„Es fühlte sich an wie sterben." (Bonus).

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Liv wurde wach, als glühende Widerhaken durch ihren Unterleib gerissen wurden. Stöhnend rollte sie sich in Embryonalstellung zusammen, doch der Schmerz ebbte nicht ab, im Gegenteil, ihr Rücken meldete sich mit dumpfen Schmerzen entlang der Wirbelsäule, so als ob er ihrem Bauch nicht die alleinige Peinigung Livs überlassen wollte. Sie stöhnte. Verdammt tat das weh. Wieso tat plötzlich alles so weh? Auf der Suche nach einer Position in der ihre Peiniger sie in Ruhe ließen, drehte und wendete sie sich von links nach rechts, versuchte es auf der Seite, dem Bauch, legte sich auf den Rücken und drehte die Beine so weit es ging zur Seite - nichts half, aber sie wurde dennoch belohnt: mit einem warmen Schwall Blut, der Dank der vielen Bewegung plötzlich zwischen ihren Beinen hervorschoss.

Während sie sich völlig genervt Taschentücher zwischen die Beine klemmte, unterzog sie in gekrümmter Haltung das Bett einer Musterung, was aber wie durch ein Wunder sauber geblieben war.
Wer hatte sich diese Widerlichkeit bloß ausgedacht? Wenn sie jemals Gott oder Lilith treffen würde, würde sie ganz ganz dringend ein ernstes Wort mit ihnen reden müssen. Das wäre doch sicherlich auch einfacher gegangen und weniger schmerzhaft und scheiße und ... sie verlor den Gedanken, als eine weitere Schmerzwelle ihren Unterleib zerriss.

Als die pochende Folter sich langsam zurückzog - Liv machte sich nichts vor, die Schmerzen gingen nur, um noch heftiger und gemeiner zurückzukehren - griff sie nach ihrem Handy, um Jasper anzurufen. Noch nie hatte sie diese Art von Schmerzen während ihrer Periode gehabt, irgendwas musste nicht in Ordnung sein.

Nach Livs Anruf hatte Jasper sich fast sofort vor der Villa materialisiert und hetzte nun die Stufen in ihr gemeinsames Schlafzimmer herauf.

***
Vergangenheit
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Jasper krümmte sich ob der alles verzehrenden   Schmerzensbrunst zusammen, die drohte seinen Unterleib zu zerfetzen. Was zur Hölle war das? Er riss die schweren Bettdecken von seinen Beinen und sein T-Shirt von seinem Bauch, doch fand er nichts als unversehrte Haut vor. Die Erleichterung währte jedoch nur kurz, den sofort schoss pochender Schmerz durch seinen Kopf und ließ ihn stöhnen. Wurde er angegriffen? Tobte sich jemand an ihm aus? Sein Kopf malträtierte ihn weiter mit pochenden Stößen, so dass sich nun auch sein Magen meldete. Er rebellierte grundlos, sendete aber immer wieder Wellen der Übelkeit durch seinen Körper. Während er nach der Ursache forschte, in sich hinein horchte, um sich zu heilen, erhob er sich vorsichtig, um Liv aufzusuchen. Leider musste er feststellen, dass aufrechtes Stehen weder seinem Rücken, noch seinem Unterleib gefielen, die ihn sofort mit brüllenden Schmerzen abstraften - und ließ sich aufgrund der unfassbaren Agonie erneut auf das Bett sinken. War seine Zeit abgelaufen? War das der Tod? Mühselig rappelte er sich ein weiteres Mal hoch und materialisierte sich in gebückter Haltung in den Flur zu ihrem Zimmer. Wenn er starb, wäre Liv schutzlos. Er musste sie zu Robin bringen. Ihre menschlichen Eltern konnten sie nicht schützen.

Auf dem Flur traf er auf seinen weinenden Schützling, in ihrem grünen Lieblingspyjama auf dem das goldene Triforce prangte. „V, ist alles ok bei dir?" Er würde gern sagen, dass ihre Tränen ihn seinen Schmerz vergessen ließen, doch musste er zugeben, dass die reißende Qual seine ganze Aufmerksamkeit bündelte.
„Ich glaube, dass ich zum ersten Mal meine Tage habe", schniefte sie.

Es dauerte einige Sekunden, aber dann fiel es Jasper wie Schuppen von den Augen. Es waren nicht seine Schmerzen, sondern ihre. „Ich kann dir helfen." Und sich selbst, wie konnte das Kind bloß aufrecht stehen? „Das kannst du?", strahlte sie ihn an. Jasper nickte und schob sie zurück in ihr Zimmer, während eine erneute Welle von Schmerzen ihn überrollte. „Nimm
meine Hand und drück ganz fest zu." Liv tat wie ihr befohlen, auch wenn sie nicht verstand wieso. „Ist es so gut?" Jasper traten, in dem Bemühen nicht laut zu Stöhnen, Schweißperlen auf die Stirn. Behutsam führte Liv ihn in ihr Zimmer und leitete ihn zu ihrem Bett. Er sah das kleine Mädchen vor ihm an und wunderte sich einmal mehr über ihre Tapferkeit. Sie sah zwar nicht glücklich aus, aber sie ertrug die Schmerzen augenscheinlich mit viel Würde.
„Kannst du jetzt machen, dass das Blut weggeht?" Er schüttelte den Kopf. „Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee wäre, aber ich kann dir die Schmerzen nehmen, Mäuschen." Liv sah enttäuscht aus und zuckte mit den Achseln. „Das andere wäre mir lieber, aber das ist vermutlich auch ok." Jasper legte seine Hand auf ihren Kopf und dämpfte die Auswirkungen der Menstruation. Erleichtert sah er auf sie herab. „Das war heftig oder? Fühlte sich an wie sterben!", flüsterte er, als sein Körper sich endlich wieder normal anfühlte. Liv nickte zögerlich. Schön war es nicht gewesen, aber so schlimm wie sterben war es sicherlich auch nicht. Jasper hatte ihr mal erklärt, dass er ihren Schmerz auch fühlte. Vielleicht fühlte sich Schmerz für Männer ja anders an?

