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Pia

Gedankenverloren schaute ich auf meine vom schwarzen Blut verkrusteten Hände hinunter. Ich wusste nicht mehr, ob es von den Slendermännern oder von der Lehrerin stammte. Vielleicht auch von beiden.

Seufzend ließ ich die Arme wieder auf den Boden sinken und starrte durch meine Maske hindurch in den Himmel. Ich trug sie schon so lange, dass mir ihr Gewicht gar nichts mehr ausmachte.

Der Wind hatte sich gelegt, auch wenn er mir nie etwas aus gemacht hatte, und auch die Dämonen hatten sich wieder beruhigt.

Trotzdem war es eine angespannte Stille, eine Stille die jederzeit wieder in einem einzigen Desaster eskalieren würde, wenn jemand einen falschen Schritt wagte. Une mit jemand meinte ich die Halbblüter.

Sie waren schon eine Plage. Keine Sekunde lang glaubte ich, dass sie meiner Nachricht durch Filly nachgehen würden, im Gegenteil. Früher oder später würden sie hier wieder auftauchen, aus welchem Grund auch immer.

Und ich? Ich würde auf sie warten, denn Halbblüter hin oder her. Wesen aus der Realität hatten hier nichts zu suchen. Ich selber war schon seit langem keines mehr, auch wenn ich meine Zeit gebraucht hatte, um das zu akzeptieren.

Rabbit und ich waren durch unsere Verbindung etwas Neues geworden, etwas Seltenes. Wir waren kein reines Wesen der anderen Dimension, wir waren mehr als das. Wir konnten Logik anwenden an einem Ort, der keine Logik zuließ.

Leise kicherte ich. Nun, wenn man das denn Logik nennen konnte. Es war mein Instinkt, die Sachen die Rabbit automatisch tat ohne zu denken und die ich unterbewusst anfing zu meinem Vorteil zu nutzen. Wir waren ein Team, wenn auch noch ein bisschen ungeübt, aber mit der Zeit... mit der Zeit würden wir dafür sorgen, dass niemand mehr die andere Dimension betrat. Denn das war jetzt unser Job. Auch wenn die Bezahlung richtig mies war.

Summend schlug ich meine Beine übereinander und wischte mit der Hand einige Augäpfel unter meinem Rücken weg, auf denen ich lag. Wem auch immer die gehörten, besagt Person hatte viel zu suchen in der nächsten Zeit.

Oh ja, auch wir hatten viel zu tun. Die beiden Dimensionen mussten wieder voneinander getrennt werden, jedenfalls auf der Ebene, die die Sterblichen nutzen konnten. Im Stillen verfluchte ich mich. Hätte ich damals auf mein mulmiges Gefühl gehört und wäre nicht zu den Drecksdeppen ins Auto gestiegen, dann hätten sie mir kein Blut abnehmen können und all das wäre nicht passiert.

"Aber vielleicht wären wir niemals zusammen gekommen." Erinnerte Rabbit mich in ihrem Singsang.
"Vielleicht hättest du mich dann nicht akzeptieren gelernt und wärst nicht mehr da."

Ich hob eine Augenbraue.
"Überraschend vernünftige Worte für ein Bewusstsein ohne Vernunft. Sag bloß, du hättest mich vermisst, wenn es anders gekommen wäre."

Rabbit schnurrte leise. "Danke." Sagte sie nur und strich über unsere innere Wand die mittlerweile zu einem Hauch abgeklungen war, die unsere beiden Bewusstseine voneinander trennten.

Ich runzelte die Stirn.
"Weißt du, was mir aufgefallen ist?"
Rabbit schnurrte nur als Antwort.
"Wenn wir in der Realität wären, würde ich schon längst in der Klapse sitzen. Oder in einem Labor vor mich hin vegetieren."

Rabbit kicherte.
"Und ich würde dich besuchen kommen, immer und immer wieder. Und sie würden dir nicht glauben. Und wenn doch, dann würden sie versuchen, es zu nutzen. Aber es würde ihnen nichts bringen. Denn am Ende wärst du tot."

