Kapitel 2

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PoV Levi
Müde streifte ich meine Schuhe ab und drehte den Schlüssel im Schloss einmal rum. Der Tag war mehr als anstrengend und ich wollte einfach nur noch ins Bett. Ins Bett und mich verkriechen, für mindestens ein Jahr, oder noch länger.

Doch kaum war ich in meinem Schlafzimmer angelangt, hatte sich der Traum von Schlaf und Ruhe erledigt. Meine Katze - dieses dreckige Mistvieh - hatte mal wieder den Kratzbaum umgekippt. Das wäre an sich nicht schlimm, doch dieser hatte einige Pflanzentöpfe von der Fensterbank gekickt und die Erde lag nun überall verteilt auf dem Boden.

Und die Katze lag nur auf dem gemachten Bett und musterte mich. Wie sehr ich sie manchmal aus dem Fenster werfen würde. Kurzerhand stellte ich den Baum wieder auf, holte Handfeger und Staubsauger und beseitigte die Unordnung, ehe ich nur noch meine Klamotten los wurde und mich neben dem schwarz-weißen Tier niederließ.

Lange geschlafen hatte ich nicht, wenns hoch kam vielleicht 3 Stunden. Mal wieder bekam ich eine Panikattacke und blieb den Rest der Nacht wach. So lag ich unter meiner Decke, den Kopf zur Seite gedreht. Im Hintergrund lief irgendeine dumme Soap, die mich eigentlich hätte ablenken sollen, doch halfen tat das eher selten.

Rhea lag auf meiner Hüfte, schnurrte und genoss die Streicheleinheiten an ihrem Nacken. Auch wenn sie mich zwischendurch echt nervte, war ich froh, dass sie da war.

Sie lenkte mich oft von den nächtlichen Gedanken ab, gab mir eine Aufgabe. Auch wenn es nur Füttern und Klo sauber machen war, war es hilfreich. Sie war hartnäckig, wenn sie Hunger hatte. So musste ich in den wirklich schlimmen Phasen immer mal wieder aufstehen und mich kümmern. Und ohne diese kleine Aufgabe wäre ich bestimmt schon längst eingegangen.

Diese Phasen waren die Schlimmsten. Phasen in denen mir beinahe alles egal war, ich vernachlässigte mich, die Wohnung, meine Arbeit und soziale Kontakte. Und wäre Rhea nicht so unheimlich nervig, wenn sie Hunger hatte, dann würde ihr wohl das selbe Schicksal ereilen.

Ich war nie ein geselliger Mensch. Zwar hatte ich eine stark ausgeprägte soziale Ader, doch ich mochte keine Menschen. Fremde waren mit unheimlich. Die einzigen mit denen ich klar kam, waren meine Arbeitskollegen, Erwin und sein Freund und die Hand voll Teenagern, die ich betreute. Sie alle halfen mir unbewusst meine eigenen Probleme zu verdrängen.

Warum sollte ich auf mich achten, wenn es anderen Menschen deutlich schlimmer ging, als mir? Diese Frage stellte ich mir jedes Mal, wenn ich in das große Gebäude eintrat. So auch jetzt. Die Tür ging langsam hinter mir zu. Petra am Empfang lächelte mir wie immer freundlich zu, was ich jedoch nur mit einem desinteressiertem Nicken erwiderte.

Ich trottete den scheinbar unendlich langen Weg zu meinem üblichen Gruppenraum entlang. Schon vor der Tür hörte ich, dass ich nicht der Erste war. Hanji war bereits mit einigen von unserer Gruppe am quatschen.

Kaum öffnete ich die Tür, fiel das Vierauge mir um den Hals. Ich ließ diese Tortur stumm über mich ergehen, es hatte wirklich lang gedauert mich davon zu überzeugen ihr nicht jedes Mal eine reinzuhauen, wenn sie das tat. Die Brünette ließ mich los und ich hob der Gruppe zur Begrüßung die Hand.

Sasha, Armin, Ymir und Christa waren bereits da. Alle sahen für ihre Verhältnisse gut aus. Gesund. Doch wenn man hinter diese Gesichter und dafür in ihre Akten sah, konnte man schnell erkennen, was unter dieser Maske steckte. Angstzustände, Schizophrenie, Aggressionen und so viel mehr.

Jeder vernünftige Therapeut würde sagen, dass es wahnsinnig wäre all die gemischten Gefühle und Probleme zusammenzustecken. Doch die Praxis bewies anderes. Dadurch, dass so viele verschiedene Krankheiten aufeinander trafen, konnten die Kinder sich und auch die anderen besser verstehen, kamen mit einfachsten Alltagssituationen - die sonst unlösbar schienen - besser klar. Wie Syndrome einer Keimphobie jemandem mit Bulimie halfen, wie unterschiedlich eine multiple Persönlichkeitsstörung und Schizophrenie wirklich waren. Es half ihnen. Und auch mir.

Nach einiger Zeit war die Gruppe von 7 Teenagern vollständig und wir konnten mit dem üblichen Gerede anfangen. Heute war Dienstag, das hieß Therapie und Fortschritte. Immer Dienstag und Donnerstag. Die restlichen drei Tage wurden mit körperlichen Aktivitäten belegt, neben Sportstunden hier im Gebäude waren auch Außenaktivitäten angesagt.

Auch wenn sich öfter mal darüber beschwert wurde, gefiel es allen und das wichtigste war eh, dass es ihnen half.

Gerade für Leute wie Ymir und Armin war das wichtig. Aggressionen durch körperliche Aktivitäten zu verringern, war nichts Neues. Sozialphobie mit Gruppenaktivitäten zu behandeln, war ebenfalls nichts Neues. Diese Methoden hatten bei den beiden schnell Wirkung gezeigt. Armin hatte schnell begriffen, dass dies ein sicherer Raum war und niemand ihm etwas Böses wollte. Ymir hatte schnell aufgehört jeden anzuschreien.

Das lag hauptsächlich an Christa, da Ymir das Gefühl bekam sie müsste Christa und all ihre verschiedenen Persönlichkeiten beschützen.

„Wie erging es euch seit Donnerstag?", fragte Hanji und machte es sich ein wenig bequemer. Schon lange hatten wir darauf verzichtet am Tisch oder im Stuhlkreis zu sitzen, es wirkte sehr gezwungen. Mit einem einfachen Platz irgendwo im Raum wollten wir es den anderen leichter machen.

Am Dienstag wurde immer besprochen wie das Wochenende war, wie es Zuhause lief und und und. Donnerstags wurde auf das Wochenende vorbereitet. Jeder bekam eine Hausaufgabe, die zu erledigen war.

Angefangen bei Connie: „Ich habs geschafft ohne Handschuhe einkaufen zu gehen."
Sasha: „Am Samstag hab ich mich nicht übergeben."
Jean: „Ich hab mit meiner Mutter über das Ganze geredet. Sie versucht mir mehr zu helfen."
Marco: „Ich hab mich bei meiner Schwester entschuldigt."
Christa: „Ich hab sie am Sonntag und gestern gar nicht gehört."
Ymir: „Ist vielleicht nicht viel, aber ich hab den Teller, den ich nach meinem Vater werfen wollte lieber gegen die Wand geworfen." Wow Ymir, wow.
Armin: „Ich hab Pizza übers Telefon bestellt. Hab nicht mal gestottert dabei."

Die Freude über ihre kleinen aber wichtigen Fortschritte war den Teenagern ins Gesicht geschrieben. Jeder hätte es sehen können.
Auch wenn sie bereits alle über 17 waren, es waren immer noch Teenager. Junge Leute, die ihren Weg im Leben erst noch finden mussten.

Es klopfte an der Tür und Petra streckte ihren Kopf durch den kleinen Spalt. „Levi, da ist eine Frau, die dich sehen will. Irgendwas wegen ihrem Sohn."

Ich stand auf, verließ den Raum und traf auf Frau Jä- Carla , welche aufgelöst vor mir stand. Mit im Schlepptau ihr Sohn, welcher mich aus dunkel schattierten Augen böse anblickte.

Na super.

Let me save your life [Ereri/Riren]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt