... oder „Dämonische Witzfigur"
♾♾♾„Ich hatte dich heute Abend nicht hier erwartet", seine Stimme klang nasal und auf eine verstörende Weise grausam. Liv bemühte sich den Schauer, der über ihren Rücken lief zu kaschieren. Seit der Dämon Abagrion ihr die Tür geöffnet und sie in die riesige Villa hereingelassen hatte, pochte ihr Herz schneller als je zuvor.
Ihr Blick glitt langsam über die Erscheinung des Mannes, der ihr Zwillingsbruder sein sollte. Ihre Augen tasteten sein Gesicht ab, flogen über seine Gestalt; nahmen seine reduzierte Mimik und seine wenig natürlichen, fast einstudiert wirkenden Gesten auf. Jede Bewegung, jedes Wort schien einem wohl durchdachten Schauspiel zu folgen. Bedacht rein auf die Wirkung. Völlig irre. Total bekloppter Typ. Sie verkniff es sich ihn auf der Stelle auszulachen.
Erstaunt stellte sie fest, dass sie sich nicht in ihm wiederfand und empfand gleichzeitig umfassende Erleichterung und große Enttäuschung. „Natürlich hast du das nicht", bestätigte sie ihn in seiner Annahme. Der arrogante Arsch hätte niemals damit gerechnet, dass sie die Konfrontation suchen würde. Das war vielleicht auch nicht ihre klügste Idee, aber wenigstens eine Überraschung.
Seine Augen waren kalt und leblos, während er sie musterte, als sei sie Kaugummi, in das er mit seinen Balenciagas getreten war. Entweder gefiel ihm nicht, was er sah oder er hatte etwas anderes erwartet. Beides war Liv gleichgültig, musste ihr gleichgültig sein, wollte sie das hier durchziehen.
„Du hast keine Ahnung, wer ich bin oder?" Seine nasale Stimme brachte sie beinahe zum Lachen. War er verschnupft oder klang er immer so? Das war ja eine Strafe für sein gesamtes Umfeld.
„Spiel dich mal nicht so auf, Bruder." Sie hoffe inständig, dass ihre Stimme selbstsicherer klang, als sie sich fühlte. Diese Situation war so absurd. Surreal. Völlig abstrus. Sie war gekommen um einen Kompromiss zu erreichen, was ihr aber von Sekunde zu Sekunde in denen sie in das vor Verachtung verzogene Gesicht ihres Bruders sah, unwahrscheinlicher vorkam.
Mit einem Wimpernschlag änderte dieser seine Taktik und brachte sie damit tatsächlich kurz aus der Fassung. „Geliebte Schwester." Ein strahlendes Lächeln zierte seine schmalen Lippen und vertrieb den grausamen Zug um seinen Mund. Er breitete seine Arme aus, schritt die wenigen Stufen der großen Treppenflucht zu ihr herab und kam letztlich drei Schritte vor ihr zum Stehen. Die Art und Weise wie er das Wort aussprach, das ihre Beziehung kennzeichnete - Schwester - verursachte einen winzig kleinen Riss in der so mühselig errichteten Mauer um ihr Herz, die ihren Zwilling und diejenigen, die sich ihre Familie nannten, aussperren sollte. Dieses Wort, was soviel Verheißung barg - Familie, Geborgenheit, Zuhause - wurde durch seine vor Hohn und Spott triefende Stimme zu einer Beleidigung, zu einer absichtlich zugefügten Verletzung, die nur diejenigen zustande bringen konnten, mit denen man durch Fleisch und Blut verbunden war.
„Spar dir das, du dämonische Witzfigur." Seine aufgesetzt fröhliche Miene bekam für einen Augenblick einen Riss. Langsam senkte er seine Arme und verschränkte sie in seinem Rücken. Liv stellte sich unauffällig so, dass sie einen Angriff würde besser parieren können, ging sie doch davon aus, dass er hinter seinem Rücken eine Waffe verbarg. Jasper wäre stolz auf sie. Nicht, dass sie ganz genau wüsste, was sie gegen eine Waffe ausrichten könnte, schließlich war sie unbewaffnet gekommen, aber wenn sie damit rechnete würde es sicher weniger schlimm enden. Oder? ODER?
„Du weiß also wer wir sind. Und trotzdem kommst du hier her?" Vermutlich bildete sie sich den Hauch von widerwilligem Respekt in seiner Stimme einfach ein.
„Wieso nicht? Ich hab gehört, hier gibt es war zu erben?", erwiderte sie grinsend.
„Du spielst ein ziemlich gefährliches Spiel kleines Mädchen und hast noch nicht mal die Anleitung dazu in den Händen gehalten, geschweige denn hineinsehen können."
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Guardian Demon
FantezieStell dir vor, Gott und Lilith haben die Schnauze von den Eskapaden der Schöpfung voll und verabschieden sich auf nimmer Wiedersehen. Damit nicht alles im Chaos versinkt, übergeben sie ihren Stellvertretern - Dämonen und Engeln - klare Anweisungen...