31. „Lass es, du siehst dämlich aus."

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... oder „Wie schmecken Orgasmen."
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Liv hatte ihn fortgeschickt, um nachzudenken, zu schlafen und Ordnung in ihren Kopf zu kriegen und er war tatsächlich gegangen. Nicht weit - er saß vor ihrer Tür, um auf jeden Fall da zu sein, wenn sie ihn brauchte, aber er hatte den Raum verlassen.

Jetzt saß er auf dem Boden, sein Rücken lehnte an der Wand. Er versuchte über ihre nächsten Schritte nachzudenken, darüber ob und wieviele Dämonen in die Verschwörung rund um Fenix und die Engel involviert waren.
Aber seine Gedanken wollten nicht beim Thema bleiben, immer wieder dachte er an Liv, daran was sie gerade fühlte, ob sie sich doch geheilt hatte, wie er sie von ihrem Schmerz befreien könnte. Physisch und psychisch. Die fehlende Verbindung frustrierte ihn so sehr.
Würde sie ihn wirklich nicht mehr sehen wollen? Hätten sie wirklich keine Zukunft?
Verzweifelt stützte er seinen Kopf in seine Hände, verbarg sein Gesicht.

Mit eisigen Fingern umklammerte sie das marmorne Waschbecken, während sie ihr Spiegelbild kritisch musterte. Wie konnte sie der Todesengel sein, die Dunkelheit und die Ewigkeit in den Schatten wählen, wenn doch alles, was sie wollte war in der Sonne zu leben? Was hatte sie getan? Was hatte sie nur in Gang gesetzt? War sie völlig bekloppt geworden?
Sie suchte im Spiegel nach einer Antwort. Als das Erbe durch ihre Adern gerauscht war, hatte sie nicht mehr bewusst gehandelt. Ein Teil von ihr, der bisher irgendwie geschlafen hatte, hatte für einen Augenblick die Kontrolle übernommen. Glaubte sie jedenfalls. Sie war es nicht gewesen, sie hatte ihren Bruder nicht getötet. Was würde diese andere Seite von ihr sie noch zu tun zwingen? Würde sie sich irgendwann komplett verlieren? Sie hatte Angst den Verstand zu verlieren.

„Komm rein." Als Jasper die erlösenden Worte nach vielen Stunden des Wartens hörte, hatte er die Hoffnung schon fast aufgegeben, dass sie ihn nochmal zu sich lassen würde. Eine leise, gemeine Stimme in seinem Inneren flüsterte ihm zu, dass sie ihn auch nur hereinrufen könnte, um ihn endgültig abzuservieren.

„Wie geht es dir?" Vorsichtig, so als würde er sich einem scheuen oder gefährlichen Tier nähern, betrat Jasper das Zimmer. Es war so klein, ihm war zuvor garnicht aufgefallen, wie klein es war. Es fasste gerade eben das riesige Bett und eine kleine Kommode, aber es hatte einen nicht zu verachtenden Bonus: ein einziges riesiges Fenster reichte von Wand zu Wand und gab den Blick auf den wunderschönen Garten des Anwesens preis.

Liv stand in einem hauchzarten weißen Kleid vor dem Panoramafenster und starrte hinaus in die Nacht. Er konnte ihre Haut durch den Stoff des Kleides schimmern sehen und merkte augenblicklich, wie sein Freund erwachte. Unpassend. Ganz sicher. Aber verdammt, war sie schön. Wunderschön. Erst als er genau hinsah, sprangen ihm die unzähligen Hämatome in allen Farben des Regenbogens ins Auge. Er schluckte. Es wäre seine Aufgabe gewesen, das zu verhindern.

„Meine Wimpern schmerzen nicht", beantwortete sie spöttisch seine Frage. Schulterzuckend tat sie den Umstand ab, dass ihr alles - wirklich alles - wehtat. Müsste sie entscheiden, was am schlimmsten schmerzte, sie könnte es nicht. Die Fleischwunde im Oberschenkel pochte vergnügt, die gebrochene Nase ließ ihren ganzen Kopf dröhnen, ihr Herz war ordentlich aus dem Tritt, denn sie hatte ihren Bruder getötet. Und er wäre nur der erste in einer langen Reihe von Menschen, die sie fortan töten würde.

Jasper horchte in sich hinein, aber die Verbindung zu Liv hatte sich in dem Moment aufgelöst, in dem sie ihr Erbe übernommen hatte. Selbst jetzt, als er vor ihr stand, war da nichts. Garnichts. Er hasste es. Es war irgendwie neu für ihn nach all der Zeit nur noch sich selbst zu fühlen, gleichzeitig frustrierte es ihn, denn er musste nun fragen, wie es ihr ging und sie könnte ihn belügen. Frustriert schüttelte er den Kopf, um den Gedanken zu verdrängen.

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