9. „Ich habe es dir gesagt!"

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... oder „Du gedankenloser Gesichtselfmeter."
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„Warum zur Hölle hast du sie reingelassen?" Es kostete Jasper überdamönische Kraft nicht zu brüllen, sondern in normaler Laustärke mit ihrem hohlen Hausgast zu sprechen. Und weil es ihm keinerlei Befriedigung verschaffte flüsternd zu motzen, funkelte er sie zusätzlich böse an und stemmte - um seine Wut noch zu unterstreichen - seine Hände in die Hüften.

Plötzlich überkam ihn ein seltsames Gefühl. Das Déjà-vu verstärkte seine innere Unruhe noch. Hier stimmte etwas nicht. Etwas war faul, aber er konnte den Finger nicht drauflegen, was ihm Angst machte. Normalerweise konnte er drohendes Umgemach für Liv sehen und verhindern, aber dieses Mal war die Zukunft verschwommen.

Für einen Moment hatte ihn der Strudel seiner Gedanken mitgezogen und er war nicht bei
der Sache gewesen, weshalb er nur das Ende von Jens Geplapper wahrnahm.

„... nette, alte, verwirrte Dame, die sofort wieder gegangen ist, nachdem sie gesehen hat, dass wir keinen Rohrbruch haben und bei uns nichts unter Wasser steht."

Jasper wusste nicht worüber er zuerst ausrasten sollte und machte sich hastig geistig Notizen. „Du schwachköpfige Schiffsschaukelbremserin lässt einfach eine Fremde in eine Wohnung, in der du nur Gast bist? Hast du sie noch alle?!" Er konnte sehen, dass Jen keine Ahnung hatte, warum er so ausflippte und ihre Augen begannen verdächtig nass zu glitzern, aber ihre Gefühle waren ihm scheißegal. So egal, wie es ihm nur sein konnte, denn sie hatte V gefährdet. Von Anfang an hatte er gewusst, dass es eine völlig hirnrissige Idee gewesen war sie aufzunehmen.

„Hast du sie alleine gelassen?" Als er keine Antwort bekam, wurde er lauter und bedrohlicher. „Erde an Jen. Hallo? Bist du auch noch taub und nicht mehr einfach nur dämlich? Ich habe dich etwas gefragt." Er merkte selbst, dass die Ader auf seiner Stirn wütend im Rhythmus seines Herzschlags pochte und er bedrohlich auf die zarte Frau wirken musste, aber er konnte nicht anders. Es konnte kein Zufall sein: Daniel, ihr bevorstehender einundzwanzigster Geburtstag, die immer häufiger auftretenden Albträume, Nachbarn, die plötzlich klingelten, obwohl sie seit anderthalb Jahren in dem Haus wohnten und mit niemandem mehr Worte gewechselt hatten, als leise gemurmelte, höfliche Begrüßungen im Hausflur.

„Komm schon, Jen", er schnipste ungeduldig mit den Fingern vor ihrem Gesicht, „ich will wissen, ob du sie alleine gelassen hast du gedankenloser Gesichtselfmeter. Konzentrier dich." Es fehlte nicht mehr viel und er würde sie packen und schütteln.

„J?" Liv trat ins Wohnzimmer und legte ihm beruhigend die Hand auf den Rücken. So sprach sie ihn fast nie an. Mühsam um Beherrschung ringend, drehte er sich zu ihr um.

„V." Immer noch wütend sah er in ihre wunderschönen Augen und seufzte. „Ich habe es dir gesagt."

Nickend strich sie über seine Wange. „Ja, das hast du. Und du kannst deinen klitzekleinen Sieg noch auskosten, aber nicht jetzt." Als sie spürte, wie er sein Gesicht in ihre Hand schmiegte, entspannte sie sich etwas. Sie wusste, dass er Jen niemals wehtun würde. Sie wusste aber auch, dass es Jaspers Job war auf sie aufzupassen. In den letzten Jahren hatte sie gelernt ihm völlig uneingeschränkt zu vertrauen, wenn es um ihre Unversehrtheit ging. Wenn er jetzt ein mieses Gefühl hatte - dann ganz sicher nicht grundlos.

„Sie war allein", die Antwort Jens kam so leise, dass er sie beinah überhört hätte. Beinahe.

„Du bekloppte Blödmannsgehilfin!"

„J, bitte." Liv umfasste erneut sein Gesicht mit ihren kleinen Händen und zwang ihn ihr in die Augen zu sehen. „Komm schon. Ich weiß, dass du recht hast. Sie weiß es auch." Sanft streichelte sie durch seine Haare. „Es ist nunmal passiert und wird nie wieder passieren. Jetzt lösen wir das Problem." Wortlos versuchte sie ihm mitzuteilen, dass sie später, wenn sie allein waren, weiter sprechen würden. Jetzt musste sie Jen erklären, wieso Jasper durchgedreht war.

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