Ich verdrehte die Augen.
"Vielen Dank für die aufmunternden Worte." Sagte ich sarkastisch.
"Gern geschehen." Schnurrte Rabbit.
"Ist dir schon mal in den Sinn gekommen, dass ich dich vielleicht auch dann akzeptiert hätte?"

Jetzt hielt Rabbit inne.
"Klapse oder Labor?"
Ich winkte ab.
"Womöglich in beiden Situationen."

Rabbit schwieg. Dann sagte sie: "Vielleicht, vielleicht auch nicht. Wir werden es nie erfahren. Aber eigentlich ... eigentlich wärst du vorher verreckt."
Resigniert blies ich mir eine lockere Haarsträhne aus der Stirn.

"Na vielen Dank auch. Es tut schon weh, wenn deine zweite Hälfte so wenig Vertrauen hat. Und noch schlimmer ist die Vorstellung, dass es dir anscheinend gefallen hätte, wenn ich verreckt wäre."

Jetzt holte Rabbit zischend Luft und erwiderte mit bedrohlich leiser Stimme: "Nein. Niemand darf uns vernichten. Niemand darf uns zerstören. Du bist mein und ich bin dein. Auch wenn du mehr mein bist als ich dein." Sie kicherte.

"Klappse oder Labor, wer dich getötet hätte, der hätte es selber nicht überlebt." Sie fletschte die Zähne.

"Danke, dass du mich gerecht hättest." Rabbit schien sich gerade anzuschicken noch etwas darauf zu erwiedern, als leises Tribbeln unsere Aufmerksamkeit auf sich lenkte. Und da erschien auch schon ein blasser Kopf über uns, umrahmt von blonden Zöpfen.

"Hallo." Begrüßte ich sie und Filly lächelte schüchtern auf mich herunter.

"Was hast du für uns?"
Filly ging ein paar Schritte weiter, bis sie vor einer großen, grauen Wand stand. Ruckartig legte sie ihren Kopf in den Nacken, bis man ein leises Klicken hören konnte, so als ob etwas eingerostet wäre. Dann blinzelte sie zwei mal, und ihre Augen warfen lange Scheinwerfer an die Wand.

Sofort flossen Zahlen, Bilder und Chatnachrichten in einem unaufhörlichen Fluss über die provisorische Leinwand, und lockte uns ein fettes Grinsen ins Gesicht.

"Du steckst voller Überraschungen."
Vor uns offenbarte sich der komplette Inhalt eines Handys, und zwar alles. Fotos, Nachrichten, googelsuchanfragen, Sprachaufnahmen... ich hatte vollen Zugriff auf alles. Und noch besser, dank dieses einen Handys konnte ich nun auch auf alle anderen zugreifen, mit denen Dwaynes Handy in Kontakt stand. Und da er irgend eine wichtige Position in ihren Affenzirkus belegte, hätten sie mir gleich ihr ganzes Unternehmen auf einen Silbertablett servieren können.

Wir lachten glücklich, klatschten entzückt in die Hände und strahlten Filly an.
Nun wussten wir sofort, wenn sie mal wieder etwas planten, und noch viel wichtiger, was und wann.
Damit würden wir ihnen mehr als nur einen Hasensprung voraus sein.
Rabbit keckerte belustigt bei meinem glanzvollen Vergleich.

Aber das beste war, dass ihnen gar nicht bewusst war, was für ein Abhörgerät sie da in ihrer Tasche vierundzwanzig sieben dabei hatten. Jedes Wort, jeder Ort an dem sie sich aufhielten, alles wurde aufgezeichnet. Und wir mussten hier nur noch sitzen und warten.

Summend tanzten wir zu der klaffenden Höhle, die sich wenigen Meter hinter uns im schwarzen Afphalt aufgetan hatte.
Zufrieden mit uns und der Welt sprangen wir zu Mama hinunter. Ich hatte Lust auf ein paar Snacks. Und holy shit, diese Snacks hatte ich mir verdient.
Fily würd ich auch ein paar mitbringen, auch wenn sie sie nicht anrühren wird. Sie mochte essen aus der Realität nicht. Aber vielleicht konnte ich sie mit einem der kleinen unnützen Spielzeuge in einem Ü-Ei begeistern.

Dimension 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt