Raven
Dwayne hatte alle Tests widerstandslos über sich ergehen lassen und tigerte jetzt ruhelos durch die sterilen Gänge des Gebäudes herum. Dabei trug er immer noch dieses bescheuerte Armband, welches sowohl seinen Atem, seine Herzschläge wie auch seine Schritte zählte. Dwayne wusste, dass die Ergebnisse wichtig waren und nicht zuletzt seiner Gesundheit zugute kamen, doch trotzdem kam er nicht umhin Harrison insgeheim zu verfluchen.
Mit Sicherheit hatte er die Dauer und Ausführlichkeit der Tests nicht gewählt, weil ihm Dwaynes gesundheitlicher und mentaler Zustand so ungemein am Herzen lag. Nein, eher machte er sich einen Spaß daraus Dwayne auf allen erdenklichen Möglichkeiten den Mittelfinger zu zeigen.
Resigniert stieß Dwayne den Atem aus und ließ den Kopf kreisen. Es war spät in der Nacht, zu spät um sich wegen diesen Dreckssack groß aufzuregen. Dwayne hatte besseres zu tun.
Jeder im ganzen Gebäude war auf der Hut, alle Ein und Ausgänge waren schon seit Stunden abgeriegelt. Und doch war Pias Blut wie vom Erdboden verschluckt, ohne dass auch nur eine Spur gefunden wurde oder der Alarm losgegangen wäre.
Und das bereitete Dwayne noch viel mehr sorgen als es die Vorstellung einer amoklaufenden Verrückten getan hätte. Es war als ob sie einen Geist suchen würden. Einen verdammt gefährlichen Geist.
Das aufgenommene Videomaterial war mehrmals ausgewertet worden, gleich nachdem Dwayne, Blake und Jason zurück gekehrt waren und das Portal hinter ihnen versiegelt worden war. Fürs erste. Sofort hatten sie Alarm ausgelöst, doch das hatte Pia nicht davon abgehalten ihr Blut zu stehlen.
Es war als ob sie nie dagewesen wäre, und doch sprach das Fehlen des Blutes für ihr unumstrittenes Eindringen.
Dwayne bog in einen weiteren, hell erleuchteten Gang ein, den Blick ruhelos über die viel zu weißen Wänge gleitend. Seine Schritte wurden von dem grauen Teppichboden gedämpft, sein Atem war ruhig und gleichmäßig. Alles nur Schein, von seiner äußeren, scheinbaren Kontrolle konnte er in seinem Inneren nichts finden.
Natürlich war die Idee eines anderen Diebes anstelle von Pia stark vertreten worden, in der Diskussion der Distriktführer, die gleich nach Dwaynes Berichtabgabe und Untersuchungen abgehalten worden war.
Doch das hatte in Dwaynes Augen rein Garnichts gebracht. Leere Worte in endlosen Diskussionen, oh, wie es ihn ankotzte.
Ein schneller Blick zu den Laboren und Dwayne streunte weiter durch die leeren Gänge des Gebäudes, vorbei an verlassenen Räumen, Kammern und Büros.
Jason schien es recht gut zu gehen, den Umständen entsprechend. Trotzdem merkte man ihm an, dass ihn die Sache fast am meisten mitnahm, jedenfalls als Außenstehender. Wer konnte es ihm verübeln? Er war ein Halbblut, doch keine Schule der Welt hatte ihn auf die Schuldgefühle vorbereiten können die ihn zu überrollen drohten. So war es nun mal als Anführer einer Mission. Mit großer Macht folgte große Verantwortung, so war es schon immer gewesen.
Dwayne biss die Zähne zusammen und nahm einen Zahn zu.
Blake ließ sich hingegen nichts anmerken, doch Dwayne wusste, dass da mehr hinter steckte.
Vor ein paar Tagen hatten sie die Videoaufnahmen eines Einbruchs in Louisiana bekommen, ein mysteriöses Ereignis in einem Waffenladen, welches eines der Außenteams sicher gestellt hatten.
Einbrüche in Waffenläden waren an sich nichts besonderes, doch dieser hob sich nicht nur aus einem Grund von der Masse ab. Nicht nur, dass der Einbrecher wie aus dem Nichts aufgetaucht war und keine Einbruchsspuren hinterlassen hatte, nein. Das Bemerkenswerteste war mit Abstand die dreckige Hasenmaske gewesen, die die Dieben getragen hatte. Eine Maske die Dwayne nur allzu bekannt gewesen war.
Ein freudloses Lachen entwich ihm, während sich ihm gleichzeitig alle Nackenhaare gleichzeitig aufstellten, bei dem Gedanken an die vor Wahnsinn glitzernden, leeren Augen.
Nun, jetzt wusste er wenigstens woher sie die ganzen Waffen herhatte, mit denen Pia sie durch die andere Dimension gejagt hatte.
Je mehr Zeit verstrich, desto größer wurden die Zweifel seines Unterfangens. Wenn es gut lief hatte er noch einen gestatteten Versuch um sie zurück zu holen. Doch wenn der misslang...
Dwayne biss die Zähne zusammen und ballte die Fäuste. Daran wollte er gar nicht denken, konnte die Vorstellung nicht ertragen.
"Dwayne!" ein keuchendes Rufen riss ihn aus seinen düsteren Gedanken und ließ ihn herumfahren, als Jasper mit zerzaustem Haar und wehenden Kittel auf ihn zu gerannt kam. In seiner Hand schwenkte er einem schwarzen Gegenstand und kam erst wenige Meter vor Dwayne schlitternd zum Stehen.
"Was?" fragte dieser nur knapp angebunden und musterte das junge Genie.
Keuchend stützte Jasper sich mit den Händen auf seinen Knien ab und hielt Dwayne nur abwartend den schwarzen Gegenstand hin.
"Hier." keuchte er und schnappte nach Luft, "Es ist für dich."
Mit gerunzelter Stirn musterte Dwayne Jaspers Hand und erkannte sein Handy, eingepackt in einem Plastikeinmachbeutel. Er hob eine Augenbraue.
"Was wird das?"
Jasper schüttelte den Kopf.
"Nun nimm schon, was besseres ist mir nicht eingefallen. Es hat gebrummt als ich-" Ein schneller Blick auf Dwaynes Handgelenk, dann senkte Jasper seine Stimme beträchtlich und flüsterte: "Als ich in der Reservaten Kammer war. Mehrmals."
Dwayne machte immer noch keine Anstalten sein Handy zu nehmen."Es liegt immer noch unter Verschluss. Gerade du solltest großes Interesse haben Gegenstände die mit der anderen Dimension in Kontakt geraten sind nicht zu verunreinigen."
Jetzt verdrehte Jasper nur die Augen, wobei er immer noch abschätzend auf Dwaynes Arm schielte und richtete sich auf.
"Und gerade du solltest wissen, dass ich es nicht tun würde, außer es wäre von enormer Wichtigkeit. Also nimm dein Handy und antworte gefälligst!"
Für einen Moment starrte Dwayne Jasper nur an. Er war zu Müde um sich auf einen Streit einzulassen oder ihn zusammen zu falten, auch wenn er verdammt Lust dazu gehabt hätte. Kommentarlos nahm er sein Handy entgegen, drauf und dran einen kurzen Blick darauf zu werfen und es gleich wieder zurück zu bringen, als ihn das pinke Leuchten auffiel.
Sofort war er hellwach als er den pinken Kreis mit den zwei länglichen, an Hasenohren erinnernden Umrisss erkannte.
"Das kann nicht sein." Entwich es ihm, doch Jasper schüttelte den Kopf.
"Ist es aber." er richtete sich vollständig auf und drehte sich wieder in die Richtung aus die er gekommen war."Komm, Dwayne. Ich weiß nicht was das ist, nur, dass du das nicht auf dem Flur tun solltest."
Benommen folgte Dwayne Jasper und hielt erst an, als sie in einem alten, verstaubten Büro ankamen.
"Keine Kameras, keine Abhörgeräte." sagte Jasper als er das Licht anknipste und ein paar Unterlagen von einem Drehstuhl räumte, direkt auf den Überquellenden Tisch.
"Aber dein Armband solltest du mir geben."
Ohne den Blick von dem leuchtenden Handy zu lassen übergab Dwayne Jasper sein Überwachungsgerät To-Go und ließ sich in den freigeräumten Stuhl fallen.
"Bitte tu mir nur einen gefallen." sagte Jasper über die Schulter, als er mit einem schnellen, scannenden Blick den Flur abcheckte und die Tür leise hinter sich schloss.
Wiederwillig sah Dwayne ihn an.
"Bitte lass das Handy in dem Beutel."
Jetzt verdrehte Dwayne die Augen, und entsperrte das Handy mit einem schnellen Wischen. Schwärze leuchtete ihm entgegen.
Dann ploppte ein pinker Strich auf, gefolgt von fliegenden Worten, wie bei einem alten Nintendospiel.
-"Hört auf mich retten zu wollen. "
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Dimension 2
ParanormalPia Schröder gibt es nicht mehr, davon sind die Mitglieder des Raven-Clans überzeugt. Seit ihrem Verschwinden aus dem Deutschen Hauptquartier wurde sie nicht mehr gesehen, und weder Familie noch Freunde scheinen sich an das siebzehnjährige Mädchen e...