Pia
Dick eingepackt in eine Jacke die mir nicht gehörte stand ich an der Ecke der Straße und starrte auf die Risse zu meinen Füßen. Es waren die selben Risse die da schon vor Jahren waren, die selben dunklen Schlaglöcher. Es war schön zu sehen, dass sich meine kleine Ranzstadt in keinster Weise verändert hatte, auch nach all den Jahren nicht.
"Hier, bitte!" Langsam hob ich den Blick und realisierte Marie, die in einer Wolke des Duftes und des Sonnenscheins vor mir auftauchte. Ihr blauer Pulli passte perfekt zu ihren großen, strahlenden Augen, ihre dunkelgraue Jeans versank in hellen Stiefeln und bildete ein farbliches Set mit ihrem beschen Schal und Mütze. In ihrer zierlichen Hand hielt sie mir einen dampfenden Pappbecher hin.
"Pfefferminztee, wie gewünscht. Sicher, dass du keinen Café willst? Ich kann nochmal los gehen, wirklich gar kein Problem!" Wie hypnotisiert starrte ich den dampfenden Becher für einen Moment an. Dann nahm ich ihn mit zitternden Fingern. Uh. Heiß.
"Nein." Flüsterte ich. "Tee ist gut." Etwas anderes könnte ich wahrscheinlich gar nicht runter bekommen. Ich bezweifelte selbst, dass so etwas leichtes wie heißes Wasser mit leichtem Geschmack überhaupt noch verträglich für mich war. Trotzdem nahm ich es an. Maries Schuldgefühle mussten wirklich riesig sein, so groß waren ihre Hundeaugen geworden.
"Willst du nicht auch noch meinen Schal haben? Es ist schließlich November und du trägst fast nichts! Ist dir nicht kalt?"
Langsam schüttelte ich den Kopf und pustete in mein heißes Getränk.
"Nein, nicht nötig. Du solltest auch deine Jacke wieder zurück nehmen, du brauchst sie dringender als ich. Mir ist nicht kalt."
Marie schüttelte in einer Mischung aus Entschiedenheit und Ratlosigkeit den Kopf.
"Wie kann dir nicht kalt sein? Es hat maximal zwei Grad, und heute morgen habe ich nachgesehen! Meine Wetterapp hat ganz klar angezeigt, dass es nicht wärmer als zwei Grad werden wird!"
Leicht verzogen sich meine rissigen und farblosen Lippen zu einem Lächeln. Apps um das Wetter nachzusehen. Gott, wann hatte ich so etwas das letzte mal getan? Oder überhaupt auf ein Handy geblickt?
Die Bilder von Fillys Chatreflektion schlichen sich in mein Bewusstsein, doch ich wischte sie weg. Das war nicht dasselbe.
"Nun, ich denke, ich bin die Kälte schon lange gewöhnt." Marie blieb wie angewurzelt stehen und starrte mich an, dann setzte sie sich wieder in Bewegung.
"Wo warst du bitte?!"
Ich blinzelte. War es schlau ihr die Wahrheit zu sagen?
"Ich war in einer anderen Dimension dieser Welt. Alles war grau, voller dämonischer Wesen und es existiert da keine Logik oder Moral. Müsste ich die andere Dimension bewerten, würde ich Wahrscheinlich Minus Punkte geben. Allerdings gibt es dort auch eine Art zweite Persönlichkeit von mir namens Rabbit, und zu ihr muss ich auf jeden Fall zurück weil wir mittlerweile nicht mehr ohne den anderen Überleben können."
Nein, es war nicht schlau. Wenn ich das sagen würde- der Platz neben mir war leer und verwundert sah ich mich nach hinten um, nur um eine völlig entgeisterte Marie zu sehen die mich aus riesigen Augen heraus anstarrte.
"Du... WAS?!"
Ich blinzelte. Oh. Zu spät, ich hatte es ihr schon gesagt. Nachdenklich legte ich den Kopf zur Seite. Irgendwas schien in meinem Kopf nicht mehr richtig zu funktionieren, denn ich machte nicht mehr das was ich nicht machen wollte. Hm. Das könnte zu Komplikationen kommen.
Sollte ich es abstreiten? Ich starrte auf meine durchscheinende Hand. Die eine weiß, die andere Pech schwarz. Nun, das würde wahrscheinlich eh nichts bringen. Wie sollte ich das sonst erklären? Da war die Wahrheit wahrscheinlich doch noch die beste Idee.
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Dimension 2
ParanormalPia Schröder gibt es nicht mehr, davon sind die Mitglieder des Raven-Clans überzeugt. Seit ihrem Verschwinden aus dem Deutschen Hauptquartier wurde sie nicht mehr gesehen, und weder Familie noch Freunde scheinen sich an das siebzehnjährige Mädchen e...