Jungkook Pov.
In meinen eigenen Gedanken versunken, sitze ich auf der Bank der Bushaltestelle und beobachte, wie der Regen auf die Teerstraße prasselt.
Im gleichmäßigen Abständen fahren die Autos an mir vorbei und spritzen somit ein paar Tropfen bis kurz vor meine Füße.Einige Tropfen sind sogar schon auf meine Füße gekommen.
Doch ich ziehe sie deswegen nicht weiter zurück. Mein Kopf ist eh mit anderen Dingen beschäftigt, die ich im Moment als wichtiger erachte. Zum Beispiel, will mir der gestrige Abend nicht aus meinen Gedanken verschwinden.
Sobald ich die Augen schließe, um meiner Musik besser zu lauschen sehe ich da Taehyung.Wie er im Pool so nah bei mir war, dass ich das Gefühl hatte unter ihm zu ersticken. Sein durchdringender Blick, der mir bis auf die Seele schauen konnte. Seine dunklen Augen, die in dem wechselnden Licht wild funkelten.
Die Küsse, sein Atem und Stöhnen.
Seine Hände, die fordernd über meine Körper fuhren. Die Zunge auf meiner Haut.Eine Gänsehaut sucht sich einen Weg über meinen Rücken und für einen kurzen Moment, fange ich tatsächlich an zu grinsen. Im nächsten Moment aber, verfinstert sich meine Miene wieder. Ich darf so nicht über ihn denken. Gestern habe ich mir noch hoch und heilig geschworen diesen Abend einfach zu vergessen und jetzt könnte ich Freundensprüge machen, wenn ich mich daran erinnere?!
Diese Reaktion meines Körpers ist mir fremd. Ich will nicht wie ein Idiot grinsen, wenn ich an ihn denke. Genauso wenig will ich, dass mein Bauch kurz vorm explodieren ist, wenn ich mich an die Berührungen erinnere.
Wenn ich aber meinen Stolz für einen Moment vergesse, wünsche ich mir nichts sehnlicher, als einfach zu ihm zu gehen und ihn zu umarmen und zu küssen. Bei der Vorstellung muss ich übrigens wieder lächeln.Einmal habe ich bisher in meinem Leben jemandem vertraut und ihm all meine Sorgen und Gedanken mit ihm geteilt.
Jetzt ist er tot. Und ich weiß nicht, ob ich jemals dazu in der Lage bin, wieder jemanden so bedingungslos zu vertrauen.
Was ist, wenn ich ihn auch wieder verliere? Nochmal, schaff ich das glaube ich nicht.Nicht ohne Grund habe ich mir einen Job gesucht, um mir sexuelle Erfahrung anzueignen. Ich hätte mir genauso gut, jemand anderen suchen können. Doch schon damals habe ich bei meiner Entscheidung mitbedacht, dass dies eventuell Gefühle und eine Bindung mit sich bringen könnte. Das will ich nicht. Ich will mein Glück nicht von jemandem anderen abhängig machen.
Genervt lasse ich meinen Kopf nach hinten gegen die kühle Glasscheibe fallen.
Ein Gefühl von Wehmut überkommt mich. Ich vermisse Namjoon und schon rollen die ersten Tränen über meine Wange.
Meine Kehle fühlt sich an wie verstopft und das Atmen fällt mir schwerer, als sonst. Genau in diesem Moment setzt sich eine Person neben mir auf die Bank, welche ich jetzt am wenigsten sehen will.Hastig wische ich mit meinem Ärmel über meine Augen und beuge mich nach vorn, damit mein Sitznachbarn nicht mein Gesicht sehen kann.
Taehyung stellt währenddessen seinen schwarzen Motoradhelm zwischen uns."Hey, wie geht's dir?", fragt er in seiner typischen ruhigen Stimme, bei der ich ihm am liebsten um den Hals fallen und ihm all meine Sorgen anvertrauen würde.
Ich spüre seinen Blick auf meiner Wange.
Erst zucke ich mit den Schultern, doch schließlich kann ich mich zu einem knappen: "Gut", zwingen.
"Fährst du?", versuche ich das Thema auf etwas anderes zu lenken und sehe dabei zum Helm."Ja. Eigentlich wollte ich gerade los, aber ich warte lieber, bis der Regen schwächer wird." Ich sehe ihn zwar nicht an, kann aber hören, wie er sich zum Ende des Satzes ein Lächeln aufsetzt.
"Hat dein Dad noch was gesagt?", bricht er die kurz entstandene Stille.
Genervt seufze ich auf.
"Er weiß, dass wir miteinander geschlafen haben", gebe ich monoton von mir."Wie hat er reagiert?", überrascht sieht er mich an, doch ich sehe immer noch nach vorn. Er soll mein verheultes Gesicht nicht sehen.
Ich zucke zum wiederholten Mal mit den Schultern.
"Weiß nicht. Er klang irgendwie .....enttäuscht?", gebe ich vor das richtige Wort zu suchen, dabei weiß ich ganz genau, dass er zu 100 Prozent von mir enttäuscht ist.
"Aber das ist egal. Unsere Beziehung zueinander ist eh im Arsch", schiebe ich noch hinterher. Keineswegs will ich Mitleid von Taehyung bekommen.
Nickend resigniert er meine Antwort."Soll ich dich vielleicht mitnehmen?", fragt er vorsichtig und deutet dabei auf seinen Helm.
"Ne, lass mal", lehne ich ab und richte meinen Blick auf die vorbei fahrenden Autos.
Für 5 Minuten sitzen wir weiterhin schweigend nebeneinander.
Es herrscht eine komische Stille. Jeder weiß, dass da Gesprächsbedarf ist, aber keiner sagt auch nur ein Wort.
Meine Intention dabei ist, das einfach zu vergessen und diese aufkommenden Gefühle für ihn irgendwie abzustellen. Was seine Absicht ist, kann ich leider nicht entziffern.Der Himmel lichtet sich ein wenig und langsam traut sich die Sonne durch die dunkle Wolkenschicht zu schauen.
Plötzlich steht Taehyung auf und nimmt seinen Helm.
"Gut, dann bis morgen. Denk an die Präsentation und sprech deinen Part noch ein paar Mal durch."
Ohne ihn anzusehen, hebe ich zum Abschied kurz die Hand und nicke, um ihm zu verdeutlichen, dass ich seine Anweisungen verstanden habe.Damit verschwindet er auch schon wieder auf dem Schulparkplatz, nur um wenige Minuten später mit seinem ebenfalls schwarzen Motorad, auf die befahrene Straße abzubiegen.
Für einen Moment schaue ich ihm noch hinter her.
Das letzte bisschen Hoffnung, dass er mich zwingen würde mit zu ihm zukommen erlischt, nachdem er hinter der nächsten Kurve verschwindet.Damit bildet sich wieder ein Kloß in meinem Hals.
Man, was bin ich denn heute für eine Heulsuse?!
Verfluche ich mich innerlich und bin bereits dabei die nächsten Tränen von meiner Wange zu wischen.
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False Confidence
Hayran Kurgu||𝚅𝚔𝚘𝚘𝚔|| Jungkook ist am Boden zerstört. Die verfremdete Beziehung zu seinem Vater, der Tod seines einzigen Freundes und vor allem er selbst, machen ihm das Leben schwer. Als einzige Jungfrau des gesamten Jahrgangs, macht er sich selbst umheim...