Aufholprozess

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Mit einer Zahnbürste zwischen den Zähnen ging Ilus noch leicht verschlafen die Treppen runter. Er merkte, wie die Anspannung aller sofort in die Höhe schoss. Also hörte er zweifelnd auf zu schrubben und fragte: "Ist etwas?".

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Henry träumte gut von einem großen Stapel an warmen Pfannkuchen mit frischem Ahornsirup und schmelzender Butter. Bis es einmal unglaublich laut knallt, das gesamte Gebäude wackelte und etwas Schutt von der Decke auf ihn fiel. Erschrocken sprang er hoch und sah sich um. Eilig lief er aus dem Zimmer. Schon von der Treppe aus sah er, wie ein großer Teil der Wand nach draußen raus gesprengt war und wie fast alle Mitglieder der Gang an Ilus hingen, da er austickte. Auch Henry sprang hinzu. Alle klammerten sich an ihn und versuchten ihm sämtliche Waffen zu entreißen. Dabei verletzte Ilus die anderen außer Kontrolle stark. Ein paar erlitten sogar Schusswunden. Abschließend trat Shark hinzu und haute Ilus einmal feste auf den Schädel, sodass er ohnmächtig auf den Boden fiel. Bedauernd sah er zu ihm auf den Boden: "Sorry, Chef...". Außer Atem fragte Henry: "Was zur Hölle ist hier passiert?!". Schnaufend erklärte Zigz: "Ilus hat sich Iceman wohl zum Feind gemacht... Er hat uns spioniert und den Ring auf der Postroute abgegriffen... Nun will er ein Spiel mit uns spielen, in welchem wir den Ring suchen sollen...". Erledigt ließ Henry den Kopf sinken: "Fuck...".

Er spürte einen ziehenden Schmerz in seiner linken Seite und sah nach: "Sogar mich hat er angeschossen...". Shark hob ihn direkt hoch und meinte zielstrebig: "Wir gehen Doktor". Und der Doktor konnte ihm Entwarnung geben: "Nur ein Streifschuss. Die Patrone ist sogar wieder raus". Ein paar andere hatte es schlimmer verletzt, auch sie saßen im Raum und warteten auf Verarztung. Unter anderem Koi, welcher seinen rechten Arm nicht mehr bewegen konnte. Zigz war wohl mit Shark der einzige, der nicht verletzt wurde. Der Doktor entschuldigte sich: "Nimm es mir bitte nicht übel, aber sie brauchen es gerade mehr als du". Henry nickte verständnisvoll: "Kein Problem. Shark, in meiner Wohnung habe ich ein Verbandskasten. Kannst du mich hin fahren?". "Natürlich", so hob er ihn wieder hoch. Auf dem Weg zum Ausgang sah Henry Ilus weiterhin auf dem Boden liegen und wies an: "Nimm ihn auch mit". Leicht verunsichert folgte Shark dem Wunsch und hob auch ihn hoch. Danach nahm er den neu durch eine Granate gezündeten Ausgang. 

Bei Henrys Appartementhaus erschreckte er sich leicht, als sein ehemaliger zweiter bester Freund Dexter vor der Haupttür stand und immer wieder klingelte. Er gab auf und drehte sich seufzend um, entdeckte dann aber die drei. Besorgt lief er auf ihn zu: "Was ist denn mit dir passiert? Weshalb blutest du so krass?". Doch er ging wieder ein paar Schritte zurück, als Shark sich direkt vor ihn stellte. Henry schluckte kurz: "Ich schulde dir wohl ein paar Erklärungen, nicht wahr...? Komm mit rauf...". Zögerlich half Dexter ihnen. In der Wohnung dann durchsuchte Shark das Badezimmer nach dem Verbandskasten. Im Schlafzimmer zog Henry Ilus auf sein Bett und setzte sich mit Dexter auf die Bettkante. Leicht vor Schmerzen zischend fing Henry an zu erzählen: "Der Weißhaarige ist tatsächlich der Leiter einer Straßengang und das wird halt mal etwas gefährlich. Besonders mit seinem Temperament. Ein Streifschuss, nichts allzu Schlimmes". Dexter schreckte auf: "Du wurdest angeschossen?! Und das ist nicht schlimm?! Henry!". "Schätze, ich habe in den letzten Tagen Schrecklicheres gesehen...", gestand er.

Dexter versuchte sich zu beruhigen und an anderen Stellen weiter zu fragen: "Wie ist das alles zustande gekommen...?". "Dylan wurde nicht lange, nachdem du weg gezogen bist, mit Depressionen diagnostiziert. Vor ein paar Monaten war dann das Endstadium... Wahrscheinlich... habe ich es ausgelöst... Ich mochte ihn und er mich... Doch konnte er das von mir nur schwer wahrnehmen...", erklärte Henry. Bedrückt sagte Dexter nichts, hakte erst nach mehreren Sekunden weiter nach: "Und du weinst nicht?". "Hm? Ich...", unsicher sah Henry über seine Schulter Ilus an und schüttelte dann mit dem Kopf, "Nicht mehr, nein". Verwundert zeigte Dexter auf Ilus: "Ja, gute Frage... Wie hast du ihn jetzt kennengelernt?". -"Bin aus Versehen in eine Rettungsaktion seines Bruders rein geraten. Er hat wohl nur ein gutes Herz und wollte mir mit meiner Trauer helfen". "Seid ihr zusammen?", war Dexter unschlüssig. Henrys Blick wurde dumpf und er stotterte leicht: "Das... ist eine äußerst gute Frage... Ich bin sein Pate?". "Okay... Wo ist eigentlich deine Katze?", sah Dexter sich um.

