Kapitel 4

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PoV Levi
Am Auto angekommen musste Connie sich wie immer ein bisschen überwinden einzusteigen. Mein Auto war aber - wie er mal gesagt hatte - das sauberste Auto, dass er jemals gesehen hatte. Und diese Tatsache machte es ihm leichter.

Er setzte sich nach hinten und Eren nahm auf dem Beifahrersitz Platz. Und ich fuhr los. Eigentlich war es ein Umweg Connie zu erst wegzubringen, doch ich wollte mit Eren alleine reden. Die Chance nutzen ihn ohne seine beschützerische Mutter zum Reden zu bewegen.

Kaum war Connie aus dem Auto raus und in seinem Haus verschwunden, drehte ich die Musik ein wenig leiser und drehte meinen Kopf zu Eren.
„Was denkst du, willst du Freitag dabei sein?", fragte ich und fuhr den Weg zu Erens Wohnblock. „Bin ich da erwünscht?" - „Hattest du den Eindruck, als hätte jemand etwas gegen dich?"

Er schüttelte den Kopf und sah auf seine zusammengepressten Beine. Er war wirklich sehr dünn. Dünner als ich. „Muss ich da extra für bezahlen?"
Nun schüttelte ich den Kopf: „Das Gute an einem Haufen Bekloppter ist, dass sie staatliche Unterstützung für solche Aktionen bekommen. Du müsstest nichts bezahlen und niemand der anderen würde sich darüber wundern, dass du dabei wärst."

„Haben die das auch alle durch? Dieses dasitzen und schauen?" Ich nickte.

„Dieser Connie war echt nett.", fuhr er fort. Auf der Fahrt hatten sie sich ein wenig über irgendwelche Videospiele unterhalten, die ich nicht kannte. „Sie sind alle nett. Bei Ymir und Marco muss man manchmal ein bisschen aufpassen, wenn man keine verpasst bekommen will, aber auch die sind nett." - „Ymir ist die, die gezählt hat oder?" Ich nickte.

„Wofür war das?", fragte er und sah meinen Bewegungen beim Schalten zu. „Das macht sie um nicht durchzudrehen. Sie soll rückwärts zählen, da muss sie sich konzentrieren und wenn das nicht hilft soll sie in vierer Schritten rückwärts zählen. Mehr Konzentration heißt weniger Aggression."

„Wenn man sich auf das Richtige konzentriert.", murmelte er und ich stimmte diesem mit einem leichten Nicken zu. „Wie lange hab ich Zeit zu entscheiden, ob mir das wirklich gut tut?", fragte er schließlich. Den Blick hatte er noch immer auf meine Hände gerichtet, beobachtete genau, was ich tat.

„So lange du brauchst. Selbst wenn du regelmäßig zu den Treffen kommst kannst du immer wieder sagen, dass das nicht das Richtige für dich ist.", auch nach einigen Monaten würde es ihm niemand übel nehmen. Die Therapiemethode, die Hanji und ich anwenden, ist eher ungewöhnlich und schlägt nicht bei jedem an. Doch es hilft den meisten in ihre alltäglichen Situationen wieder reinzukommen.

Eren nickte wieder. Eine Weile blieb es still. Mich interessierte zwar brennend, was in seinem Kopf vorging, doch es ging mich nichts an. Wenn er es nicht aussprechen wollte, fragte ich lieber nicht nach. Doch eine Frage brannte noch schlimmer als die Neugier.

„Eren, darf ich dich etwas Persönliches fragen?", fing ich schließlich an und bog dabei links ein. Überfuhr fast einen Vogel auf der Straße. „Ich kann nicht versprechen, dass Sie eine Antwort bekommen."

„Also ersten kannst du mich duzen, ich bin nicht so viel älter als du und wir stehen auf einer Ebene. Zweitens frage ich mich was passiert ist, dass du mit solchen Leuten rumhängst. Du scheinst mir ein sehr vernünftiger Junge zu sein, deine Mutter gibt sich viel Mühe mit dir, vielleicht auch ein bisschen zu viel. Und das was ich schon jetzt über deine Schwester weiß ist auch ziemlich beeindruckend."

„Mhm.", machte er und sah aus dem Fenster. „Ich treffe manchmal unüberlegte Entscheidungen. Mir ist dann einfach alles egal. Mir ist egal was ich tue, mit wem ich es tue und wie gefährlich das für mich sein kann. Mikasa ist nicht so, sie überdenkt alles gefühlt 1000 Mal, bevor sie irgendwas macht." - „Du meinst also, dass sowas wie von letzter Woche öfter vorkommt?", fragte ich sicherheitshalber. Ich merkte, dass er nicht sehr erfreut darüber war, dass ich Mikasa gelobt hatte.

„Dass es so ausartet, ist noch nicht passiert. Aber ich hab mal aus Spaß meinen Arm gebrochen. Dachte das wäre lustig. Ich hab mal vorgeschlagen in den Zoo zu gehen. Um 3 Uhr morgens. Das Schwierigste sind aber die Stimmungsschwankungen. Die Drogen lindern das. Wenn ich diesen Kick habe, bin ich ruhig, denke nicht über irgendwelche Scheiße nach, die mir Probleme machen könnte. Dass ich stattdessen fremde Leute frage, ob ich tot bin, ist vielleicht nicht unbedingt eine Besserung aber es ist immer noch besser als mich wirklich umzubringen."

Ich hörte ihm aufmerksam zu, versuche zu verstehen, wie er sich fühlte. Ich würde niemals aufgrund solcher Erzählungen - einer Konversation wie dieser - eine Diagnose stellen, das stand mir auch nicht zu, doch einiges von seinem Gerede erkannte ich bei mir selber wieder. Es stimmte, Drogen konnten Stimmungsschwankungen lindern, doch nur so lange bis man wieder nüchtern war. So entsteht die Sucht.

„Willst du dich denn umbringen?" - „Nicht unbedingt. Ich will nur nicht mehr existieren. Einfach nicht mehr da sein." Wieder nickte ich. „Und nimmst du gerade wieder Drogen?"

Er antwortete nicht, das konnte ich verstehen. „Ich bin kein Bulle. Und ich verurteile dich nicht, ich bin nur neugierig." Eren nickte, ob nun als Antwort auf meine Frage oder auf meine Aussage war egal, der Effekt war der Selbe.

„Weiß deine Mutter das?" - „Nein, sie würde durchdrehen."

„Darf ich deinen Arm mal sehen?", fragte ich und hielt auf dem Parkplatz vor Erens Haus. Er nickte und krempelte seinen Ärmel hoch. Einige bläuliche Flecken mit kleinen Einstichlöchern waren an seiner Armbeuge zu sehen. „Wenn es blau wird, lässt du die Spritze zu lange drin, oder du bindest nicht richtig ab. Wenn deine Mutter nichts mitbekommen soll, dann arbeite da besser dran."

Sichtlich überrascht zog er den Ärmel seines Pullovers wieder runter und schnallte sich ab. „Hast du schonmal?", er zögerte doch seine Frage war klar.

„Ja hab ich, hat mein Leben über diese Zeit echt kaputt gemacht." Eren nickte wieder, er schien ein wenig sprachlos.

Um ihn schnell aus der Situation zu befreien, nahm ich mir seinen Arm und einen Kugelschreiber aus dem Handschuhfach. „Überleg es dir wegen Freitag, ruf mich jederzeit an oder schreib mir, wenn du willst. Ich denke das ist dir lieber, als dass deine Mutter in meinem Büro anruft."

Eren betrachtete die Nummer auf seiner Handfläche und nickte wieder nur stumm. „Danke fürs Mitnehmen.", sagte er noch ehe er ausstieg und die Autotür hinter sich schloss.

Noch auf dem Weg zur Eingangstür des Mehrfamilienhauses tippte er die Nummer in sein Handy ein. Und ich war mir sicher, dass er Freitag mitkommen würde.

Let me save your life [Ereri/Riren]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt