegen den Krebs und um ihr Leben kämpft, doch dem ist nicht so. Die mit Abstand schwerste Zeit ist danach. Wenn einem die Tatsache an den Kopf geworfen wird und man zu spüren bekommt, dass all die Kraft, Liebe und Hoffnung die man investiert hat umsonst war. Ich starrte auf die Wand, auf der anderen Seite der Küche. Dort hing eine riesige Leinwand. Auf ihr war das Bild von Dylan, Louis, Mom, Dad und mir gedruckt. Das Bild welches wir mit Mommy's Handy den einen Abend gemacht hatten. Eigentlich ein Familienbild wie jedes andere, nur mit dem kleinen, aber bedeutendem Unterschied, dass es das letzte Bild ist, was eh je von meiner Traum-Familie geben wird. Der Krebs überfiel Mom's Leber, dann ihre Nieren, dann ihre Lunge. Der Krebs fraß sie innerlich auf und nahm sie uns schlussendlich. Das Familienbild im Krankenhaus war nur wenige Stunden, bevor das Herz meiner Mutter aufhörte zu schlagen. Sie verlor den Kampf gegen den Krebs, genauso wie er Vater damals. Sie ging plötzlich und erwartet. Seit dem Tag, an dem Mom ging war Chaos in der Medienwelt und in unserem Leben. Natürlich trauerten wir, das war klar, doch wir wurden einfach nicht in Ruhe gelassen. Paparazzo lagerten vor den Apartments von Louis und Kyle, Dylan und El und vor Daddy's. Alle drei sind somit für einige Zeit bei mir eingezogen.

Wie es mir ging, als ich die SMS bekam, das alles vorbei war? Als mir meine Mutter genommen wurde? Ich hatte das Gefühl an meinen Tränen zu ersticken, nie wieder sehen zu können, da meine Augen so brannten, zu verdursten, da meine Kehle so trocken war und zusammen zu brechen. Es kam alles so unerwartet. Noch viel schlimmer, ich war in der Öffentlichkeit, als mich die Nachricht erreichte. Ich war im Stadtpark nachts mit den Hunden gewesen. Dylan und Kyle hatten mich auf einer Parkbank gefunden.

So gerne wie wir es alle auch würden, wir konnten uns nicht einfach so verstecken. Wir mussten versuchen ein einigermaßen normales Leben weiter zuführen. Die Hunde zwangen mich regelmäßig aus dem Haus zu gehen. Dylan war in etlichen Zeitschriften in Begleitung von Elena zu sehen, denn sie war die einzige die ihn momentan außerhalb des sicheren Hauses aufbauen konnte. Louis war nur in Begleitung von Jus, Mitchell oder Charlie zu sehen. Ich dagegen nur mit Kyle oder Aiden und Dad, er war nur mit Calvin zu sehen. Er musste für uns Kinder stark sein, dachte er, und bekam deswegen die stützende Schulter seines besten Freundes. Seit über einer Woche war Mom nun weg und der Weg zurück ins Leben war vergleichbar, wie neu laufen lernen. Wenn ich meine Brüder und meinen Vater so sah, merkte ich, das es wohl noch ein langer Weg war, bis alles einigermaßen normal sein würde. Wenn es nach uns ginge, würden wir nie nie wieder dieses Haus verlassen, doch unsere Freunde zwangen uns dazu. So auch heute, Aiden und Kyle würden mich gleich abholen und mit mir in ein paar Seitenstraßen, abseits vom Getümmel, shoppen gehen.

"Ich bin auf'm Sofa"-Dylan und stand auf. Er ging zu den zwei Sofas und ließ sich auf das eine sinken. Er legte sich hin, deckte sie zu und starrte raus auf den grauen Garten. November. Kälte, Nebel, Regen.

"Yana, mach dich fertig. Die beiden kommen bestimmt gleich"-Dad. Ich nickte nur stumm und ging die Treppen hoch ins Ankleidezimmer. Ich nahm mir eine schwarze enge Jeans aus dem Schrank, ein roter Hoodie mit schwarzem Aufdruck. Aus einer Schublade nahm ich einen weinrot schwarz karierten Schal und ging die Treppe wieder runter. Schwarte Lederboots mit Schnallen und eine schwarze Lederjacke darüber. Chocolate kam angesprungen und Dexter langsam hinter. Ich leinte beide Hunde an und tat mein iPhone in meine Hosentasche. Ich musste nicht lange warten, da rollte ein schwarzer Jeep mit getönten Fenstern auf die Auffahrt. Schweigend ging ich auf das Auto zu und ließ beide Hunde in den Kofferraum springen. Beide Jungs zogen mich zur Begrüßung in eine Umarmung und stiegen dann wieder ins Auto. Kyle und Aiden redeten die Fahrt über und versuchten alles so normal wie möglich wirken zu lassen. Vorgestern war die Beerdigung gewesen. Eine private. Trotzdem hatten viele Fans davon Wind bekommen und waren da gewesen. Die Polizei hatte sie allerdings zurück gehalten.

"Möchtest du in ein bestimmtes Geschäft?"-Aiden nachdem wir am Straßenrand geparkt hatten. Ich schüttelte nur den Kopf und folgte den beiden schweigend. Chocolate zog etwas an der Leine und Dexter lief brav neben mir. Nach einiger Zeit nahmen die meine Freunde in die Mitte und gingen mit ihr in ein Viertel, wo schon mehr los war. Der Manager meines Vaters hatte ihm geraten mich und meine Brüder zu einer Therapie zu schicken. Ich hatte nur geantwortet, das mir keine Therapie der Welt meine Mutter wieder geben könnte.

Wir kamen an eine Ampel und mussten stehen bleiben. Mein Blick fiel auf einen Zeitungskiosk.
'Eine Promi-Familie bricht auseinander'

'Die Welt trauert um das Model Fay Brooks'

'Der Laufsteg verliert sein bekanntestes Gesicht'

'Fay Brooks tot!'

'Was wird nun aus den Brooks-Kindern?'

Das waren die Schlagzeilen die seit Tagen den Medien beherrschten. Mom, sie war überall zusehen, auf jedem Fernsehprogramm, auf jeder Werbewand, in jeder Zeitung, überall. Doch sie war nicht mehr unter uns. Ich sah wieder auf die rote Ampel und viele Autos rasten an uns vorbei. Plötzlich sah ich die Silhouette von Mom auf der anderen Straßenseite. So schnell wie sie kam, ging sie auch wieder. Ich schloss kurz die Augen und atmete tief ein. Kyle sah mich besorgt an und legte einen Arm um mich.

"Alles okay? Möchtest du irgendwo anders hin?"-er.

"Zu Becky"-ich. Aiden sah mich nun auch besorgt an, nickte dann aber.

Becky war die Besitzerin eines Tattoostudios und hatte mir auch das erste Tattoo gestochen.

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Es war still im Raum, nur die Nadel war zu hören, wie sie sich schnell bewegte. Es klang wie ein schrilles durchgehendes Piepen. Becky setzte die Nadel an und mit einem Picken ging sie unter die Haut. Nach einer Viertelstunde war Becky fertig.

'Amy Fay Clarkson'

Das war der vollständige Name, mit dem meine Mutter zur Welt kam. Später wurde daraus Fay Clarkson, eine Teenagerin die viel erlebte, viel lachte, viel Spaß hatte. In der Welt bekannt wurde sie als Fay Brooks, Mutter, Model und Frau eines bekannten Filmstars. Doch im Herzen war sie immer Amy Fay Clarkson, das verrückte blonde Mädchen aus England mit dem chaotischen Leben und dem strahlenden Lächeln.

Together, we are strongWo Geschichten leben. Entdecke jetzt