PoV Levi
Sechs Tage nach dem Vorfall mit Erwins Nachbarn bekam er einen Anruf, die Mutter von einem der Jungen wollte sich persönlich für die Hilfe bedanken und lud uns beide zu einem Abendessen ein.
Auch, wenn ich solche Förmlichkeiten normalerweise hasste, riss ich mich zusammen und fuhr mit Erwin zu der Adresse, die Frau Jäger uns genannt hatte. Außerdem sorgte ich mich um den Jungen. Seine Frage, ob er endlich tot wäre ging mir nicht mehr aus dem Kopf.
Jäger, Erwin hatte mir erzählt, dass das nicht die Nachnamen seiner Nachbarn waren. Oft genug hatte er Pakete für sie entgegen nehmen müssen. Es war immer Leonhart, Braun oder Hoover. Doch niemals war es Jäger. Immerhin wussten wir nun den Nachnamen des Jungen auf der Couch.
„Was denkst du wie das laufen wird?", fragte ich und hielt meinen Blick dabei konstant auf der wenig befahrenen Straße. Es regnete schon seit Stunden und die meisten Leute waren Zuhause - eine kluge Entscheidung, wenn man mich fragen würde. Raus und unter Menschen gehen war schon immer schwierig für manche, sich bei Regen, wenn man vielleicht eh schon missgelaunt ist, dazu aufzuraffen, war noch viel schwieriger. Lieber Zuhause bleiben als sich unnötigem Stress auszusetzen. Doch mich fragte ja keiner.
„Ich denke es wird seltsam. Du hast den Jungen gesehen, es würde mich ehrlich gesagt wundern, wenn die Mutter nicht auch so ist und ihre Wohnung nicht auch so aussehen würde." Erwin hatte nicht unrecht mit dem was er sagte, die meisten Drogenabhängigen schauten es sich von älteren Geschwistern oder auch Eltern ab oder kamen aus schlechteren Verhältnissen, sodass sie zu dealen anfangen und schließlich selber nur einmal probieren. Doch aus mal probieren wird ein weiteres Mal und ein weiteres Mal und irgendwann ist es kein Test mehr, sondern ein scheinbar unstillbares Verlangen nach mehr.
Die Wohnung, dessen Adresse Frau Jäger uns gab, lag grob gesagt im Ghetto. Wir parkten an einem Betonblock mit 6 Etagen. An dem grauen Klotz waren braune Balkone und unten im Hof hatte der Wind eine Mülltonne umgekippt und die Säcke lagen nun verteilt auf dem Gehweg.
Auch wenn mein innerer Putzzwang mir sagte ich solle sofort aufräumen, tat ich es nicht. Ich hatte gelinde gesagt kein Bock im Regen zu stehen. Schnell liefen wir zum Mehrfamilienhaus, klingelten bei Jäger und traten nach dem Summen ein.
Zwei Treppen später stand eine ältere Frau, vielleicht Ende 30 im Türrahmen. Entgegen unserer Erwartung, sah sie nicht so aus, als würde sie das Hobby ihres Sohnes teilen. Sie sah ganz normal aus. Und auch nachdem wir uns die Hand gereicht und sie uns in die Wohnung gelassen hatte, war ich überrascht.
Es war fast so sauber, wie bei mir. Hier und da ein paar staubige Ecken, doch alles in allem sehr sauber und ordentlich. Auch Erwin sah man an, dass er eine solche Umgebung nicht erwartet hatte. „Frau Jäger-", fing der Blonde an, doch lieb lächelnde Frau unterbrach ihn: „Bitte nennen Sie mich Carla, nachdem was Sie zwei für Eren getan haben, sollten wir uns beim Vornamen nennen." Eren hieß er also. Eren Jäger.
„Also schön, Carla vielen Dank für die Einladung.", Erwin folgte der Frau in ein überraschend geräumiges Esszimmer, wo bereits gedeckt war. Auch ich ging den beiden hinter her, sah mich dabei ein wenig um und entdeckte ein junges Mädchen in der Küche. Sie lehnte an der Theke und sah besorgt nach vorn. Es schien als würde sie jemanden ansehen, doch ich konnte nichts erkennen. „Oh ich kenne Ihren Namen ja noch gar nicht.", sprach Carla mich an und perplex blieb ich stehen, zu sehr war ich auf die Situation in der Küche konzentriert gewesen. Wahrscheinlich sah das Mädchen diesen Eren an.
„Levi Ackermann.", entgegnete ich und reichte ihr die Hand. „Entschuldigen Sie seine raue Art, so ist er einfach.", Erwin sah mich ein wenig sauer an, doch das war ich gewöhnt. So zuckte ich nur mit den Schultern.
