... oder „großmäulige Gesichtsknifte"
♾♾♾Liv schlief tief und fest, während sie quer über Jaspers Beinen lag. Irgendwann im Laufe der Nacht waren die Informationen zu ihr durchgesickert und sie hatte die Tragweite dessen erfasst, was Jasper ihr erzählt hatte.
Er seufzte. Sie hatte geweint. Sie hatte so sehr geweint, dass er befürchtet hatte, dass ihr Körper von den Schluchzern zerrissen würde. Und sie hatte vor Wut getobt; hatte ihn geschlagen, mit ihren kleinen Fäusten auf seinem Brustkorb eingetrommelt; hatte ihn verflucht und beschimpft, weil er sie belogen und ihr all die Jahre die Informationen über ihr wahres Ich vorenthalten hatte. Dann wieder hatte sie sich ängstlich, aber neugierig in seine Arme gekuschelt, hatte nach ihrer richtigen Familie gefragt, vor allem nach ihrem Vater.
Das einzige Thema, was sie nicht wieder aufgegriffen hatte, war das ihres Erbes gewesen. Sie erwähnte ihre Aufgabe als Seelenfängerin mit keiner Silbe. Das machte ihm vorerst noch keine Sorgen, schließlich war die Information vielleicht ein bisschen viel für V, die geglaubt hatte ein Mensch zu sein. Aber früher oder später würde er sie zwingen müssen sich damit auseinanderzusetzen. „Später", flüsterte er in die Stille des Bads. „Später, Kleines."
Jasper saß an die kalte Fliesenwand des Badezimmers des schäbigen Motels gelehnt da und spürte seine Beine kaum noch, weil Livs Kopf und halber Oberkörper darauf lagen. Irgendwann würde er sich bewegen müssen, damit sein Blut weiter zirkulieren könnte, aber noch nicht.
Noch ließ er sie schlafen.
Behutsam spielte er mit einer ihrer langen roten Locken. Er hätte sich am Riemen reißen müssen und nicht mit ihr schlafen dürfen. Aber der Herr sagte: „Du wirst alles tun. Alles. Egal was sie will oder braucht. Du gibst es ihr." Abaddon hätte das damals präzisieren sollen. Er hätte das damals präzisieren müssen. De facto war Abbadon Schuld. Er hätte das Protokoll zum Umgang mit dem Seelenfänger anpassen müssen. Irgendwie. Obwohl auch dann keiner auf die Idee gekommen wäre Geschlechtsverkehr mit aufzunehmen.
Jetzt hatten sie den Salat. War es wohl schon Zeit Abbadon zu kontaktieren? Gefährdete er sie damit, wenn er noch länger wartete? Würde er ihm den Kopf abreißen, wenn er sich nicht meldete? Was, wenn Abbadon Liv verraten hatte? Wenn er seinen Sohn so sehr liebte, dass er diesem das Erbe übergeben wollte? Er kannte Liv doch garnicht. Er wusste doch nicht, was für eine unfassbar großartige, warmherzige, witzige, wunderschöne junge Frau seine Tochter war. Wem konnte er trauen? Konnte er überhaupt jemandem trauen? Sie hatten sie schließlich gefunden.Sanft rückte er Liv ein wenig höher in seine Arme und legte seinen Kopf auf ihren. Sie roch trotz allem, was in den letzten vierundzwanzig Stunden geschehen war, immer noch leicht nach Wildblumen und Sonne. Tief sog er ihren unverwechselbaren Geruch ein, versuchte sich ganz auf ihren Herzschlag zu konzentrieren und das Chaos in seinem Kopf zum Schweigen zu bringen.
***
Als Liv erwachte, taten ihr alle Knochen weh. Sie hatte noch nie so unbequem geschlafen, auch wenn es natürlich wie immer ein verwirrend schönes Gefühl war in Jaspers Armen zu erwachen.
Stöhnend richtete sie sich auf, dehnte ihren Nacken und ließ die Schultern kreisen. Alles tat ihr weh und sie blinzelte Jasper böse an. Alles seine Schuld. Dieses Schlamassel war mit Sicherheit ganz allein seine Schuld.
Jasper erkannte an ihrem Gesichtsausdruck und dem missmutigen Funkeln in ihren Augen sofort, dass der Tag ohne einen heißen Kaffee zu einem Desaster biblischen Ausmaßes werden würde.
Als Liv wieder einfiel, warum ihr alles weh tat und sie nicht in ihrem Bett geschlafen hatte, schalt sie sich selbst eine Idiotin. Von jetzt an würde jeder Tag problematisch werden, bis entweder sie oder ihr Bruder starben. Und selbst wenn sie lebte, würde sie das Familienbusiness übernehmen und Menschen umkommen lassen.
Wenn es so weit war, würde sie ein ganz neues Wort dafür erfinden, denn ‚problematisch' würde ihren Tag nicht mal mehr in Ansätzen beschreiben.
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Guardian Demon
FantasiaStell dir vor, Gott und Lilith haben die Schnauze von den Eskapaden der Schöpfung voll und verabschieden sich auf nimmer Wiedersehen. Damit nicht alles im Chaos versinkt, übergeben sie ihren Stellvertretern - Dämonen und Engeln - klare Anweisungen...