Shark trat hinzu, holte aus seiner Weste den weißen Fellknäuel und versuchte Henry zu verbinden. Erfreut hob Dexter die Katze hoch: "Kiki, lange nicht mehr gesehen. Du musst Ringo kennen lernen". Murrend merkte Shark an: "Kitty heißt Kiki, Cousine heißt Kiki... Ich bin durcheinander". Da fragte Dexter weiter: "Wer ist Kiki? Also, Cousine?". Brummend ertönte Ilus: "Meine Cousine...!". Henry bat direkt: "Greif ihn bitte nicht an. Egal, wie sauer du gerade bist". Mit schummerigen Gefühl richtete er sich auf und sah Henrys Wunde: "War ich das?". "Ja, wir verstehen es wirklich, dass du auf 180 bist, aber du kannst uns nicht so rücksichtslos-", wollte Henry ihn belehren, da umarmte Ilus ihn feste. Henry zappelte und schrie vor Schmerzen auf. Ilus knurrte aufgebracht: "Du sollst mir von nun an nicht mehr helfen... Es wird zu gefährlich für dich, eventuell kann ich dich bald nicht mehr schützen... Du hast mir schon ausreichend geholfen...". Dexter war verwirrt: "Wollte er nicht dir helfen?". 

Shark schob Ilus von Henrys Wunde, damit Henry antworten konnte: "Schon, aber er wird mich eventuell nach Harvard bringen. Ich bin ihm doch etwas schuldig". Ilus widersprach: "Nein?! Du hörst auf, mir zu helfen!". Dexter sprang staunend auf: "Wow, Harvard?! Das ist ja unglaublich!". Ehrgeizig nickte Ilus: "Genau dahin geht er, nirgendwo anders! Erst recht nicht auf meine Missionen!". Nachdenklicher merkte Dexter an: "Aber Cambridge? Wir sind in LA, das ist das andere Ende aller vereinigten Staaten". Nun brach Ilus' selbstsicherer Blick ein: "Wie jetzt?". Henry sah ihn überrascht an: "Wusstest du das noch nicht? Das Harvard College steht in Boston, Ostküste". "Nein, wusste ich tatsächlich nicht...", er sah schwer nachdenkend auf die Bettdecke. Shark hörte auf, Henry zu verbinden und sah langsam zu Ilus rüber.

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Auf dem Friedhof waren Henry und Dexter, wie sie auf Wunsch von Dexter vor Dylans Grab standen und schwiegen. Vor dem Friedhof wartete Ilus, während er mit Iceman telefonierte: "Du hast meinen Brief aber etwas spät erhalten. Du hast dir noch etwas Urlaub erlaubt, nicht wahr?". "Was kümmert dich das schon? Wo ich mich rum treibe? Welche Tätigkeiten ich ausführe? Alles, was dich interessiert, ist mein Körper und dass du ihn haben kannst", murrte Ilus und drehte immer wieder die Trommel seines Revolvers mit einer übrig gebliebenen Patrone. "Genau, aber ich will es nicht uninteressant haben. Schließlich hast du mir sämtlichen Spaß daran genommen, wie du es dir gewünscht hast", schmunzelte er. "Hmpf", war alles, was von Ilus kam. 

Iceman grinste weiter: "Ich will dich tanzen sehen, durch die gesamte Welt". "Das war schon der erste Hinweis, den du mir auf dem Brief hinterlassen hast. Du brauchst es nicht zu wiederholen", schnaufte Ilus. "Irgendwo ist er versteckt, auf irgendeinem dieser Kontinente. Ein halbwegs kompetentes Team hat dir Boss ja hinterlassen. Also solltest du es in den nächsten Monaten schaffen", provozierte er ihn. Ilus brach fast den Griff des Revolvers: "Boss hat das Team nicht zusammen gestellt, das war ich...!". "Ach ja, du hast dir einen ganz schlauen Burschen kurz nach deinem Geburtstag zugelegt", reizte er Ilus' Nerven immer weiter. "Lass Koi bloß in Ruhe", drohte Ilus direkt. "Ist ja gut, ist ja gut", lachte Iceman, "Dein drolliger Spielpartner wirkt viel interessanter für mich...". "Schnauze, das ist ein Ding zwischen uns beiden, kapiert?", machte Ilus klar. Nur übte Iceman großen Druck auf ihm aus: "Ich gebe dir ein unbegrenztes Zeitlimit, denn ich weiß, ein ambitiöser Tiger wie du wird eines Tages so oder so hier auftauchen. Aber wenn du es nicht mehr aushalten kannst, nicht der Besitzer eures so geliebten Rings zu sein, dann musst du mir nur deinen putzigen Freund überreichen und ich löse das Rätsel sofort auf". Ilus riss seine Augen auf und hörte auf, sich zu bewegen.

Schwer atmend drehte Ilus sich langsam um, um Henry anzusehen. Durch das Telefon drang Icemans Stimme erneut: "Du hast ja Zeit, kein Stress. Sicherlich würdest du es auch alleine schaffen. Irgendwann... Wenn Mitya sich vielleicht schon tot gesoffen hat... und es eigentlich schon zu spät ist...". Ausrastend warf Ilus das Handy auf den Boden und schoss drauf. Erschrocken sahen Dexter und Henry sofort nach. Aber Ilus ließ den Revolver schon wieder fallen und er bewegte sich nicht weiter. Henry merkte an: "Das könnte normal für ihn sein. Versuche einfach, dir keine Sorgen zu machen". Dexter nickte beunruhigt ab.

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