Nach etwas Smalltalk, den Erwin und Carla aufrecht hielten kamen zwei weitere Personen ins Zimmer, beide jeweils einen Kochtopf in der Hand. Das Mädchen von eben, schwarze Haare, blaue Augen, einen roten Pullover und eine schwarze Jeans. Hinter ihr Eren. Seine Augenringe sahen nicht unbedingt besser aus, aber das lag wohl eher an dem plötzlichen Entzug, den er durchmachte. Es schien mir nicht, als wäre diese Wohnung ein Ort, an dem man sich Heroin spritzte. Und ich glaubte auch nicht, dass Carla ihn aus den Augen ließ nachdem was passiert war.
Eren trug ein lockeres graues Shirt und eine schwarze Jogginghose. Im Gegensatz zu dem Mädchen und seiner Mutter schien er weniger erfreut über unseren Besuch. Ich konnte es verstehen, hier kommen einfach zwei Fremde, die ihm am vermutlich tiefsten Punkt seines Lebens sahen und sollen so tun, als wäre nichts passiert.
Die beiden stellten das Essen auf den Tisch und Carla bat uns Platz zu nehmen. „Also Eren kennen Sie ja schon. Das ist meine Tochter Mikasa. Kinder das sind Erwin und Levi.", damit waren Namen geklärt und die gut gelaunte Frau füllte jedem etwas zu Essen auf. Zugegebenermaßen war die Stimmung dank Erwin und Carla besser als gedacht. Während die beiden Mikasa öfter mal in ein Gespräch einbezogen und über ihre herausragenden Leistungen in der Schule sprach, musterte ich Eren, welcher missmutig in seinem Essen stocherte. „Levi was arbeiten Sie denn?", fragte Mikasa freundlich und auch Erens Blick hob sich von seinem Teller.
„Ich arbeite für eine Organisation, die sich mit schwer erziehbaren und psychisch kranken Kindern beschäftigt.", erklärte ich grob und sah die aufkommende Panik in Erens Augen. „Und wie ist das so?", fragte Carla. Sie hatte, wie ich am Rande mitbekommen hab, 3 Jobs. Vormittags bis nachmittags arbeitete sie in einer Schulbetreuung, nachts war sie in einer Bar kellnern und an den Wochenenden putzte sie im Rathaus. Eine vielbeschäftigte Frau.
„Es ist anstrengend. Die Kinder und Teenager sind super und wir kommen alle miteinander klar, aber es ist wirklich anstrengend.", neben der psychischen Belastung, die für mich auf meine eh schon existierenden Depression noch drauf kam, war es auch körperlich anstrengend. Die Gruppe, um die ich und meine Kollegin uns kümmerten war ausgelegt auf aktive Stressbewältigung. Theoretisch hieß das "Wie lenke ich mich am Besten davon ab, dass mein Leben scheiße ist und ich mich umbringen will". Für die meisten kam Sport oder allgemein körperliche Aktivitäten in Frage, so wurde and 3 von 5 Tagen Sport gemacht, die anderen zwei Tage wurden für Gruppendynamik und Therapie genutzt.
„Sind die deswegen hier? Wusstest du das?", fauchte Eren plötzlich heiser und starrte seine Mutter an. „Du wusstest das und willst mich in so eine Gruppe stecken!", zischte er und sah sich um. Schweiß lief seine Stirn herunter und panisch krallte er sich in die Servierte an seinem Platz.
Nur zwei Sekunden später war er aufgesprungen und in einem Zimmer der Wohnung verschwunden. Deutlich zu hören an dem lauten Türknall. Gerade als Carla ihm hinter her wollte, konnte ich sie davon abhalten: „Lassen Sie ihn lieber in Ruhe. Er muss mit einigem fertig werden und braucht ein bisschen Zeit für sich." Carla seufzte, meinte sie würde auf meine Expertenmeinung vertrauen und fuhr sich mit den Händen durchs Gesicht.
„Mikasa lässt du uns bitte allein?", fragte sie und die 17-Jährige verschwand ohne Widerworte. Tröstend legte Erwin eine Hand auf Carlas.
„Es tut mir wirklich leid.", schluchzte sie leise und versuchte die aufkommenden Tränen wegzublinzeln. „Ich verstehe wirklich nicht, was ich falsch gemacht habe. Und ich weiß nicht wie ich ihm helfen soll, wenn ich doch nicht hier sein kann."
Eine Weile sagte niemand was, Carla brauchte die Ruhe um sich zu fangen, doch dann brach ich die Stille. „Ich habe früher schon mit solchen Fällen gearbeitet, vielleicht kann ich Ihnen ein wenig helfen. Eren muss das aber auch selber wollen, ansonsten ist es nutzlos.", erklärte ich und reichte ihr die Karte meiner Agentur, welche ich immer bei mir trug.
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Let me save your life [Ereri/Riren]
FanfictionEren (19) kam durch einen falschen Freundeskreis von Annie (19) Reiner (19) und Berthold (18) an Drogen. Als Erwin (23) der Nachbar von den Dreien an einem Abend genug von der Gruppe hat, beschließen er und sein bester Freund Levi (22) die Wohnung z...