Kapitel 15

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Die nächsten zwei Wochen vergehen genau so schleppend wie die Woche vorher. Die Tage fühlen sich unendlich lang an und der Unterricht zieht sich wie die Fäden vom Kaugummi. Der Stoff im Unterricht bei Lady Anna wiederholt sich gefühlt immer wieder und wir lernen nichts mehr neues. Es kommt einem echt so vor, als ob die uns extra langweilen wollen.

Seitdem das mit Luna passiert ist, ist mir die Lust am lesen vergangen und ich sitze nun immer mit bei den anderen Mädchen im Salon der Freundschaft, denn in der Bibliothek gibt es für mich nur noch traurige Erinnerungen. Erinnerungen an Collin, wie er vor drei Wochen mit mir „Schluss" gemacht hat. Erinnerungen an Luna, wie sie sich vor zwei Wochen von mir verabschiedet hat und mir gesagt hat ich soll Königin werden. Ich liebe Collin noch immer und ich verstehe nicht wieso er sich so plötzlich, so extrem verändert hat, egal wie  lange ich mir darüber den Kopf zerbreche.

Nun ist es Samstag Abend und morgen fliegt das nächste Mädchen raus. Wir sitzen alle, bis auf Emilia die wollte mal wieder nicht, auf dem großen Teppich in dem Zimmer von Violet und mir. Der Kamin knistert im Hintergrund leise und wir unterhalten uns. Am meisten rätseln wir darüber, wer wohl morgen gehen muss.

„Irgendwie kann man das so schlecht einschätzen, da sich Collin in den letzten zwei Wochen mit niemanden von uns getroffen hat, geschweige den überhaupt geredet", meint Mira mit einem traurigen Unterton in der Stimme.

„Da hast du voll recht. Ich glaube Collin interessiert sich für niemanden mehr von uns und wir könnten rein theoretisch alle abreisen." Gibt Fiona deprimiert zu.

„Oder denkt ihr er muss eine von uns Auswählen?" Fragt auch nun Clea. Die frage habe ich mich tatsächlich auch schon die letzten zwei Wochen gestellt.

„Ich denke mal, er muss eine Auswählen, aber um ehrlich zu sein möchte ich auch gar nicht mehr ausgewählt werden, denn so wie Collin momentan ist, ist er nicht mal ansatzweise der Traumprinz als den wir ihn mal kennengelernt haben. Oder was meint ihr?" Fragt Violet und schaut vor allem mich an. Alle nicken nur zustimmend und wir führen unser Gespräch noch lange weiter. Wir einigen uns darauf, dass es nicht möglich ist zu bestimmen welches Mädchen wohl als nächstes raus fliegt. So gut wie jeder Name fällt einmal, obwohl ich es so im Gefühl habe, dass ich die nächste bin die raus fliegt, wegen der Sache von vor zwei Wochen. Das sage ich auch allen Mädchen, aber sie wollen mir alle nicht glauben, dass ich es so bei Collin verbockt habe.

Wegen der langen Nacht, in der wir noch lange gequatscht haben, kommen wir nur sehr schwer aus dem Bett. Nachdem wir gestern das Thema mit der Auswahl beendet haben, hat jedes Mädchen etwas von ihrer Familie erzählt, um uns so abzulenken. Es ist richtig interessant mitzuhören, wie unterschiedlich wir eigentlich so sind und wir uns trotzdem so gut verstehen. Es ist wirklich schön, dass die Chemie zwischen uns allen so gut ist. Kurz bevor alle gegangen sind, haben wir alle ein Gruppenselfie gemacht, oder eher gesagt mehrere hundert. Mit jedem Handy von jedem Mädchen und da dann immer ganz viele. Es war echt super lustig und egal wie die Auswahl ausgeht, wir behalten alle miteinander Kontakt, wir haben sogar schon eine Gruppe gegründet, wo wir alle schon rein schreiben, selbst Luna ist mit in der Gruppe. Von den anderen Mädchen, die vor Luna raus geflogen sind, haben wir alle leider die Nummer nicht, sonst hätten wir sie auch hinzugefügt.

Gleich beim Aufstehen kommt von jedem Mädchen ein Guten Morgen, obwohl wir immer noch im gleichen Haus wohnen, und sogar auf der gleichen Etage. Durch die Gruppe ist meine Angst vor dem Ausscheiden heute nicht ganz so groß und ich mache mich gut gelaunt daran mich fertig für den Tag zu machen.

Wie schon die 12 mal davor Frühstücken wir ganz in ruhe mit Collin. Collin schaut, aber niemanden von uns Mädchen an, wie sonst immer. Er hat seinen Blick starr auf sein Handy gerichtet. Heute aber ist es so, dass neben Collin links und rechts jeweils ein ältere Mann sitzt, die jedem von uns Mädchen böse angucken, die auch nur in Collins Richtung schauen.

Bis zum Mittagessen sitzen wir alle im Salon der Freundschaft, aber wir reden nicht miteinander. Jedes Mädchen macht etwas für sich, wahrscheinlich um zu verbergen, wie aufgeregt sie sind. Ein paar sticken, andere lesen, aber der Großteil ist am Handy und guckt sich etwas an oder schreibt mit jemanden. Ich gehöre zu den Mädchen, die am Handy sind. Ich schreibe mit Leah und Haydn. Wirklich bis zum Mittagessen schreibe ich mit den beiden über die verschiedensten Themen. Was alles so in Goldhof passiert ist seit dem ich weg bin, Schule, meine alte Klassen, News vom Lessards Park, also alles mögliche. Ich weiß nicht wieso ich das genau jetzt mache, mich über die Lage bei mir zuhause zu erkundigen, wahrscheinlich, weil ich wirklich denke das ich heute nach hause muss, aber Leah und Haydn reden mir beide ein, das dass nicht passieren wird.

Das Mittagessen vergeht genau so schweigend wie die Stunden davor, was mich langsam etwas verrückt macht, aber es ist ja verständlich, wir alle wissen nicht wie es weiter geht mit der Auswahl oder ob Collin sie heute abbricht.

Bevor ich in den Thronsaal gehe, um zu erfahren wer heute gehen muss, renne ich fast in mein Zimmer, damit ich nicht zu spät komme. Ich muss bloß mein Handy weg bringen, denn ich habe keine Tasche oder ähnliches mit und muss es sowieso laden, also passt das. Gerade komme ich aus meinem Zimmer raus und ich möchte zurück zum Thronsaal hasten, da höre ich Leute aus der dritten Etage die sich gegenseitig anbrüllen. Ich höre Collin und ich wette die zwei Männer die heute auch beim Frühstück dabei waren sind bei ihm. Ich stelle mir vor wie Collin mit hoch rotem Kopf vor den beiden steht und sie anschreit, denn so klingt es.

„WIESO SOLLTE ICH DIE AUSWAHL BEENDEN OHNE DAS ICH EIN MÄDCHEN AUSGESUCHT HABE?!" schreit Collin die Personen an. Die Antwort kommt ganz ganz schnell und genau so schlagfertig wie Collin, aber nicht ganz so laut.

„Weil Sie sich doch auf Ihre Arbeit konzentrieren müssen, Eure Majestät, und wenn Sie hier noch 13 zickige Mädchen im Schloss wuseln haben, wird das nichts!"

„Außerdem bringt Ihnen eine Frau momentan doch noch gar nichts! Sie redet Ihnen nur noch Sachen aus die außerordentlich wichtig sind und beschlossen werden müssen!" Sagt der andere und er fügt nach einer kurzen pause noch hinzu:

„Und um mal ehrlich zu sein. Hier unter diesen 13 Mädchen ist eh nicht die richtige, die für Sie als Ehefrau und vor allem als Königin geeignet wäre." Er sagt es fast so leise das ich es kaum noch höre, aber ich höre es noch und ich schnaube lautlos über diese Bemerkung. Elf von den 13 Mädchen wären super als Königin, mich und Emilia mal ausgeschlossen. Emilia ist die Zicke in Person und ich habe es vor zwei Wochen bei Collin verbockt, da bin ich mir noch immer todsicher.

„Natürlich gibt es hier ein Mädchen das als Königin und Ehefrau passen würde!" Sagt Collin, nun auch etwas leiser, aber immer noch laut genug damit ich es verstehe. Die beiden, mir Fremden, lachen.

„Dann sagen Sie uns mal wer von den Mädchen passen würde." Jetzt drehe ich mich schlagartig um. Ich möchte nicht hören wen Collin nennt, auch wenn ich es bin, denn ich bin eh schon schlecht gelaunt, wegen den zwei möchte gern Politikern oder was auch immer sie sind, dass ich Collin jetzt für egal welche Antwort eine reinhauen könnte und bevor ich das mache, renne ich lieber zurück zum Thronsaal. Leider renne ich mit meinen Schuhen etwas zu laut die Treppe runter. Ich kann nur hoffen das sie mich nicht gehört haben.

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