ℳℴ𝓃ℴ𝒸𝒽𝓇ℴ𝓂𝒾ℯ

201 25 6
                                    

Taehyung Pov.

Schmunzelnd lese ich mir die letzten Nachrichten von Jungkook und mir durch.
Ich sitze auf der Couch in meiner Wohnung und halte den vermutlich grünen Hefter von Jungkook in meiner Hand.
Neben mir liegt die schwarze Laptoptasche, aus der ich soeben den Hefter gezogen habe.

Auch, wenn ich es vielleicht nicht zugeben würde, freue ich mich wie ein kleines Kind darauf, dass er Samstag zu mir kommt.
Zufrieden packe ich den Hefter auf den Tisch und lehne mich zurück. Für ein paar Sekunden, starre ich an die graue Decke. Dann stehe ich auf und gehe in die Küche, um noch etwas zu trinken, bevor ich schlafen gehe.

Mit einem Glas in der Hand lehne ich mich an meine Küchenzeile und lasse meinen Blick, durch meine so vertraute und gleichzeitig so fremde Wohnung gleiten.
Alles ist schwarz, weiß und grau.
So sehe ich es zumindest.

Seit meiner Geburt leide ich an Monochromie. Auf gut deutsch bin ich Farbenblind.
Normalerweise trage ich auch eine Brille, doch die habe ich seitdem ich studiere, durch Kontaktlinsen eingetauscht.
Niemand, außer meine Eltern wissen davon. Bisher habe ich auch nicht vor, es jemandem zu erzählen.

Für mich ist es normal, die Welt so trist zu sehen.
Klar, wünsche ich mir manchmal Farben sehen zu können, besonders wenn es Frühling wird oder so. Aber diese Krankheit bringt auch einen guten Vorteil mit sich.
Ich werde viel weniger Abgelenkt und kann mich besser und länger auf Dinge konzentrieren, als manch anderer.

In den 20 Jahren habe ich gelernt manche Farben voneinander zu unterscheiden. Es ist zwar verdammt schwer und ich brauche meine Zeit, aber meistens klappt es.
Rot, Grün und Blau fällt mir schwer.
Aber ich kann zum Beispiel Gelb von Lila unterscheiden.
Es kommt zwar auch immer darauf an, wie stark die Farbe ist, aber Gelb hat ein helleres Grau, als Lila.
Das, was die anderen Menschen, als deutliche Farben erkennen, habe ich, als unterschiedliche Grautöne in meinem Gedächtnis abgespeichert.

So bekomme ich es hin, mich durch den grauen Alltag zu schlagen.
Für einen Führerschein hat es immerhin auch gereicht. Und solang ich in meiner Selbstständigkeit nicht eingeschränkt werde, ist alles gut.
Geerbt habe ich das ganze von meinem Opa. Er ist früh gestorben, daher kenne ich ihn nicht wirklich.
Nur von meiner Mum weiß ich, dass er mir das zu 100 Prozent vererbt hat.
Mich würde wirklich interessieren, wie er damit umgegangen ist.

Ich stelle das Glas in die Spüle und mache mich auf den Weg in mein Schlafzimmer.
Ein Blick auf meine Wanduhr, verrät mir, dass es bereits kurz nach 22 Uhr ist. Morgenfrüh muss ich wie immer, schon um 5.30 Uhr aufstehen. Damit ich zumindest noch ein paar Stunden Schlaf bekomme, sollte ich mich jetzt wohl besser hinlegen.

Jungkook Pov.

Mein Puls pocht in meiner Halsschlagader. Meine Hände sind kalt und schwitzig. Meine Knie sind so weich wie Pudding, und wenn ich nicht aufpasse, könnte ich jeden Moment wegkippen.
Selbst mein Magen gibt außergewöhnliche Geräusche von sich. Ich weiß nicht, ob mir schlecht ist oder ich einfach nur extrem aufgeregt bin.

