Das dunkle Labyrinth

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"Wenn du nicht gleich etwas mehr Gas gibst, dann werde ich deinen verdammten Fuß auf das Pedal tackern. Hast du mich nun besser verstanden, Prinzessin?" keifte Kyle mich von der Seite an und wiederholte somit energisch die Anweisung, die ich zuvor mehr oder weniger ignoriert hatte.
Meine Hände begannen zu zittern, als ich meinen Fuß etwas schwerer auf das Gaspedal sinken ließ und der Wagen sich beschleunigte.
"Verarsch mich nicht Mona, hörst du?" zischte er neben mir erneut, doch diesmal konnte ich seinen stinkenden Atem auf meinem Gesicht spüren. Ich schluckte und bemühte mich, den aufkommenden Nebel in meinem Kopf im Zaum zu halten. Meine Kopfwunde begann erneut zu pochen und die Narben auf meiner Haut brannten wie glühende Eisen als wollten sie mich warnen - zumindest bildete ich mir dies sehr realistisch ein.
"Ob du mich gehört hast, habe ich dich gefragt!" brüllte Kyle mich aus direkter Nähe an, sein Speichel landete in meinem Gesicht und verursachte in mir einen Würgereiz, den ich kaum zu unterdrücken vermochte.
Erschrocken von seinem plötzlichen Ausbruch, der mich aus den tiefen meiner Gedankenwelt riss, zuckte ich zusammen. Unwillkürlich drückte ich das Gaspedal durch und riss das Lenkrad herum und ehe ich realisierte was vorsich ging und noch ehe ich meinen Körper zu irgendeiner Reaktion zwingen konnte, sah ich, wie das Auto nach rechts ausbrach. Die leicht abschüssige Böschung zu unserer Rechten kam näher, einer der Reifen striff einen großen Felsen und sorgte dafür, dass sich der Wagen einmmal um seine eigene Achse drehte. "Wie eines dieser Fahrgeschäfte auf der Kirmes..." dachte ich benommen während ich mich stumm ans Lenkrad krallte. "Du dummes Weib! Tu etwas!" brüllte Kyle neben mir und rempelte mich schmerzhaft an, während er verzweifelt nach dem Lenkrad griff um die Kontrolle über das Fahrzeug zu erlangen.
Ich fühlte mich wie betäubt und hatte jegliches Gefühl über meinen Körper verloren, es schien alles so unwirklich, dass ich fest damit rechnete, jeden Moment aus diesem absurden Traum zu erwachen. Fühlte sich so ein Traum an? Seit wann schmerzten Träume?
Happys Wagen war nun mit der Hinterachse über den Abgrund gerutscht und als ich plötzlich statt der Straße die Baumwipfel und Teile des aufziehenden Nachthimmels über mir sah, erwachte ich aus meiner Trance. Panik überkam mich, als der Wagen in gefühltem Zeitlupentempo rückwärts die Böschung in Richtung des See's hinabrutschte und die Äste der umstehenden Bäume kratzende Geräusche auf dem Metall hinterließen.
Kyles Hände lagen noch immer auf dem Lenkrad, doch auch er wirkte plötzlich unnatürlich still. Sein Gesicht war bedeckt mit getrockneten Blutresten und seine Nase hatte dank meiner Arbeit einen seltsamen Knick. Sein Gesicht war nur wenige Zentimeter von meinem entfernt, sein Atem keuchte und seine Kiefermuskeln spannten sich an.
Für einen Moment schloss ich meine Augen und atmete einige Male tief ein. Ich hatte einen Versuch, einen einzigen Versuch und wenn der schief ging, würde Kyle mich hier im Wald verscharren und Tony und meine Familie mich niemals wieder sehen. Tränen stiegen mir in die Augen, als ich all meine Energie zusammennahm um Kyle erneut mit meinem Ellbogen einen kräftigen Stoß gegen seine lädierte Nase zu verpassen.
Wie erwartet heulte dieser laut auf und ließ seine Hände tastend über sein Gesicht wandern. Mit schweissnassen Fingern tastete ich nach meinem Gurt, löste ihn vorsichtig und ehe ich weiter über mein Vorhaben nachdenken konnte, öffnete ich die Fahrertür des Wagens, bereit mich nach draußen zu stürzen.
Ein Funke der Erleichterung überkam mich, als ich den feuchten, kühlen Waldboden unter mir spürte, während der Wagen sich weiterhin seinen Weg durch das Dickicht nach unten bahnte. Für einen Moment lag ich reglos auf dem Boden und lauschte meinem keuchendem Atem als Kyles wütendes Geschrei durch die aufsteigende Dunkelheit drang.
"Du hast soeben dein Todesurteil unterschrieben Mona" tönte seine Stimme zu mir und ein dumpfer Aufschlag verriet mir, dass er wohl meinem Plan gefolgt und aus dem Auto entkommen war. Im Gegensatz zu mir, hatte Kyle sich in fremder Umgebung immer hervorragend zurecht gefunden, also musste ich mich möglichst leise und schnell von ihm wegbewegen. Langsam verschwand auch das letzte bisschen an Licht und verwandelte den Wald in ein finsteres, kaltes Labyrinth aus dem es zu entkommen galt.

Stressfull Mister StarkWo Geschichten leben. Entdecke jetzt