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Pia


Wir saßen am Küchentisch, zwischen uns zwei Tassen mit dampfenden Tee. Schon wieder Tee, Pfefferminze. Mein Lieblingstee. Es tat mir fast leid dass ich den Tee nicht trinken konnte.

"Mam?" fragte ich mit vorsichtiger Stimme.
Der Blick meine Mutter wurde wieder scharf und sie sah mich offen an. Die Augen meiner Mam waren wie die Spiegel zu ihrer Seele und ich konnte alles sehen.

Ihre Erinnerungen an mich und an die verpasste Zeit, ihre Schuldgefühle nie für mich dagewesen zu sein. Ihre Trauer und ihr Schmerz, dass ich ihre Erinnerungen an mich gelöscht hatte und gegangen war, gegangen mit der Absicht nie wieder zurück zu kommen.
Und doch war da dieses Glitzern des Verständnisses.
Meine Mam verstand, warum ich das getan hatte, warum ich schlussendlich gegangen war.

Aus den Augenwinkeln musterte ich die Umgebung, hielt nach ungewöhnlichen Schwingungen oder sonst was Ausschau. Nach irgend etwas, was ein Anzeichen auf einen neuen Dämon geben könnte, den meine Mam unbewusst erschaffen hatte. So genau wusste ich es selber nicht.

Aber da war nichts.

Mein Blick zuckte zurück zu meiner Mam. Gerade saß sie da, ihr Blick offen und aufmerksam auf mich gerichtet, auch wenn ihre Augen noch ein wenig rot unterlaufen waren. Sie hatte sich bemerkenswert unter Kontrolle. Lag es daran, dass ich mit der Vernichtung ihrer Dämonen ihre innere Stärke hervor gehoben hatte? Oder wurde sie zusätzlich noch von etwas anderen gestützt, von jemand anderen?

Ich biss mir auf die Lippe.

"Mam, ich möchte dich nicht mehr anlügen ." fing ich an und sah ihr dabei ernst ins Gesicht.
"Du weißt, dass ich seit einem Unfall die Sprünge gemacht habe, und nach einem weiteren für die letzten Jahre in der anderen Dimension gefangen war. Irgendwie bin ich jetzt wieder zurück gekommen, wie und warum weiß ich nicht. Aber es ist sehr wichtig, dass wir das heraus finden. Verstehst du das?"

Meine Mam nickte.
"Natürlich." sagte sie und atmete tief durch.
"Du bist in eine vollständige Verbindung mit deinem Gefühlsgeist getreten, weil es dich nicht in Ruhe gelassen hat und dich und uns bedroht hast. Um uns zu schützen bist du schließlich gegangen, und jetzt sorgst du dich, dass es wieder außer Kontrolle geraten könnte und dein Gefühlsgeist wieder beginnt nach dir zu Greifen."

Ich sah sie direkt an. Was hatte man ihr erzählt, und vor allem, wer?

Sie hatte schon Recht mit ihren Feststellungen, aber das war nicht alles gewesen.
Was konnte ich ihr erzählen, was konnte sie ertragen?

Gott, was war das kompliziert! Warum hatte ich mir bei Marie nicht solche Sorgen gemacht? Obwohl, ihr hatte ich auch nicht alles erzählt. Doch welche Informationen ich ihr nun genau aus welchen Gründen verschwiegen hatte, konnte ich nicht mehr sagen.

Die Erinnerungen daran lagen im Nebel, die Schämen waren noch zu erkennen, doch die Details waren wie in einem Farbtopf mit vielen unterschiedlichen Farben bis zur Unkenntlichkeit vermischt worden.

Das mit dem logischen Denken und Handeln hatte ich wohl in letzten Jahren etwas verlernt, dessen Auswirkungen sich gerade zeigten.

Gott, ich musste wirklich aufpassen. Das hier war ein gefährliches Spiel was ich spielte, und noch hatte ich kein Bild von meinem direkten Feind.

Ich schluckte. Vielleicht sollte ich zumindest mit meiner Mam reinen Tisch machen, und zwar von Grund auf. Zwar lief ich damit Gefahr erneut einen Dämon in ihr zu erwecken, doch wenn sie sich schon wieder an mich erinnerte, schuldete ich es uns dann nicht wenigstens jetzt KLartext miteinander zu reden?

Was konnte ich bitte alles kaputt machen, wenn wir gerade vor allen Scherben saßen?

"Mam. Ich hatte Angst. Ich hatte mich nicht getraut mit irgendjemanden zu reden, da mir niemand geglaubt hätte und du... du bist nie da gewesen." Die Augen meiner Mam begannen wieder gefährlich zu glänzen, doch ich sprach weiter. Das hier war vielleicht das letzte Gespräch zwischen uns, und ich musste ihr sagen, was ich zu sagen hatte. Wenn sie sich schon wieder erinnerte, dann sollte sie die ganze Geschichte erfahren. Und zwar von mir und niemand anderen.

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