Selbst für ein Klassentreffen habe ich mich noch nie so schick gemacht, wie heute, wo ich einfach nur meinen Hefter abholen möchte. Und das von einem einfachen Praktikanten aus meiner Schule.

Donnerstag und gestern sind wir miteinander umgegangen, wie sonst auch. Vielleicht haben wir uns etwas weniger gegenseitig angestichelt, aber so anders, ist alles wie immer abgelaufen. Ich weiß sowieso gar nicht, was ich von unserem Treffen jetzt erwarten soll.

Zuhause habe ich mich ständig Dinge gefragt, wie: Wie werden wir miteinander umgehen, wenn wir nur zu zweit sind? Wird es eine verklemmte oder doch lockere Atmosphäre sein? Wie wird er sich gegenüber mir verhalten?
Auch jetzt kreisen diese Gedanken durch meinen Kopf und sind vielleicht auch daran Schuld, dass mir etwas schwindlig ist.

Bevor ich aber wirklich noch aus den Latschen kippe, betätige ich die Klingel zu seiner Wohnung. Schneller, als mir lieb ist, öffnet er die Tür für mich und bittet mich hoch zu kommen.
Nachdem ich 4 Treppen hinter mich gebracht habe, befinde ich mich nun in der zweiten Etage.
Taehyung hat die Tür zu seiner Wohnung bereits für mich geöffnet, weshalb ich einfach so frei bin und in die Wohnung eintrete.

"Hey!", mache ich mich laut und deutlich bemerkbar.

"Hey, Jungkook. Zieh deine Schuhe und Jacke aus und komm dann her. Ich koche gerade!", brüllt er durch seine Wohnung zurück. Sofort schließe ich die Tür hinter mir und streife die soeben genannten Sachen von meinem Körper.
Meine Nervosität klingt langsam ab und auch mein Kopf scheint sich zu beruhigen. Das Einzige, was mich jetzt noch beschäftigt ist, das er gekocht hat und somit die Absicht verfolgt, mich länger hier zu behalten.
Dabei hätte es mir auch gereicht einfach meinen Hefter zu nehmen und wieder abzuhauen.

Auf dem Weg in seine Küche, lasse ich meine Augen flüchtig durch die große, übersichtliche Wohnung fliegen. Alles sieht wie aufeinander abgestimmt aus. Zudem stehen hier auch nicht die billigsten Möbel. Beeindruckt von der Inneneinrichtung, komme ich schließlich in die Küche.
Taehyung hat sich eine Schürze umgebunden und steht mit dem Rücken zu mir, an einer Herdplatte. Vor ihm eine Pfanne mit brutzelndem Inhalt.

Ein angenehmer Duft kriecht in meine Nase.
"Setz dich schon mal. In ein paar Sekunden ist das hier fertig."
Zwar kann er es nicht sehen, aber ich nicke und setze mich somit an den bereits gedeckten Tisch.

"Schön hast du es hier. Hast du das selbst eingerichtet?", versuche ich ein Gespräch aufzubauen.
Nach einem kurzen Lachen, schüttelt er mit dem Kopf.
"Das war der Innenausstatter. Allein, hätte ich das niemals hinbekommen", somit schaltet er den Herd aus, füllt das Essen in einen extra Behälter und stellt diesen anschließend auf den Tisch.

Nachdem er sich die Schürze abgenommen hat, greift er nach dem Löffel, um mir etwas auf meinen Teller zu tun.
Es ist keine unangenehme Atmosphäre, sondern eher eine zurückhaltende und bedächtige. So als ob jeder befürchtet, etwas falsches zu sagen.
So habe ich zumindest den Eindruck, denn mein Gegenüber benimmt sich wie immer. Er ist es auch, der etwas Schwung in unser Gespräch bringt. Und allmählich fühle ich mich nicht mehr, wie bei einem ersten Date, sondern wie bei einem guten Kumpel zu Hause.

Offiziell haben wir nie ausgemacht, dass wir uns 'daten'. Aber offensichtlich haben wir beide das gleiche angenommen.

False Confidence Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt