Der Dämon

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"Denk dran, ich bin direkt hier draußen. Sollte irgendetwas sein, musst du mir nur ein Zeichen geben und ich bin sofort da" versicherte Jamie mir eindringlich, als wir vor Kyle's Zimmer standen. Mir war noch immer übel, doch ich hatte die Panik - zumindest äußerlich - inzwischen wieder im Griff. "Irgendwie hatte ich es mir einfacher vorgestellt..." gestand ich und schenkte Jamie, sowie den beiden eingeweihten Polizeibeamten ein zittriges Lächeln. Ich wünschte nur, ich könnte ihm ohne Krücke entgegentreten, doch dieser Wunsch würde mir so schnell wohl nicht erfüllt werden.
"Ma'am, der Gefangene ist fixiert. Sie sollten ihm trotzdem nicht zu Nahe treten" wies mich einer der beiden Polizisten an. Ich nickte dankbar und atmete dann noch einmal tief durch "Gut, legen wir los..." murmelte ich entschlossen. "Schnapp ihn dir, Tiger" ermutigte mich Jamie erneut, als der Beamte die Tür öffnete und mich in den Raum führte, in dem Kyle lag.
"Branson, benehmen sie sich, verstanden?" bellte der Officer in den Raum und nickte mir dann ernst zu. "Wir sind direkt vor der Tür Ma'am" wiederholte er seine vorherige Ausführung und ließ mich dann mit meinem Albtraum alleine. Ich sah ihm hinterher und erkannte Jamie durch den offenen Spalt der Tür, der eine reine Vorsichtsmaßnahme sei, wie man mir mitgeteilt hatte.
"Na sieh mal an" ertönte Kyles Stimme vom Bett aus, die Handschelle rasselte leise, als er sich aufsetzte "Kriegst wohl nicht genug von mir, hm?" setzte er noch einen drauf. Tony hatte ihn übel zugerichtet und neben der gebrochenen Nase - mein Verdienst - hatte er diverse Platzwunden am Kopf und im Gesicht. Sein linker Arm steckte in einem Gips und auch sonst schien er Schmerzen zu haben, denn er verzog bei dem Versuch sich aufzurichten das Gesicht. Eine gewisse Genugtuung machte sich in mir breit, als ich sah, dass er scheinbar ordentlich zu leiden hatte, dennoch erfasste mich bei seinem Anblick das kalte Grauen. Bilder aus der Nacht, in der er mich mit einem Messer attackiert und fast umgebracht hatte, stiegen vor meinem inneren Auge hoch und wieder einmal drohte die Panik mich zu übermannen. Ich fühlte mich wie ein Reh vor den Scheinwerfern eines LKW und wartete quasi nur darauf von ihm zerschmettert zu werden.
"Ruhig Mona...Du darfst nicht vor ihm zusammenbrechen, hörst du?" ertönte Jamies Stimme in meinem Kopf und holte mich zurück in die Wirklichkeit.
"Ich bin eher hier, um mich davon zu überzeugen, dass du in die Hölle wanderst" entgegnete ich und war überrascht von der Kälte in meiner Stimme. Es schien, als würde das scheue Reh sich gerade verwandeln... Kyle lachte trocken auf und fixierte mich dann aus kalten Augen "Ich wette dieser Stark hat dich verlassen, nachdem er bemerkt hat was für ein jämmerliches Weibchen du bist" höhnte er. Ich schluckte die aufkommende Übelkeit herunter und zwang mich zur Ruhe. "Warum sonst solltest du hier angekrochen kommen?" ätzte er aus seinem Krankenbett heraus und spuckte dann in meine Richtung. Ich vernahm eine vertraute Stimmte auf dem Gang vor dem Zimmer und für den Bruchteil einer Sekunde kehrte Ruhe in mir ein.
"Oh, er ist hier... Ich wollte dir jedoch alleine gegenübertreten um dir zu zeigen, dass du keinerlei Macht mehr über mich hast. Ginge es nach mir, könntest du vor meinen Augen sterben und ich würde nichtmal mit der Wimper zucken" zischte ich und all die Angst, all die Wut der letzten Jahre schienen aus mir herauszusprudeln. "In Wirklicheit jedoch bin ich froh, dass du all dies überlebt hast und fähig bist mir zuzuhören..." fuhr ich fort und trat an das Fußende seines Bettes.
Das Adrenalin in meinem Blut schoss in die Höhe und ich unterdrückte das Zittern in meinen Händen, indem ich das Gitter an seinem Bett mit festem Griff umschloss.
Kyle blickte mich aus blutunterlaufenen Augen an, ein hämisches Grinsen auf dem Gesicht "Süße, kleine Mona... So furchtbar mutig und dabei so unfassbar dumm...". Ich ignorierte seinen Einwurf und zwang mich ihm fest in die Augen zu sehen - Augen in die mich mal unsterblich verliebt hatte, Augen die mich mehr als nur einmal hatten sterben lassen und Augen die mich ins tiefste Mark erschüttert hatten.
"Ich bin froh, dass du mir nun zuhören kannst, denn..." ich holte Luft und spürte das kühle Metall unter meinen Fingern "...wärst du nicht gewesen, wäre ich Tony vielleicht nie über den Weg gelaufen. Ich sollte dir also dankbar dafür sein, dass du so ein Abschaum bist und mich dazu gezwungen hast stark zu sein, als meine Welt in Trümmern lag." mein Herzschlag beschleunigte sich, als ich nach meiner Krücke griff und mich zum Gehen bereit machte. Du hast es gleich geschafft, Mona!
"Du jämmerliche Hure..." zischte Kyle zu mir herüber und zerrte an seiner Fessel als er mit schmerzverzerrtem Gesicht aufspringen wollte. Erschrocken sah ich mich um, bemüht mir nichts von meiner Angst anmerken zu lassen und sah ihn erneut an.
Ich konnte deutlich sehen, dass er große Schmerzen hatte - Schmerzen die er mir und Menschen die ich liebte schon so oft zugefügt hatte. In diesem Moment des Schmerzes, war Kyle wehrlos und unfähig einem anderen Menschen außer sich selbst weh zu tun und dieses Wissen ließ den Knoten in meinem Inneren platzen.
Ich drehte mich zu der verkrümmten, jammernden Gestalt in diesem Krankenhausbett um und spürte wie eine eiskalte Hand sich um mein Herz schloss. "Lass dir Eines gesagt sein Kyle Branson.." begann ich und wartete, bis er mich aus glasigen Augen ansah "...kommst du mir oder irgendeinem Menschen den ich liebe, jemals wieder zu Nahe, werde ICH Diejenige sein, die dich umbringt. Sehe es als Versprechen!". Mit diesen Worten drehte ich mich um und humpelte mit zitternden Händen und rasendem Herzen zur Tür um den Dämon aus meiner Vergangenheit endgültig aus meinem Leben zu entfernen.

Stressfull Mister StarkWo Geschichten leben. Entdecke jetzt