𝓉𝒶𝓀ℯ 𝒶 𝒷𝓇ℯ𝒶𝓉𝒽

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Jungkook Pov.

Noch eine kurze Weile bleibt es still, ehe er seufzend sein Gesicht in seine Hände legt. Das kann nichts gutes heißen.
Trotzdem versuche ich, eine nicht all zu bittere Miene zu ziehen.

"Danke, Jungkook.
Danke, dass du mir das erzählt hast", gibt er so ehrlich von sich, wie ich ihn noch nie gehört habe. Allerdings schwingt da dieser eine traurige Unterton mit, der mich weiterhin Unsicher sein lässt.
Er nimmt seine Hände von seinem Gesicht und sieht mich an. Augenblicklich läuft mir ein Schauer über den Rücken.
Seine Augen sehen glasig aus. Sie sind so voll mit Tränen gefüllt, dass jedes Blinzeln das Fass zum Überlaufen bringen könnte.

Mir tut es im Herzen weh, ihn so wegen mir zu sehen. Immer habe ich gedacht, dass mir unser Verhältnis zueinander - ja sogar er selbst - egal wären. Doch mein Körper beweist mir wiedereinmal das Gegenteil. Mein Herz zieht sich bei seinem niederen Anblick unangenehm zusammen.

"Auch, wenn es vielleicht nicht so rübergekommen ist....
Ich habe die ganze Zeit gespürt, dass du etwas vor mir verheimlichst.
Das hat mich verletzt. Sehr sogar, wenn ich ehrlich bin. Ich weiß, dass ich oft streng zu dir bin. Das tut mir leid. Meist habe ich aber einfach nur Angst, dass aus dir nichts wird und du irgendwann unter einer Brücke schläfst.
Und selbst das würdest du mir nicht erzählen...."

Bis jetzt habe ich schon zwei Punkte gehört, denen ich am liebsten widersprechen würde, jedoch halte ich meinen Mund und höre ihm weiter zu, so wie er mir zugehört hat.
"Seit dem Tod deiner Mutter, liegt ein unheimlicher Druck auf mir. Aber ich bin selbst daran Schuld.
Da ich Arzt bin und mit vielen Auszubildenden und Studenten zu tun habe, weiß ich wie hart es ist, an einer guten Universität aufgenommen zu werden. Deswegen wollte ich, dass du mit Sicherheit auf eine dieser Universitäten kommst. Ich wollte wohl in der Erziehung nicht versagen.
Jeden Abend überlege ich, ob deine Mutter stolz auf uns wäre. Aber ich glaube nicht. Gute Noten fand auch sie immer wichtig. Doch wichtiger als diese, ist wohl der Familienzusammenhalt. Diesen Punkt habe ich übersehen und erst jetzt, wo du mir alles erzählt hast, ist es mir klar geworden.

Jungkook, du weißt, dass ich nicht begeistert davon bin, dass du in so einem Club arbeitest, oder zumindest gearbeitet hast.
Aber wenn ich deinen Grund höre, dass du dich nicht gut genug gefühlt hast, legt sich all die Wut, auf mich selbst.
Ich habe dir vielleicht gute Regeln vorgeschrieben, aber in diesem Punkt habe ich als Vater wohl wirklich versagt.
Mein Junge, du bist perfekt so wie du bist. Vielleicht willst du es mir nicht gleich glauben, aber keine Schulnote der Welt könnte deinen Wert senken oder steigern.
Noten sind nur für einen guten Studienplatz wichtig.
Was wirklich zählt ist dein
Charakter und das daraus resultierende Verhalten.
Die letzten Wochen bist du immer so ruhig gewesen....meinst du, ich habe nie gemerkt, wie du dich nachts aus dem Haus geschlichen hast?
Jede Nacht habe ich mir Sorgen gemacht. An manchen Tagen bin ich sogar erst eingeschlafen, als ich gehört habe, wie du morgens um 4 Uhr wieder nach Hause gekommen bist.
Und jeden Abend habe ich mich gefragt, wann du mir endlich alles erzählen wirst.

Was ich dir eigentlich sagen will ist:
Du kannst jetzt endlich aufhören die Luft anzuhalten. Atme einfach und lebe dein Leben.
Triff dich mit Taehyung und sprecht euch aus.
Im Krankenhaus hat er einen recht guten Eindruck gemacht, als ich ihn allein behandelt habe.
Und wenn er derjenige ist, der dich glücklich macht, dann reißt euch verdammt nochmal zusammen und biegt das gemeinsam wieder gerade.
Und bitte mein Sohn...
erzähl mir in Zukunft alles über dich und deine Gefühle.
Nur so kann ich ein guter Vater sein. Sag es mir, wenn ich über die Strenge schlage aber erzähl mir auch Dinge, die ich gut gemacht habe, damit ich weiß, wie ich besser reagieren kann."

Mit diesen Worten wischt er sich einmal über die Augen. Bis jetzt hat er sich tapfer geschlagen und noch keine einzige Träne vergossen.
Allmählich sackern seine Worte in mein Gehirn, wo sie schließlich blitzschnell verarbeitet werden.
Zum ersten Mal in meinem Leben hat er mich 'mein Sohn' oder 'mein Junge' genannt. Schon das macht mich übermäßig glücklich.

All die Angst und Nervosität fällt von mir ab, wie ein schwerer Stein von einem Fels.
Ein zaghaftes Lächeln legt sich auf meine Lippen, welches er sofort erleichtert erwidert.
Dankbarkeit breitet sich in mir aus und ehe ich mich versehe, stehe ich auf und laufe um den Schreibtisch herum.
Mit einem Grinsen umarme ich meinen Vater schließlich so fest ich kann.
Dieser beginnt aber zu schluchzen und vergräbt seine Augen in meiner Schulter.
So fest wie noch nie, umarmt er mich zurück und es fühlt sich fast so an, als ob wir uns nie fremd waren.

Für den Rest des abends haben wir uns zusammen, mit einem Bier in der Hand, in die Wohnstube gesetzt und geredet. Er hatte viele Fragen an mich, die ich natürlich alle so ehrlich, wie nur möglich zu antworten versuchte.
Zwischen uns herrschte eine ausgelassen, ja fast freundschaftliche Stimmung. Unser Gespräch war so zwanglos wie noch nie und ich hatte fast das Gefühl vor einem völlig anderem Menschen zu sitzen.

Wir redeten sogar über meine Mutter. Dies war sonst das absolute Tabuthema. Aber auch mein Vater schien endlich wieder Luft zu holen.
Jedoch hatte er seine schon seit 8 Jahren angehalten.
Bis ein Uhr in der Früh, saßen wir da und erzählten. Schließlich beendete er aber das Gespräch, weil wir beide Morgen früh raus mussten.
An diesem Abend schlief ich mit einem Grinsen im Gesicht ein.

Gleich am nächsten Tag ist alles anders, denn mein Vater hat von jetzt an beschlossen, mich morgens zu wecken, damit wir gemeinsam Frühstücken und uns gegenseitig von unseren Plänen, vom bevorstehenden Tag erzählen.
Zwar muss ich dafür eine halbe Stunde früher aufstehen, aber keine 30 Minuten dieser Welt, könnten aufholen, was ich über 8 Jahre mit ihm verpasst habe.







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