44

16 5 0
                                    

Pia

Meine Laune war spätestens dann im Keller eingezogen, als ich vor Dwaynes schwarz-glänzenden Privatjet stand.
Zähneknirschend starrte ich das elegante Flugobjekt an und wünschte es mit samt seinen Besitzer zur Hölle.

Als Dwayne meinen düsteren Blick bemerkte, zuckte er nur mit den Schultern und erklärte im nüchternen Ton: "Firmenprivileg."

Ich musste hart an mich halten um ihn nicht anzuspucken.

Die ganze Fahrt über grummelte ich in mich herein, während wir in den viel zu bequemen cremefarbenen Polstern versanken und über das Wolkenmeer glitten.

I mean, ein Privatjet? Ernsthaft? Wie viel Geld hatte der Kerl?

Als Erklärung, warum wir gerade hiermit unterwegs waren, meinte er nur, dass sich eine weltweite Pandemie über den Erdball in meiner Abwesenheit verteilt hatte und somit den Verkehr zwischen den Ländern sehr erschwerte.

Das klang so absurd, dass ich ihm diese Geschichte erst nicht abkaufte. Aber als er anfing mir die Hintergründe zu erläutern schaltete ich schneller ab als damals im Geschichtsunterricht und so beließ er es dabei mir eine Maske zuzuschieben, welche ich bei mir behalten sollte um sie nötigenfalls zu tragen.

Den Rest des Fluges und der darauffolgenden Fahrt in einem erneut viel zu teuren Auto verbrachten wir schweigend, bis wir einige Zeit später vom Flugplatz mitten in den dichten Stadtverkehr eintauchen und schließlich vor einer weiten Häuserreie in einem gehobene Viertel mitten in London hielten.

Semibegeistert und doch etwas überrascht folgte ich Dwayne durch das metallene Gartentor in den gepflegten Vorgarten und die wenigen Stufen bis zur schweren Haustür hinauf.

"Du hast eine Wohnung in London?"
Krächzte ich.
Dwayne hatte mir seinen breiten Rücken zugewandt, während er die Tür aufschloss.
"Wie du siehst." Murmelte er nur leise und trat ein.

Wärme schlug mir entgegen und ließ mir einen Schauer über die Schultern gleiten.
Mit mechanischen Bewegungen entfernte Dwayen nur Mantel und Hut und hängte beides in die Garderobe.

Der kleine Flur mit der seitlich eingefassten Treppe nach oben waren von perniblen Sauberkeit und Ordnung.
Und dennoch empfing mich ein Gefühl von schüchternen Willkommen.

Zögerlich streifte ich meine Schuhe ab und sah mich aufmerksam um.

Als ich Dwaynes stillen Blick auf mir spürte verdüsterte sich mein Ausdruck schlagartig und mit einem "Was?" Fuhr ich ihn von der Seite an.

Dwayne schüttelte nur den Kopf.
"Nichts."

Ich wollte etwas darauf erwiedern, als ein leichter Husten sich meine Kehle hinauf schlich. Ich röchelte in meine Faust hinein und versuchte angestrengt den Aufkommenden Drang hinunter zu schlucken.
Dann senkte ich die Hand wieder.

Währenddessen hatte mich Dwayne keine Sekunde aus den Augen gelassen, sparte sich aber ein Kommentar.
Mit der Hand deutete er den Flur hinunter.

"Da hinten befinden sich Küche und Wohnzimmer, oben sind die Bäder und Schlafzimmer. Leider habe ich zurzeit kein Gästezimmer, also wirst du dich mit dem Schlafzimmer abfinden müssen während ich auf der Caouch-"
Ich riss die Augen auf; "Oh nein, nein, nein, das kommt gar nicht erst in die Tüte!"

Etwas überrumpelt zog Dwayne die Augen zusammen.
"Wie?"
Wieder entfuhr mir ein Huster, den ich jedoch herunter schluckte.
"Ich werde den Teufel tun und in deinem Zimmer schlafen! Das kannst du sowas von vergessen, eher sterbe ich als mehr mit dir und alle deinem Sein in Kontakt zu kommen als unbedingt nötig." Wild fuchtelte ich mit meiner Hand in seine Richtung, und zuckte bei dem immer stärker werdenden Bedürfnis zu husten zusammen.

