12. Kapitel

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2015

Feynsinn fand sich selber ekelhaft und spürte eine überwältigende Woge von Selbsthass in sich aufsteigen. Ein Assistent tippte ihn an. „Das ist ein erster riesiger Schritt, Feynsinn", sagte er und blickte ihm tief in die Augen und atmete. Feynsinn fühlte sich elend und spürte einen dicken Kloß in seiner Kehle aufsteigen, dann fing er plötzlich an zu weinen und blieb lange umarmt mit dem Assistenten sitzen. Die nächsten Tage widmete er seine ganzen Aufmerksamkeit seiner Selbstverurteilung. Er las stapelweise Bücher zu diesem Thema und nahm Einzelstunden. „Die persönliche Seele, das Ego will Gott nahe sein. Da Gott im eigenen Inneren wohnt, kann nur von dort die Liebe kommen. Kein Mensch im Außen kann diese Liebe füllen. Warum diese Vergeblichkeit, die Liebe bei meiner Freundin zu suchen? Er ging durch eine schlimme Phase. Es klang alles so einfach und logisch. Der innere Peiniger verursacht die Selbsterniedrigung. Die dunkle Seite des göttlichen Prinzips erkennen und heilen. Alles beobachten. Einen inneren Beobachter in sich installieren und auch den inneren Kritiker einfach immer nur beobachten, ohne in Reaktion zu gehen.

Im großen Kellerraum fand die dynamische Meditation statt. Alle Teilnehmer mussten auf Kommando zehn Minuten hektisch ein- und ausatmen. Aus den Lautsprechern feuerte uns psychodelische Musik an. Dann fingen alle auf einmal an, loszuschreien. Während der Meditation schrie er sich seine Stimme heiser. So stellte er sich eine psychiatrische Klinik vor: Einige saßen zusammengekrümmt auf dem Boden und heulten wie kleine Kinder. Andere wirkten so bedrohlich, dass Feynsinn unwillkürlich in Verteidigungshaltung ging und Lust bekam, sich zu wehren und in Interaktion mit ihnen zu treten. Das war aber verboten. Jeder sollte immer bei sich selber bleiben. In allem Chaos gab es klare Regeln. Er war nass geschwitzt und bekam ein Handtuch an der Rezeption geliehen. Arhat nahm sich Zeit für ein Nachgespräch. Feynsinn fühlte sich grandios. Die Wirkung nach dem Schreien, Heulen und Hüpfen war unglaublich stark. „Wir bieten diese Mediation jeden Morgen um 7 Uhr an, fühle dich frei zu kommen", sagte Arhat noch zum Abschied und sie umarmten sich noch einige Minuten. Als er am nächsten Tag um halb Sieben auf dem Rad saß, musste er grinsen. Er radelte durch den dunklen Regen und spürte eine riesige Vorfreude in sich aufsteigen.

Eleanor Roosevelt in ImbachWhere stories live. Discover now