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Als er das Zimmer betrat, musste er an sich halten nicht zu lachen. Liv lag in einer völlig verdrehten Haltung mit den Beinen auf der Rückenlehne auf der kleinen Couch. Ihre Haare sahen aus wie das Gefieder eines geplatzten Vogels und ihre Miene war das Leiden Christi.
„Warum tut das dieses Mal so weh? Können Dämonen sterben? Vielleicht hat mir jemand was angetan?", jammerte sie augenblicklich los, als sie ihn sah. Dann nahm sie die Tüte in seinen Händen wahr. „Ich glaube, ich spinne! Ich rufe dich an, weil ich sterbe vor Schmerzen, meine Füße und mein Bauch ganz geschwollen sind und du gehst erstmal gechillt einkaufen? Du unsensibler Mistkerl. Du bist genau wie alle Männer. Hau ab", ihr Schimpfen steigerte sich schnell zu einem unbändigen Kreischen.
Jasper seufzte. Was hatten Gott und Lilith sich bloß dabei gedacht, jede noch so sanftmütige Frau alle drei bis vier Wochen in launische Monster zu verwandeln?
Vorsichtig näherte er sich ihr, während er den Sofakissen, die sie wütend nach ihm warf, auswich. „Kleines, ich habe dir deine Lieblingsschokolade mitgebracht. Und Eiscreme." Zum Beweis hielt er ihr die offene Tüte hin.
Liv sah hinein und fragte leise: „Und Marshmallows?" Jasper lächelte sie an und bestätigte. Sofort schossen Tränen in ihre Augen und sie begann zu jammern, dass sie ein undankbares Miststück sei, was ihn nicht verdient habe. Vorsichtig setzte er sich neben sie und öffnete die Eiscreme, was Liv freudig lächeln ließ. „Stracciatella", seufzte sie zufrieden. Als er jedoch zwei Plastiklöffel aus der Tüte holte, verfinsterte sich ihre Miene augenblicklich wieder.
„Was ist das?", fragte sie leise und Jasper überhörte den warnenden Unterton in ihrer Stimme, weil er vorsichtig die Packung mit Mashmallows öffnete. „Löffel. Oder wolltest du das Eis mit den Fingern essen?"
Sie funkelte ihn an. „Warum sind es zwei Löffel?" Jasper riss das dünne Plastik von der Eiscreme und streute Marshmallows darüber. Erst dann sah er in ihr Gesicht. Er schluckte. „Ich dachte, falls einer kaputt geht, hast du noch einen zweiten." Nach einem kurzen sehnsüchtigen Blick auf die Eiscreme gab er ihr den Behälter.

„V?", traute er sich sie anzusprechen, als sie bereits die halbe Packung verdrückt hatte. „Mmh?" Ihre volle Konzentration galt der Vernichtung der Eiscreme.
„Du bist die Seelenfängerin." Als er keine Reaktion bekam, fuhr er fort. „Eine Dämonin?" Doch noch immer tat sich nichts bei ihr. Jasper seufzte. „Du kannst dich selber heilen?" Nun hatte er ihre Aufmerksamkeit.
„Und das sagst du mir erst jetzt?", fauchte sie ihn an und schlug mit der freien Hand nach ihm. Er ließ sie gewähren. „Es ist nicht so einfach, weißt du." Während er sich verlegen am Hinterkopf kratzte, vermied er ihren Blick. „Du kannst die Ursache nicht beseitigen, denn dein Körper würde dann in die Wechseljahre kommen." Entsetzt riss sie die Augen auf. „Du verarscht mich doch? Wenn ich mich erst in tausend Jahren entscheide ein Kind zu bekommen, muss ich diese Tortur trotzdem jeden Monat mitmachen?" Sie empfand in diesem Moment puren Hass für die Schöpfer. Jasper nickte. „Aber du kannst ja das Echo abschwächen."
„Wieso tut es zum ersten Mal so krass weh?", fragte sie ihn, während ihre Augen misstrauisch über sein Gesicht huschten. „Weil ich dich jedes Mal geheilt habe", gab er zu. Sie nickte verständnisvoll. „Du konntest noch nie haben, wenn ich leide." Tatsächlich spürte er, wie Blut seine Wangen rosa färbte. Ja, dabei war es nur um sie gegangen.
Seufzend krabbelte sie zu ihm und kuschelte sich in seine Arme. „Erklär mir jetzt, wie das geht."

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Danke Wasserfuchs für die Idee 😉

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