"Autsch?" Fragte er ohne auch nur ansatzweise wirklich von meinen Worten getroffen zu sein.

"Bei soviel Dankbarkeit fehlen mir wirklich die Worte.
Weißt du, ich versuche wirklich ein guter Gastgeber zu sein, aber du machst er mir wirklich wirklich nicht leicht,-"

Ich schlug mir die Hand vor den Mund, sank in mich zusammen und hustete mir die Seele aus dem Leib.
Sofort war Dwayne bei mir und hielt mich an den Schultern, während er mir gleichzeitig auf den Rücken klopfte.

"Alles gut." Murmelte er. "Huste, wenn du husten musst. Versuch es nicht zu unterdrücken."

Ich verdrehte die Augen und wollte ihm eine Spitze Bemerkung an den Kopf werfen, doch die nächste Hustenwelle verschlug mir die Sprache.

Erst als ich keuchend und röchelnd wieder zu Atem kam, senkte ich meine Hände in den Schoß.
Kalter Schweiß hatte sich auf Nacken, Stirn und Rücken ausgebreitet und rann an mir herab. Ich fühlte mich wie verdaut und ausgekotzt.

Flatternd öffnete ich meine zitternden Augen und blickte zu Dwayne auf, welcher ernst und still neben mir auf dem mit einem gemusterten Teppich ausgelegten Parketboden saß.

Zögernd folgte ich seinem Blick auf meine Hände, die mit dunklem Blut verschmiert waren.

Freudlos stieß ich die Luft aus und schloss wieder die Augen. Sehen fürchte sich plötzlich viel zu anstrengend an.

"Komm mit." Murmelte Dwayne und stemmte mich hoch.
"Oben ist das Bad. Wir waschen deine Hände und dann legst du dich hin. Zu viel Anstrengung schadet dir nur."

Ich wollte lachen, auch wenn mir gar nicht danach zu Mute war. Ich wusste doch selbst was für ein körperlich und geistiges Wrack ich geworden war, sodass ich nicht einmal... ja, was eigentlich?
Was hatte mich in den letzten Stunden so angestrengt, dass ich gerade jetzt in mich zusammenbrach?

Irgendwie schafften wir es die steile Treppe hinauf, ab deren Hälfte mich schon der nächste Huster schüttelte und ich schließlich vor der offenen Toilettenschüssel endete.

Wortlos hielt Dwayne mir die grauen Strähnen aus dem Gesicht und wusch mit einem hergezauberten Waschlappen sanft meine von Blut getränkten Finger, bis ich schließlich mit jetzt nur noch halbherzigen Protest in den weichen Daunenkissen seines breiten Bettes lag.

Draußen war die Sonne bereits unter gegangen und nur noch dämmriges Licht spendete eine alte Schirmlampe auf seinem Altholznachttisch nahe der Tür.

Dwayne trat zum Fenster und stellte es auf Kippe, bevor er mit einem letzten prüfenden Blick auf die Straße die Vorhänge schloss und zu mir trat.

"Versuch zu schlafen." Meinte er nur und rückte noch einmal die schwere Decke über mir zurecht.
"Morgen werden wir weiter sehen.
Taschentücher liegen da, ein Eimer steht neben dir, falls du einen brauchst."

Wie aus weiter Ferne hörte ich nur noch seine Stimme ohne wirklich zu begreifen, was er sagte.
Nur seine Stimme war wie ein roter Fahden in der immer stärker werdenden Dunkelheit um mich herum.

Leise Schritte entfernten sich und das Licht, welches trotz seines gestimmten Strahlens immer noch viel zu grell in meinen Augen brannte, wurde gelöscht.

Bereits geistig in ganz anderen Dimensionen des gnädigen Schlafes spürte ich nur noch, wie ich plötzlich den dünnen Stoff eines warmen Armes in zwischen den Fingern hielt.
"Bleib." Flüsterte jemand, doch dann übermannte mich der Schlaf und spülte mich fort.

Dimension 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt